Zum Verstecken und Durchsteigen

Neu gestalteter Spielbereich auf dem Schulhof der Weilbacher Grundschule übergeben

Wo das Geld für ihre neuen Schulhof-Attraktionen herkommt, das muss die Kinder der Grundschule am Weilbach nun wirklich nicht interessieren. Die Gymnasialempfehlung hat allerdings allemal verdient, wer die Erklärung fehlerfrei vorlesen kann: „Finanzhilfen des Bundes für das Investitionsprogramm zum beschleunigten Infrastrukturausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder“ wurden in den vergangenen Wochen auf dem Gelände verbaut, das als Baustelle seit dem vergangenen Nikolaustag daher nicht mehr öffentlich zugänglich war.

Gut, dass es das Programm gibt, denn so durften die Schülerinnen und Schüler der beiden vierten Klassen am vergangenen Donnerstag den teilweise neuen, teilweise erneuerten Spielbereich in der südwestlichen Ecke des Schulgeländes stürmen und in Beschlag nehmen.

Offiziell freigegeben wurde die neue Hauptattraktion, eine kubische Holzkonstruktion, durch Schulleiterin Annette Spichal und Jana Hünewinkel vom Hochbauamt des Kreises. Ganz klassisch durch das Durchschneiden eines roten Bandes. Dann durften die Viertklässler sich mitten in der Unterrichtszeit auf dem eindrucksvollen Holzbauwerk einrichten und austoben. Wie sie sich durch die Würfel arbeiteten und eroberten, das erinnert doch sehr an die Pausenkatzen des hr-Fernsehens (//www.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/hr-katzen/videos/video-36774.html//).

„Stadtakrobaten“ hat der Hersteller seine Holzwürfel-Kombinationen benannt, die „vielfältige Möglichkeiten zum Verstecken und Durchsteigen“ anbieten. Wer als Elternteil von der ängstlichen Fraktion ist, könnte sich wundern, dass diese Konstruktion blankes Holz ohne jede Polsterung und gar herausstehende, massive Stützpfeiler präsentiert, obwohl die Schrägen es nahelegen, dass die Kinder jederzeit ins Rutschen geraten könnten. Ortsvorsteher Thomas Schmidt überbrachte die besten Wünsche von Bürgermeister Bernd Blisch, der "wunderbare Zeiten auf den Spielgeräten“ übermitteln ließ – und diese möglichst unfallfrei.

„Schon vor 15 Jahren wurden die DIN-Normen für Spielgeräte geändert, denn man wollte mehr Risiko wagen“, erläutert zum Thema Gefahrenpotenzial Gartenarchitekt Matthias Jansen. Er hat die neue Spiellandschaft auf dem Schulhof in Absprache mit einer Gruppe Eltern und Lehrerinnen, um auf Wünsche der Kinder einzugehen, konzipiert und zusammengestellt. Die Kinder sollen durch die neue DIN-Linie auf solchen Geräten wieder lernen, beim Spielen selbst auf ihre Sicherheit zu achten, den Eigenschutz zu aktivieren. Aber auch, „aufeinander zu achten, zu warten und es nicht zu übertreiben“. So, wie Kinder es in früheren Generationen im freien Spiel in der Landschaft für das Leben lernten, ehe das steigende Sicherheitsverlangen sie aus der Landschaft und den Wäldern holte und in gepolsterte und abrutschsichere Geräteparks verbannte.

Natürlich fällt man auf der Spielfläche im Zweifelsfall recht weich, da die Holzschnitzelpolsterung aufgefüllt und erneuert wurde. Keine fünf Minuten nach der Freigabe des „Stadtakrobaten“ profitierte davon schon der erste Junge, der sich unfreiwillig und etwas unsanft hinlegte, aber eben ohne Schäden davonkam. So etwas dürfte künftig zum Alltag auf dem Weilbacher Schulhof gehören, und das ist genau so gewollt - selbst, wenn es mal nicht so glimpflich enden sollte. Anlass der Neugestaltung des Spielplatzes war der Abbau des 20 Jahre alten Vorgängergerätes, das einfach seine Zeit hinter sich hatte. Mindestens die gleiche Lebensdauer darf die Schule sich für das neue Hauptgerät ausrechnen, denn das eingesetzte, unbehandelte Lärchenholz ist hochwertig, dicht verarbeitet, so dass kein Wasser oder Sand in Ritzen dringt und das Zersetzungswerk beginnt, verspricht der Hersteller. „30 Jahre sollte das Holz selbst ohne Behandlung halten“, erwartet Jansen sogar.

So prägnant der Stadtakrobat auch wirkt, er ist bei weitem nicht die gesamte Neuerung, die nach der Umgestaltung geboten wird. Das kommt mit der angestrebten Entwicklung der Grundschule zur Ganztagseinrichtung, die durch den Einstieg in den "Pakt für den Nachmittag" schon zum kommenden Schuljahr nun doch auf dem Schulgelände selbst stattfinden kann (siehe städtische Mitteilung in dieser Ausgabe), allemal lohnend. Die Mittelzuweisung aus dem eingangs zitierten Programm stehen mit diesem Schritt zum Ganztagsangebot, das in wenigen Jahren sowieso rechtlich verpflichtend sein wird, im Zusammenhang.

Jansen standen 100.000 Euro für seine Konzeption zur Verfügung, das Holzgerüst verschlang davon 28.000 Euro. Für die weiteren Mittel wurden auch die „alten“ Geräte im Ensemble etwas versetzt, um mehr Abstand zu gewinnen. Aber auch kleine Fußballtore wurden angeschafft, ebenso ein neuer Basketballkorb, der zudem einen anderen Standort bekam. Eine Balancierstrecke aus Holzstämmen und Unterstände zum Beispiel für Fahrgeräte werden noch folgen – am Ende dürfte das Geld ausgegeben und auch für die Nachmittagsbetreuung Gold wert sein.

Weil der Schulhof bald auch wieder nach der Schulzeit allen Weilbacher Kindern offensteht, profitieren nicht nur die Grundschülerinnen und Grundschüler von der Neugestaltung, wie Ortsvorsteher Schmidt betont. So ein Schulhof sei mit seiner Umzäunung ein geschützter Bereich, „daher ist das ein Gewinn für den gesamten Ort“. Vielleicht wird am „Stadtakrobaten“ auch sein/e Nachfolger/in ausgebildet. Denn man kann sich denken, dass sich in den Hohlräumen, Brücken und Deckenflächen des Gerüstes bald Könige (liegen oben) zu etablieren versuchen, die das Fußvolk (unten in den Würfeln) kleinhalten wollen. Da sind dann eben Revolutionen fällig. „Phantasievolle Rollenspiele“ nennt das der Hersteller. Man lernt, hinter guten Spielgeräten steckt doch einiges mehr als ein paar zusammengeleimte Bretter.

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