Auf Tuchfühlung mit dem Weilbach

BUND informiert bei Gewässerbegehung über Herausforderungen und Chancen der Renaturierung

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Welche Auswirkungen hat intensive Landwirtschaft auf den Weilbach - und welchen Einfluss nimmt der Klimawandel auf seine künftige Wasserführung? Mit diesen Fragen beschäftigten sich kürzlich rund 20 Interessierte bei einer Gewässerbegehung des BUND-Ortsverbands Flörsheim. Der Rundgang führte sowohl zu den oberhalb des Stadtgebiets gelegenen Abschnitten, als auch entlang des Bachlaufs innerhalb des Ortes.

Der Weilbach entspringt nördlich von Langenhain als "Kassernbach". Erst oberhalb von Diedenbergen, wo er sich mit dem Hartbach vereint, trägt er den Namen Weilbach. Von dort aus durchquert er den gleichnamigen Flörsheimer Stadtteil und mündet schließlich in den Main. Diesem Verlauf folgten die Teilnehmenden am vergangenen Sonntag bei einer etwa zweistündigen Tour. Unter der Leitung von Reinhold Habicht, Vorsitzender des BUND-Ortsverbands, legte die Gruppe rund zwei Kilometer zurück - vom Feld oberhalb von Weilbach bis hinunter zur Weilbachhalle. Dabei erhielten die Teilnehmenden umfassende Einblicke in die Geschichte, Funktion und ökologische Bedeutung des Flusses.

Startpunkt war die Weilbachhalle. Von dort aus erkundete die Gruppe den Bachabschnitt in mehreren Etappen. Die erste Station befand sich oberhalb des Stadtteils, wo der Bach in geradlinigen Gräben verläuft und besonders steile Böschungen aufweist. "Natürliche Gewässer schlängeln sich durch die Landschaft", erläuterte Habicht. "Der Weilbach hingegen wurde in früheren Jahrzehnten begradigt, um zusätzliche landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen." Diese Eingriffe zeigen heute deutliche Folgen: Bei Hochwasser fehlt dem Bach der nötige Raum zur Ausuferung – das Wasser kann sich nicht in einer Aue verteilen, sondern strömt unkontrolliert ab und gefährdet potenziell bebaute Flächen. Verstärkt wird dieses Risiko durch die zunehmenden Starkregenereignisse, die infolge des Klimawandels häufiger auftreten.

Doch nicht nur Hochwasser, auch das gegenteilige Extrem beschäftigt die Umweltschützer: Immer längere Trockenphasen setzen dem Fluss zu. „Vor zwei Jahren war der Weilbach in einigen Abschnitten komplett ausgetrocknet“, erinnerte sich Habicht. Die Folgen waren gravierend – zahlreiche Fische und Kleinlebewesen verendeten. Für die Gewässerökologie ein deutliches Alarmsignal.

Auch das Thema Hochwasserschutz wurde während der Begehung thematisiert. In Flörsheim schützt ein Rückhaltebecken die tiefer gelegenen Stadtteile. Doch die wachsende Intensität von Starkregenereignissen könnte die Kapazität solcher Anlagen künftig überfordern.

Deshalb warfen die Teilnehmenden auch einen Blick auf das Hochwasserrückhaltebecken oberhalb von Weilbach. Es ist für ein sogenanntes 25-jähriges Hochwasser ausgelegt – also für ein Ereignis, das statistisch alle 25 Jahre auftritt. Um dessen Funktionstüchtigkeit zu sichern, wurde im vergangenen Jahr eine größere Menge Schlamm ausgebaggert und abtransportiert, um das verlorene Rückhaltevolumen wiederherzustellen.

Ein zentrales Thema der Exkursion war das Landesprogramm "100 Wilde Bäche in Hessen", dem auch der Weilbach - neben dem Liederbach - als einer von zwei Bächen im Main-Taunus-Kreis angehört. Ziel des Programms ist es, Fließgewässer in einen möglichst naturnahen Zustand zurückzuführen. Die Bandbreite der Maßnahmen reicht vom Rückbau technischer Einengungen über die Renaturierung von Uferbereichen bis hin zum gezielten Ankauf von Flächen. Auch Landwirte sollen durch Ausgleichsregelungen eingebunden werden, um den Eintrag von Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

"In Flörsheim haben wir bereits erste Grundstücke erworben, die sich für solche Maßnahmen eignen", berichtete Habicht. "Entscheidend ist, dem Bach mehr Raum zu geben, damit er sich eigenständig entwickeln kann - das nutzt sowohl der Natur als auch dem Menschen." Doch dieser Prozess erfordert Geduld: Bis sich strukturreiche Uferzonen und ein artenreicher Lebensraum etablieren, vergehen Jahre. "Ein Anfang ist gemacht", so Habicht, "aber es wird noch Jahre dauern, bis sich ein spürbar natürlicheres Gewässerbett etabliert."

Wie eng Ökologie und Mikroklima verknüpft sind, konnten die Teilnehmenden bei der Begehung selbst erfahren. "Wer im Frühjahr oder Sommer hier entlangläuft, spürt sofort die angenehme Kühle", erklärte Habicht. Die Verdunstung entlang der Ufer erzeugt eine Kaltluftschneise, die an heißen Tagen für Abkühlung sorgt - ein Effekt, der mit zunehmender Hitze an Bedeutung gewinnt. "Ein naturnaher Bach wirkt wie eine natürliche Klimaanlage."

Darüber hinaus wurde auch der Wert des Weilbachs als Bildungs- und Erlebnisraum deutlich. Besonders an flachen Stellen, wo das Wasser langsam fließt, wird der Bach für Kinder zum Abenteuerspielplatz. "Nur wer ein Gewässer mit allen Sinnen erlebt, entwickelt ein Gespür für dessen Schutzwürdigkeit", ist Habicht überzeugt. Die Kinder- und Jugendgruppe des BUND, die "Buntspechte", nutzt den Weilbach regelmäßig für Entdeckungstouren und Umweltbildungsaktionen.

Auch in der Artenvielfalt zeigt sich der Erfolg jahrelanger Pflege. Seit der BUND-Ortsverband die Bachpatenschaft übernommen hat, hat sich die Zahl der Fischarten im Weilbach deutlich erhöht - von ursprünglich drei auf mittlerweile acht. Darunter sind auch empfindlichere Arten wie die Bachforelle. Dennoch bleibt das ökologische Gleichgewicht labil. "Im vergangenen Jahr ist der Bach erneut abschnittsweise trocken gefallen", so Habicht. Die Folge: ein Rückgang der Fischbestände. "Selbst unter günstigen Bedingungen dauert es bis zu einem Jahr, bis sich eine stabile Population wieder aufbaut."

Zum Abschluss der Begehung zog Habicht eine positive Bilanz. Die Veranstaltung habe deutlich gemacht, wie groß das öffentliche Interesse am Schutz und an der ökologischen Weiterentwicklung des Weilbachs sei. "Der Bach ist ein wertvolles Ökosystem - und er kann noch mehr leisten, wenn wir ihm den nötigen Raum geben", betonte er.

Gleichzeitig mahnte er zur Geduld und betonte die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit. Gespräche mit Landwirten, Grundstückseigentümern und der Stadt Flörsheim sollen dazu beitragen, Flächentausch, Uferstreifen und weitere Renaturierungsmaßnahmen gezielt voranzubringen.

"Was es jetzt braucht, ist Ausdauer und eine konstruktive Kooperation zwischen Stadt, Landwirtschaft und Naturschutz", so Habicht. "Doch jeder Schritt lohnt sich - für den Hochwasserschutz, für den Erhalt der Artenvielfalt und für die Lebensqualität in unserer Region."

Wer den Weilbach weiter erkunden möchte, hat am Sonntag, 6. April, 14 bis 16 Uhr, erneut Gelegenheit dazu. Bei einem Spaziergang vom Flörsheimer Bootshaus zur Artelgrabenmündung (Unterlauf des Weilbachs) und zurück über den Maindamm lernen die Teilnehmenden den Main mit seinen unterschiedlichen "Gesichtern" kennen. Thematisiert werden der kanalartige Ausbau der 1960er- und 70er-Jahre, die geplante "Main-Deich-Sanierung" sowie ökologische Zusammenhänge und die punktuellen Uferrenaturierungen des BUND. Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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