Ein Sanierungsfall ohne Verdienstchance Fachliche Kritik an den Zukunftsplänen der RMD für Wickerer Deponie - Wechsel in Geschäftsführung vollzogen

Am wenigsten Probleme haben die Wickerer mit der Deponie vor ihrer Haustür, weil sie die Landschaft verändert. Sie hoffen vielmehr auf ein Ende von LKV-Lieferverkehr und Schmutzwolken, der die Umgebung erreicht. DIe RMD hat aber andere Pläne als die planmäßige Schließung der Anlage.

Fachliche Kritik an den Zukunftsplänen der RMD für Wickerer Deponie - Wechsel in Geschäftsführung vollzogen

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als habe die Rhein-Main-Deponie GmbH (RMD) auf den jüngsten Hagelsturm öffentlicher Kritik an seinen Zukunftsplänen mit einer personellen Konsequenz reagiert. Dem ist allerdings nicht so: Die Ablösung von Heino von Winning als Sprecher der Geschäftsführung des Wickerer Deponiebetriebes war seit längerem auf den 20. April terminiert und wurde nun am 1. Mai umgesetzt. Auch die Nachfolgerin für den Posten war längst gefunden. Beate Ibiß ist seit Beginn des Monats alleinige Geschäftsführerin des Unternehmens und tritt nun wirklich kein leichtes Erbe an.

Das Stimmungsbild bei den Flörsheimer und Hocheimer Parteien zu den Plänen, trotz der 2009 eingeleiteten Stilllegungsphase nun den Weiterbetrieb der Anlage nach dem Prinzip „Deponie auf Deponie“ anzustreben, hatte sich bereits herausgebildet und kennt auch nach den aktuell zu hörenden Stellungnahmen nur einen Tenor: Es reicht uns nach all den Jahren der Belastung durch die Anlage, sucht Euch einen anderen Ort. Das ist allerdings, trotz der starken personellen Beteiligung der beiden Kommunen im 20-köpfigen RMD-Aufsichtsrat inklusive der beiden Bürgermeister keine Haltung, die sich in der Beschlusslage dieses Gremiums bisher widerspiegelt.

Das Gremium folgte vielmehr der Empfehlung von Winnings, der im Juni 2018 als Sanierer des Unternehmens eingestellt worden war, am Standort Wicker auch in Zukunft Entsorgungssicherheit für Schlacke, Erdaushub und Bauschutt in der Region zu bieten und die Deponie so für bis zu 20 Jahre wiederzubeleben. Auch, dass Landrat Michael Cyriax (CDU), per Amt Stellvertretender RMD-Aufsichtsratsvorsitzender, sich längst gegen die Pläne positionierte und verkündete, auf die geplante Wiesbadener Deponie zu setzen, lässt es als ein großes Rätsel erscheinen, das der Geschäftsführer die Mehrheit im Aufsichtsrat fand und den Planungsauftrag erhielt.

Von Winning wurde Ende der Woche von der RMD-Aufsichtsratsvorsitzenden, der Kreisbeigeordneten Madlen Overdick, mit durchaus lobenden Worten verabschiedet. Das gehört sich vielleicht einfach so und bezog sich vornehmlich auf seine unternehmensinterne Leitungsarbeit sowie die Optimierung organisatorischer wie auch betriebswirtschaftlicher Abläufe im Unternehmen. Auch habe von Winning, der von vorneherein als Übergangsgeschäftsführer vorgesehen gewesen sei „schnell das Vertrauen der Geschäftspartner sowie der RMD-Mitarbeiter gewonnen“, betonte die Aufsichtsratschefin.

Gegenwind stellt Expertise vor

Dies mag dem bisherigen Geschäftsführer als Verdienst um die RMD bleiben, an der fachlichen Arbeit des Physikers lässt die Analyse der Bemühungen um den Deponieweiterbetrieb durch den Hochheimer Verein „Gegenwind 2011“ kein gutes Haar. Die hat in der Nachbarstadt vergangene Woche für ein gewisses Donnergrollen gesorgt. Er halte „aus fachlichen und juristischen Gründen“ das Vorhaben „Deponie auf Deponie“ für „ein absolutes No-Go“, sagte "Gegenwind"-Vorständler Dr. Hans-Peter Huppert in einem Interview mit der „Hochheimer Zeitung“. Seine Expertise nenne zehn Ausschlusskriterien für den Weiterbetrieb in Wicker. „Jedes einzelne davon reicht aus, um das Genehmigungsverfahren zu kippen.“

Deponiefachmann Huppert zerlegt das durch von Winning bei zwei Bürgerversammlungen auch der Öffentlichkeit präsentierte Konzept für die Deponie auf Deponie" nach allen Regeln der Sezierkunst. Einer der Aufreger, die von Winning mit einem Interview zu den Erweiterungsplänen ausgelöst hatte, entpuppte sich inzwischen als Ergebnis schlampigen Redigierens. Dem Noch-Geschäftsführer war bei der Freigabe des Textes offenbar durchgerutscht, dass bei der Abfall-Zielmenge die Einheit nicht stimmte. Es geht in Wicker um fünf Millionen

Tonnen,

sprich 250.000 Tonnen jährlich in den nächsten 20 Jahren, oder – wie es inzwischen auch Bestandteil der Überlegungen ist – 500.000 Tonnen auf zehn Jahre. Im Interview war dann von fünf Millionen

Kubikmetern

zu lesen, auf das spezifische Gewicht von Schlacke bezogen stieg das Volumen also plötzlich um rund 65 Prozent an.

Diese Diskrepanz ist nicht nur im Zusammenhang mit dem Anwachsen des Deponiekörpers, das auf rund 18,3 Hektar, sprich 20 Prozent der Gesamtfläche geschehen soll, relevant, sondern auch wegen eines für die Bürger besonders wichtigen Themas: der Belastung auch der Wickerer durch die LKW-Anfahrten zum Gelände an der B40. „Gegenwind 2011“ bleibt auch nach der Aufklärung des Maßeinheits-Missverständnisses dabei: Einfache Modellrechnungen belegen, dass von Winnings Behauptung, die Verkehrsbelastung werde mit 20 LKW, die täglich Kurs auf die Deponie nehmen, den aktuellen Werten entsprechen, nicht stimmen kann.

Auf Basis von 20-Tonnern errechnete Rolf Fritsch von „Gegenwind“ (mit der Fehlannahme, es gehe um fünf Millionen Kubikmeter Schlacke) einen Bedarf von fast 160 LKW-Fahrten täglich. Korrigiert man dies auf die Tonnen-Kalkulation, blieben auf Tonnen angepasst immer noch 96 LKW übrig – zehn Jahre lang, bei 260 Arbeitstagen im Jahr. „Wo RMD draufsteht, ist Unglaubwürdigkeit drin“, wird Fritschs Fazit zitiert. Annähern lassen sich durch die korrigierte Maßeinheit auch die prognostizierten Höhen der neuen Ablagerungen, wie sie von Winning und „Gegenwind 2011“ errechneten. Der bisherigen RMD-Geschäftsführer spricht von 20 Metern, die die fünf Millionen Tonnen Schlacke und Bauschutt ergeben würden, auch diese Angabe kommt mit den Berechnungen des Vereins auch ohne das Kubikmeter-Missverständnis nicht zusammen.

Huppert greift die Behauptung von Winnings an, dass die "Deponie auf der Deponie" in den kommenden zehn Jahren 200 Millionen Euro erwirtschaften und das Unternehmen damit finanziell retten könnte. Ein Blick in den Beteiligungsbericht des Hochtaunuskreises für das Jahr 2018 zeigt den Bedarf für eine Wende in diesem Bereich auf: So ging der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2017 von einem Minus von 2,9 Millionen Euro aus. Das tatsächliche Ergebnis (nach Steuern) für 2017 schloss, vor allem durch nicht eingeplante zusätzliche Rückstellungen, mit knapp 21,8 Millionen Defizit ab.

Nachdem schon 2016 ein Jahresfehlbetrag von 31,2 Millionen Euro aufgelaufen war, bilanzierte der Beteiligungsbericht für 2018 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 49,8 Millionen Euro. Im Juni 2018 trat von Winning seinen Posten in der RMD-Geschäftsführung an, um die Empfehlungen des von dem Unternehmen bestellten Sanierungsgutachtens umzusetzen – und dabei spielt die Idee der Deponie auf Deponie die entscheidende Rolle. „Für die mittelfristige Geschäftsentwicklung der Firmengruppe ist nach wie vor das Auslaufen der Verfüllkapazitäten im Bereich der Deponie Wicker entscheidend“, schreibt der Beteiligungsbericht des Nachbarkreises.

Die Geschäftsführung setzte 2018 daher eine Projektgruppe ein, die zusätzliche Verfüllmöglichkeiten von Materialien der Deponieklassen 0 bis II „identifizieren, beantragen und umsetzen“ sollte. „Die sich daraus voraussichtlich ergebenden Chancen werden zusammen mit den aktuellen Prognosen für die Preisentwicklungen von der Gesellschaft als positive Entwicklung für die RMD-Gruppe gewertet“, heißt es im Bericht von damals weiter.

Behauptete Erlöse nicht zu erzielen

Von Winning hat diese Vorhabe in den vergangenen knapp zwei Jahren konsequent verfolgt. „Durch die Deponie auf der Deponie werden die finanziellen Probleme der RMD lediglich in die Zukunft verschoben und eher noch größer“, hält Huppert jedoch dagegen. Die propagierten Erlöse seien „auf Basis der Planungsdaten nicht zu erzielen“. Nicht die RMD, sondern die 1998 gegründete Rhein-Main Abfall GmbH (RMA) mit Sitz in Offenbach bestimme über die Entsorgungssicherheit im Rhein-Main-Gebiet. „Mit nur wenigen Mitarbeitern macht sie über 70 Millionen Euro Umsatz“, erläutert Huppert. Die RMA entscheide über die Müllströme und damit die Geldflusse. Was in den Müllverbrennungsanlagen in Frankfurt und Offenbach übrig bleibe, gehe in die Schlackeaufbereitungsanlage nach Wicker. Die betreibt aber die Frankfurter Entsorgungsservice GmbH (FES), an der die RMD nicht beteiligt sei, sie gehört vielmehr der Stadt Frankfurt und dem Entsorgungsunternehmen Remondis. „Erst am Ende dieser Kette, wenn so gut wie kein Geld mehr zu verdienen ist, kommt die RMD ins Spiel und deponiert die Schlackenreste in Wicker“, erläutert Huppert den geringen Spielraum für die hiesige Gesellschaft auf Gewinne.

Gegenwind 2011 kritisiert zudem, dass die RMA nicht mehr wie einst rechtlich dazu verpflichtet gewesen ist, die Stilllegungs- und Nachsorgekosten in Wicker zu übernehmen. Im Jahr 2018 nutzte die RMA laut Huppert eine Gesetzesänderung, um dieser Aufgabe zu entgehen, die der Experte mit weit über 300 Millionen Euro taxiert. Neun Millionen Euro steckte die RMA vor zwei Jahren in die Kasse der RMD und übertrug die Nachsorge dafür an die Deponiegesellschaft, „was faktisch die Insolvenz der RMD zur Folge hatte“, sagt Huppert.

„Eine Deponie auf der Deponie dient somit primär dem Erhalt des RMA-Geschäftsmodells“, resümiert er den Vorgang. Auch die 100 Millionen Euro, auf die von Winning als Anlagevermögen der RMD und ihrer Tochtergesellschaft MTR verwiesen hatte, kann sich Huppert nicht erklären. Das technische Anlagevermögen beider Gesellschaften betrage gerade einmal 20 Millionen Euro. Auch die Grundstücke seien zwar teuer erworben worden, aber nicht vermarktbar. Im sogenannten „Anlagevermögen“ verberge sich in Wirklichkeit „eine weitere bilanzielle Zeitbombe für die RMD“.

Deponieklasse II vorgesehen

Warum will die RMD auf den 18,3 Hektar für 20 Millionen Euro eine fünf Meter dicke Abdichtung mit Material der Deponieklasse II auffüllen? Das ist belasteter, jedoch nicht gefährlicher Abfall, "die Regeldeponie für die Ablagerung von vorbehandeltem Hausmüll und vergleichbare mineralische gewerbliche Abfälle", definiert das Regierungspräsidium Darmstadt. Die Deponiesicherheit duch die Nachsorge zu gewährleisten, darum kann es daher bei der Deponie auf Deponie nicht gehen, meint Huppert daher, dazu genüge „eine einfache Oberflächenabdichtung nach den Vorgaben der Deponieverordnung“. Bei einer Abdeckung mit Material der Deponieklasse II seien zudem 2,5 Meter Standard. Ziel sei es daher offenbar, in Wicker belastetes Material einlagern zu können, mit dem sich mehr Geld verdienen lasse. „Die hoch kontaminierten Erdmassen der Fraport, die zurzeit auf dem Flughafengelände zwischengelagert sind, wären dafür prädestiniert“, hat der Experte sogar eine Idee, an welche Materialen dabei gedacht sein könnte.

Schließlich bestreitet Huppert auch die Behauptungen von Winnings, dass sich durch die Deponie auf Deponie das Problem der Grundwasserverunreinigung verringere. Die neuen Schichten kämen auf völlig unterschiedliche Altstandorte. Die Fläche B, einst Ablagefläche für Hausmüll, bezeichnet er als „eine Art Wackelpudding“, sprich instabil. Die Fläche B ist stabiler, verbirgt aber Industriemüll mit Kontakt zum Grundwasser. Jeder zusätzliche Druck sei hier „brandgefährlich“, könne Giftstoffe freisetzen, die ins Grundwasser gelangen.

Die Kritik an den Darstellungen der RMD und von Winnings durch „Gegenwind 2011“ ist somit allumfassend und ziemlich vernichtend. Aufsichtsratschefin Overdick stellt sich zum Abschied dennoch hinter den bisherigen Geschäftsführer. Auch in der Deponiefrage, denn das Unternehmen habe „in enger Zusammenarbeit mit Experten und dem Regierungspräsidium, einen Genehmigungsantrag für eine Erweiterung auf dem bestehenden Gelände in Wicker“ erarbeitet. Und mit diesem Planungsprozess ist die Aufsichtsratschefin zufrieden, denn der sei „seitens der RMD transparent gestaltet, es gab zwei Bürgerveranstaltungen. Zudem fanden eine Vielzahl von öffentlichen Führungen über das Deponiegelände statt.“

Auf die Kritik Hupperts reagierte Overdick ebenso mit dem Verweis auf die vorgesehene, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, die ein echter Dialog sei. „Von der Geschäftsführung erwarte ich in Kürze eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, die auch Alternativen zur geplanten Erhöhung des Deponiekörpers berücksichtigen soll“, schrieb sie nun jedoch ebenso. Und: „Auch die derzeitige Belastung des Grundwassers und die Auswirkungen auf die Nachbarorte durch Verkehr, Staub, Geruch und Lärm müssen mit in die Diskussion aufgenommen werden.“ Wenn dies geklärt sei, „kann in den politischen Gremien eine Entscheidung getroffen werden“.

Die beiden Kreistage sind das letztlich entscheidende Gremium, ohne deren Zustimmung es keine Erweiterung in Wicker geben wird. In Main-Taunus-Kreis ist angesichts des Stimmungsbildes derzeit nicht an eine Mehrheit für das Projekt zu denken. Auch die oppositionelle SPD hat angekündigt, nicht mitzuspielen bei den RMD-Plänen. „Wir als SPD-Kreistagsfraktion werden dieses Projekt mit weiteren mindestens 20 Jahren Deponiebetrieb und 20 Meter höheren Schlackehalden gegen den Willen der Menschen vor Ort nicht unterstützen“, hatte Fraktionschef Philipp Neuhaus als Reaktion auf die kritischen Aussagen von Cyriax verkündet. In Flörsheim ist nach den jüngsten Diskussionen nicht zu sehen, wieso sich am einstimmigen, ablehnenden Votum vom Dezember etwas ändern sollte.

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