Die Nacht der Dahm-Orgel

FLÖRSHEIM (drh) - Pinguine, Esel und Katzen schienen am Samstagabend durch die Gänge der Galluskirche zu marschieren, als die ersten Töne der zweiten Flörsheimer Orgelnacht erklangen. Die Zuhörer staunten und schmunzelten, waren es für das 300 Jahre alte Instrument doch eher ungewöhnliche Klänge, die jedoch die Bandbreite und Klangfülle der Orgel einmal in ganz anderer Weise zeigten. 
Organist Manuel Braun hatte Stücke gewählt, die an Märchen- oder Kinderballettaufführungen erinnerten. Gabriel Dessauer, Kantor in St. Bonifatius in Wiesbaden, spielte die beschwingten Sequenzen und Manuel Braun selbst erklärte zwischen den Werken gemeinsam mit Anna Bechtluft, wie die Orgel funktioniert. Für jeden Ton aus den zwischen einem Zentimeter und fünf Meter langen Orgelpfeifen wird Luft gebraucht. Früher, als es noch keine elektrische Mechanik gab, sind die Töne generell durch die Luft eines durch die Füße und das Gewicht des Tretenden zu bedienenden riesigen Blasebalgs entstanden. Manche Pfeifen sind mit einem Blättchen ausgestattet, das durch einströmende Luft in Schwingungen versetzt wird und somit einem an einer Tischkante federnden Lineal ähnelt. Alle Pfeifen stehen in der Orgel nach Tonhöhe und Registern geordnet. Mit den Tasten der Klaviaturen spielt der Organist alle Pfeifen einer Tonhöhe an. Jede Taste ist über eine komplizierte Mechanik mit einem kleinen Ventil unter den Pfeifen verbunden. Wird die Taste gedrückt, öffnet sich das Ventil, die Luft strömt durch die Pfeifen und es entsteht ein Ton. 
In der Flörsheimer Kirchenorgel sind im Grunde genommen vier Orgeln auf einmal eingebaut, die größte von ihnen bildet das Hauptwerk und ist in der Mitte des Instrumentes zu finden. Etwas kleiner ist das Rückpositiv, das dem Organisten im Rücken sitzt und von den Kirchbesuchern gut gesehen werden kann. Die kleinste Orgeleinheit ist das Brustwerk direkt vor dem Organisten. Hier sind die kleinsten Pfeifen angebracht, die besonders hell klingen. Die vierte Orgel wird mit den Füßen gespielt, hat jeder Organist doch auch etwa 25 Pfeifen mit Pedalen zu bedienen. 
Die Flörsheimer Orgel ist über 300 Jahre alt und stammt vom Orgelbauer Jakob Dahm. Im Laufe der Zeit wurde das prachtvolle Instrument mehrfach umgebaut, doch einige Bauteile befinden sich noch heute im Originalzustand des Jahres 1709. Doch auch Orgeln verstauben, tote Mücken verstopfen mittlerweile die Pfeifen, eine Generalreinigung des Instrumentes ist längst überfällig. 
Die Reinigung der Dahm-Orgel ist eine extrem aufwendige Sache, müssen doch hierfür sämtliche Pfeifen ausgebaut und entstaubt werden. Mit einem neuem Instrument sei die vom Zahn der Zeit gezeichnete Orgel aber dennoch nicht zu ersetzen, würde ein vergleichbares Instrument doch schnell über eine Million Euro kosten und längst nicht die Töne widerspiegeln können, wie es zu Zeiten der großen Komponisten wie beispielsweise Bach gewünscht war. Die Flörsheimer Orgel sei mit einem Oldtimer zu vergleichen, den es zu hegen und zu pflegen gelte, um den Charme des Instrumentes zu erhalten. 
Nach dem Einführungsteil bestimmte Bach die zweite Sequenz. Studierende der Orgelklassen von Professor Hans-Jürgen Kaiser und Professor Gerhard Knann der Mainzer Hochschule für Musik spielten Werke zum Thema „Die sechs Evangelisten“. Die Flörsheimer Kantorei hatte sich „200 Jahre Franz Liszt“ zum Thema gemacht und präsentierte eine gute Stunde Musik des „Tastenlöwen“. Gegen 22.30 Uhr zeigten Anna Bechtluft an der Flöte und Manuel Braun an der Orgel, was zur Überschrift „Flutes, Pipes and Pedals“ aus der Orgel hervorzubringen ist. Kurz vor Mitternacht luden Taizé-Gesänge zum Nachtgebet bei Kerzenschein ein. 
Die Kirchengemeinde hofft auf zahlreiche Spenden, um die Orgel demnächst reinigen lassen zu können. 
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