Hier ist der Geist ausgesperrt

Vor gut einem Jahr bin ich, nach längerem Auslandsaufenthalt, in meine Geburtsstadt Flörsheim zurückgekehrt. Durch meine täglichen Stadtspaziergänge fällt mir der zunehmende Verlust an Gestalt, Geschmack und Qualität des städtischen Lebensraumes auf.

Bei der Neugestaltung der Innenstadt und des Rathauses hat man nicht auf Schönheit und Ästhetik gesetzt, sondern sich für die Harmonie der Monotonie und Lieblosigkeit entschieden.

Statt gestaltete Räume im Freien, die den Aufenthalt auf den Plätzen angenehm machen, gibt es eine abweisende Pflasterwüste mit ein wenig Anstandsgrün. Diese Phantasielosigkeit nimmt in Flörsheim immer mehr Fläche ein. Der öffentliche Raum wird dem Auto zur Verfügung gestellt. Fußgängern und Fahrradfahrern bleibt der Straßenrand. Es gibt keine Konzepte. Kurze Alibistrecken für Radfahrer – zum Beispiel Bürgermeister-Lauck-Straße/Jahnstraße –, miserable Fußgängerwege ohne Beleuchtung – zum Beispiel Bürgermeister-Lauck-Straße/Kreuzweg –, öde, gefährliche, ekelerregende Bahnunterführungen, risikoreiche Fußgängerüberquerungen an den Kreiseln – vor allem für Kinder, da es keinerlei Markierungen gibt und die Autofahrer in der Regel nicht anhalten – fehlende Bushaltestellen-Überdachungen und so weiter, und so weiter.

Die gesamte Trostlosigkeit der Flörsheimer Kulturpolitik sieht, wer einmal die Stadtbücherei aufsucht. Hier ist der Geist ausgesperrt. Keine überregionalen Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine oder das Zeitgeschehen verfolgende und vertiefende Bücher, keine frei zugänglichen PC, nichts, stattdessen veraltete, brave Hausfrauenlyrik ohne Ende. Auch ein breiter, sozialer, fairer Wohnungsbau findet in Flörsheim nicht statt. Wer nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügt und Eigentum erwerben kann oder will, der wird ausgesperrt. Innovative oder gar alternative Modelle zum herkömmlichen Wohnungsbau sind nicht existent.

Auffällig die Unfähigkeit der Behörde, auf Missstände angemessen zu reagieren, wie zum Beispiel der Mangel an mitteleuropäischen Kulturtechniken einzelner Mitarbeiterinnen im Stadtbüro.

Nein – die politisch Verantwortlichen in Flörsheim wollen keine zeitgemäße Lebensqualität, kein Bemühen, keine Sorgfältigkeit, kein Kümmern um die Belange der Bürger. Sie wollen lieber einen Kahlschlag der Seele. Der Bürger als Souverän fällt aus!

Ulrich-Josef Chwalek, Flörsheim

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