Rotlicht in der Kulturscheune

„Juniortheater Vitamin T10“ führte an zwei Abenden das Stück „MacHeath“ auf

Auch die zeitgenössisch gehaltenen Kostüme der Schauspieler spiegelten das Milieu wieder, in denen „MacHeath“ spielt: Sie waren so gut wie alle in rot und schwarz gehalten.?(Foto: A. Kreusch)
 

Auch die zeitgenössisch gehaltenen Kostüme der Schauspieler spiegelten das Milieu wieder, in denen „MacHeath“ spielt: Sie waren so gut wie alle in rot und schwarz gehalten.?(Foto: A. Kreusch)

 

FLÖRSHEIM (ak) – In das Milieu der Kleinkriminellen und Prostituierten zu einer Zeit, in der Ganoven noch aus England nach Australien deportiert wurden, versetzte das „Juniortheater Vitamin T10“ unter der Regie der Theaterpädagogin Petra Spies seine zahlreichen Zuschauer am Samstag und am Sonntag des letzten Wochenendes in der ausverkauften Flörsheimer Kulturscheune.

Das Stück „MacHeath“, eine Farce in sieben Bildern von Ingo Sax, angelehnt an „The Beggar‘s Opera“ von John Gray (uraufgeführt im Jahr 1728) und an Bertold Brechts „Dreigroschenoper“ wurde von 13 jungen und einer erwachsenen Schauspielerin sehr beeindruckend auf die Bühne und sogar direkt zwischen die Zuschauer gebracht. 
 

 

„MacHeath“ spielt in einer Art „Parallelwelt“, in der es durchaus Gesetze und Moral gibt – beides unterscheidet sich nur ganz grundlegend von Gesetz und Moral der „Normalbürger“. Herrscher in dieser Welt ist der Hehler und Kopfgeldjäger Peachum, er entscheidet nach seinen Überlegungen – und manchmal auch nur nach seinen Launen – welcher Mann an den Galgen kommt und welcher leben darf. Am Tod „seiner“ Frauen ist ihm nicht gelegen: „Die Jäger sagen, die Hennen lässt man fliegen, sie legen die Eier. Am Tod einer Frau verdient man nichts, es sei denn, es ist die eigene“, ist seine Devise, die vom Publikum mit Beifall und Gelächter quittiert wurde. So sind auch seine 16-jährige Tochter Polly und seine Frau für Peachum in erster Linie ein „Anlage-Objekt“, für sie ist es völlig in Ordnung, dass sie mit völlig fremden Männern schläft und sich dafür bezahlen lässt. Dass sie aber mit dem Helden mit dem goldenen Schal, Captain MacHeath, auch gratis ins Bett gegangen ist und ihn sogar geheiratet hat, das steht ihren ganz eigenen Ansichten von Moral allerdings sehr entgegen. Dialoge wie „Und wovon wolltet ihr leben?“ – „Von den Fähigkeiten meines Mannes, wie jede Frau!“ – „Du dummes Ding – von den Fähigkeiten eines Mannes wirst du nur schwanger, sonst nichts!“ zwischen Mutter und Tochter amüsierten die Zuschauer sehr. Für die Eltern gibt es nur eine praktikable Lösung ihres Problems: Ihre Tochter muss Witwe werden, MacHeath muss an den Galgen. Sie setzen kurzerhand ein Kopfgeld auf seine Verhaftung aus. Die naive Polly nimmt ihrem Captain jedoch noch einen Liebesschwur ab: „Ich weiß, Du wirst mir immer treu sein!“ –„Natürlich, warum gerade dir nicht?“ und verrät ihm den Plan ihrer Eltern. Trotzdem tappt der Held in die Falle, eine Prostituierte in Geldnot verrät ihn an die Justiz in Gestalt des Gefängnisdirektors Lockit. Hinter Gittern geht es ihm gut – solange er Geld hat. Nur eines bereitet Mac?Heath Sorgen: Die Tochter von Lockit ist vom ihm schwanger und will ihn auch unbedingt heiraten. „Ich dachte, die Hölle beginnt erst nach dem Galgen!“, kommt es dem Helden in den Sinn, als er versuchen muss, zu verhindern, dass sich die beiden Frauen begegnen. 

Um die Geschichte der drei „Liebenden“ herum passierten in der Kulturscheune noch viele kleine und große Dinge, die die Zuschauer begeisterten und zum Lachen brachten: Nicht nur, dass alle Umbaupausen mit Musik „überbrückt“ (das ist nicht das richtige Wort – diese Showeinlagen waren durchaus sehenswert!) wurden, dabei wurde für die als Toilettenfrau „getarnte“ Souffleuse auch schon mal die Klobürste zum Mikrofonersatz, es gab auch einen humorig gestalteten „Überfall“ zwischen den Zuschauerreihen, den der „Überfallene“ mit den Worten „Ernsthaft Leute – warum krieg‘ eigentlich immer ich die Scheiß-Rollen?“ kommentierte.
Nicht nur von der Spielkunst und der Überzeugungskraft der Schauspieler in ihren Rollen hing es in diesem besonderen Theaterstück ab, wie viel Applaus es am Ende gab – das Publikum durfte auch darüber entscheiden, ob der smarte (Weiber-)Held Captain MacHeath, der ja nun am seidenen Faden „zwischen Pettycoat und Galgenstrick“ schwebte, das Ende des Stücks überleben würde oder nicht.
Wie sich das Flörsheimer Publikum in der Kulturscheune entschieden hat, wird natürlich nicht verraten – nur so viel: Ein charmanter Ganove hat auch heute noch immer eine gute Chance, sein windiges Fell retten zu können.
 
 
 
 

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