Die Sprache der Kunst

FLÖRSHEIM (drh) - Nicht nur mit „Guten Tag“, sondern auch mit „Merhaba“ begrüßten sich die Besucher der neuesten Kunstausstellung im Kunstforum Mainturm. Zum ersten Mal stellten Künstler aus der künftigen türkischen Partnerstadt Güzelbahce in Flörsheim ihre Werke aus. 
Kunst gilt im allgemeinen als internationales Kommunikationsmittel, doch der deutsche Zoll hatte für die wertvolle türkische Fracht ohne entsprechendes Formular kein Verständnis. Die drei türkischen Künstler der künftigen Partnerstadt waren am Donnerstag in Frankfurt mit ihren Werken gelandet, doch während Ibrahim Bozkus, Ayse Ersoy und Betül Yazici den Flieger und die Kontrollen ungehindert verlassen durften, wurden die Werke der drei vom Zoll einbehalten. „Da regierte deutsche Bürokratie vom Feinsten. Ich hätte geglaubt, dass so etwas längst der Vergangenheit angehört“, gestand der Erste Stadtrat Markus Ochs in seiner Begrüßung am Sonntag. Eine einzige DIN-A4-Seite, nämlich eine Einfuhrbescheinigung, fehlte dem deutschen Zoll, der die Bilder deshalb nicht passieren lassen wollte. Sämtliche Verhandlungen scheiterten und die Stadt zog schon in Erwägung, die geforderte Kaution zu hinterlegen, um die Bilder auszulösen. Nur durch aufwendige Recherche der Stadtverwaltung und mithilfe eines Kunsttransporteurs konnte das heißersehnte Formular nachgereicht werden, sodass die Bilder den Zoll am Freitagabend ohne Kautionshinterlegung verlassen durften. 
Aufatmen bei den Künstlern, die durch den unvorhergesehenen Zwischenfall jedoch viel weniger Zeit zur Ausstellungseinrichtung hatten. Nur durch das außerplanmäßige Einlegen einer Nachtschicht konnte die Ausstellung trotz aller Wirren am Sonntag eröffnet werden. 
Prof. Ibrahim Bozkus, der in Istanbul Malerei studierte und bis 2003 an der Universität in Izmir lehrte, begreift die Ausstellung als einen neuen Weg kultureller Begegnung. Die Ausstellung öffne neue Tore, die Bürger beider Städte könnten sich nun auch durch die Sprache der Kunst verständigen und sich so noch besser verstehen. Die Werke sollten für sich selbst sprechen – Übersetzungen wurden dadurch überflüssig – und jeder Ausstellungsbesucher sollte unvoreingenommen die Qualität der Bilder begutachten können. Während Ibrahim Bozkus bereits einmal in Berlin ausstellte, waren Bilder von Ayse Ersoy bereits in Pakistan, Marokko, Frankreich, Schottland und Portugal zu sehen. Betül Yazici, die Archälogie studierte und 1998 noch einmal eine künstlerische Ausbildung begann, stellte schon in Wien und Paris aus. Die mit Titeln wie „Leben heißt kämpfen“, „Innere Stimmen“ , „Katze und Fisch“ bezeichneten, äußerst ausdrucksstarken Bilder sind mit Öl auf Leinwand gemalt. 
Unter den Ausstellungsbesuchern waren auch viele, die noch bis zum Vortag mit dem deutsch-türkischen Freundeskreis in Güzelbahce zu Besuch waren. Auch dort lernten die Reisenden die Ausdruckskraft von Kunst kennen und waren nach der Reise noch vom Erlebten beeindruckt. Ein spontanes Klarinettenkonzert der Musikakademie mit hochbegabten Musikern verzauberte in Güzelbahce und zeigte auch dort, wie international mit Kunst kommuniziert werden kann. Bei der neunten Flörsheimer Gruppenreise hatte der Kontakt mit den Menschen, die oft deutsch sprechen und ihre Besucher mit ausgesprochener Herzlichkeit empfangen, oberste Priorität. Viele Attraktionen wie Nachmittage unter Olivenbäumen und im Weinberg, jeweils bei gutem Essen und Raki, sind längst Tradition. Anton Geisinger sorgte als Vorsitzender des deutsch-türkischen Freundeskreises aber auch für zahlreiche neue Programmpunkte. So lernte die Reisegruppe allmorgendlich nach dem Frühstück einige Vokabeln gemeinsam, bevor dann die Sehenswürdigkeiten und Empfänge angesteuert wurden. Die Flörsheimer besuchten beispielsweise die Pfalz-Flugzeugwerke und das Museum für Dampflokomotiven in Camlik, einem Ortsteil von Selcuk. Während die erste Reisewoche voller Programmpunkte und Termine war, gönnten sich viele Mitreisende eine zweite, erholsamere Verlängerungswoche am Meer und genossen Palmen, Strand und Sonne. 
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