„So richtig katholisch“

Peter Becker schreibt offenen Brief an den Vorstand der DJK SC Flörsheim am Main

Die DJK SC Flörsheim hat unlängst vom Flughafenbetreiber Fraport eine Spende in Höhe von 2.000 Euro entgegengenommen. Das kritisiert der Flörsheimer Autor und ehemalige Stadtverordnete Peter Becker in einem offenen Brief, den die Flörsheimer Zeitung an dieser Stelle in voller Länge veröffentlicht.

 

„Als ich am Dienstag den 24. Juli nachmittags auf meiner Terrasse sitzend, vom ohrenbetäubenden Lärm der landenden Flugzeuge genervt, fast am Durchdrehen war, versinnbildlichte mir ein Gedanke, dass es zwischen diesem Terror, Verursacher die Fraport, und einem Satz Trikots, Spende der Fraport, aber auch nicht das Geringste abzuwägen gibt. Reklame laufen für die Verursacher dieses Terrors? Undenkbar!
An diesem besagten Dienstag wurde mir zu allem Überfluss auch noch zugetragen, dass die Fraport, nachdem der Kassenwart der DJK den Flughafenbetreiber um eine Geld-Spende gebeten hatte, unserem Verein tatsächlich eine Finanzspritze von 2.000 Euro gewährt hat. Doch was ist der Hintergedanke bei der Sache? Nun, bemüht um eine positive Außendarstellung, haben die Fraport-Manager Anfang des Jahres ihre Firmenphilosophie geändert, haben ihre finanzielle Unterstützung für den Großverein Eintracht Frankfurt zusammengestrichen, um mit dem eingesparten Geld vielen kleinen Vereinen in der Region etwas zukommen zu lassen. Damit wollen sie bei uns, den Lärmgeschädigten, auf schönes Wetter machen. Noch immer vom Lärm umhüllt auf der Terrasse sitzend, war ich wie geplättet. 
Zwei Tage später auf dem Sportplatz, anlässlich des Bernd Ludwig Gedächtnisturniers, traf ich auf vier Mitspieler aus längst vergangenen Tagen, die diese Neuigkeit heiß diskutierten. Franz Jürgen Bengel meinte: ,So was tut man nicht!' Der neben ihm Sitzende warf ein, wenn es sich nur um 2.000 Euro handele, würde er es nicht so eng sehen und ein Auge zudrücken. Worauf wiederum dessen Nachbar meinte: ,Ein Verein in der finanziellen Lage wie der unseren muss nehmen, was er kriegt, von wo und wem spielt dabei keine Rolle!' Da meldete sich eine Person aus dem Hintergrund, die dem Quartett am Getränkestand interessiert zugehört hatte: ,Dazu muss man wissen, dass der Vorstand für die 2.000 Euro Spende keinerlei Verpflichtungen gegenüber der Fraport eingegangen ist und wir uns von nun ab mitnichten als Pro-Landebahn-Verein in der Öffentlichkeit darstellen müssen. Ganz im Gegenteil, unser Vorstand hat sich gegenüber den beiden Fraport-Offiziellen, mit ihnen führte man die Unterredung im Vereinsheim, als klare Gegner der Verlärmung über Flörsheim Position bezogen.' Worauf einer der beiden Fraport-Leute gesagt haben soll: ,Ich weiß von was Sie reden, und kann es nachempfinden, ich wohne in Rüsselsheim!' Den Störenfried unserer Gesprächsrunde ins Visier genommen und nicht ganz ernst gemeint, warf ich ein, dass ich im Internet einen Kommentar gelesen hätte, in dem behauptet wird, dass „Germania Weilbach“ demnächst mit dem Schriftzug ,Transthermos' auf den Trikots antreten werde, eben jener Firma, die – von der Überredungskunst unseres Rathauschefs überzeugt – sich auf dem alten Hertie-Gelände angesiedelt hat und seitdem mit ihren Lkws samt Kühlaggregat-Anhängern mit einer Geräuschkulisse von weit über 70 Dezibel bei der Durchfahrt in Weilbach den dortigen Anliegern endgültig das Leben zur Hölle macht. Worauf sich aus der Tiefe des Raumes der Insider-Wissende zurückmeldete um im Brustton tiefster Überzeugung zu vermelden: ,Trikotwerbung mit dem Schriftzug Fraport wäre für unseren Verein nie in Frage gekommen!' 
Da ist keinerlei Schuldbewusstsein vorhanden, ich war echt überrascht. Kaum von der Überraschung erholt, bestätigte der Redner meine Vorahnung dann doch noch, indem er ganz nebenbei folgende Geschichte zum Besten gab: ,Nehmt doch unseren Umweltpapst von Weilbach, den Bernd Zürn, der Landebahngegner war doch auch gegen das Turmbauprojekt im Regionalpark, und heute? – nutzt er die 170 Stufen, des 41 Meter hohen Turmes für seine Trainingsläufe und das mit dem Wissen, dass die Fraport den Bau finanziert hat!' Was so dann auch nicht stimmt, es waren etwas über 100.000 Euro, also nur ein Fünftel der Gesamtkosten des über 500.000 Euro teuren Turmes, was mich aber auf die Idee brachte, Bernd Zürn einmal anzusprechen und ihm zu raten, bei seinen nächsten Trainingsläufen jede fünfte Stufe zu überspringen, da sie ja von der Fraport finanziert sein könnte.
Diese Art zu diskutieren, also von sich abzulenken und nach dem Motto ,jeder Mensch hat Dreck am Stecken' die Fährte zu einer Person, die einer anderen Geisteshaltung angehört, zu legen, diese Praxis ist mir seit über 30 Jahren aus dem Stadtparlament bekannt. ,Des ist so richtig katholisch', hat ,de Honnes', Kolumnist unserer Heimatzeitung, einmal gesagt. Damals, Anfang der 1980er Jahre, saß ich noch für die GALF im Stadtparlament. Für die war Verkehrsberuhigung schon immer ein Thema. Was für die Wachstumsfanatiker in den Reihen von CDU, SPD und FDP immer gleichgesetzt wurde mit dem Angriff auf der Deutschen liebstes Kind, das Auto. Eine Tatsache, die einen Hinterbänkler bewog, mich während meiner Begründung zum GALF-Antrag mit dem Zwischenruf ,Immer aufs Auto, aber fahrn willst de!' zu unterbrechen, worauf ihm sein Parteifreund und damalige Erste Stadtrat Norbert Hegmann mit dem Ellenbogen in die Rippen stieß und zischte: ,Still, der hat kein Auto – der hat ja noch nicht einmal ein Telefon.'
Ein Telefon habe ich mir, wenn auch widerwillig, zwischenzeitlich zugelegt, so dass Sie mir Ihre Meinung zu meinem Vorschlag, die Fraport-Spende zurückzubuchen und die Finanzlücke mit der von mir überwiesenen Spende auszugleichen, per Anruf mitteilen können. Es ist, wie ich meine, noch nicht zu spät, den Schaden, unseres in Misskredit gebrachten Vereins abzuwenden und die Unruhe unter den Mitgliedern zu befrieden. Verfahren Sie wider Erwarten nicht wie von mir gewünscht, stecken Sie sich die Spende über 2.000 Euro an den Hut und meine Mitgliedschaft gleich mit, was nichts anderes bedeuten soll, dass ich nach gefühlter 50-jähriger Zugehörigkeit aus der DJK SC Flörsheim austrete.“
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