Wochenend, Wein und Sonnenschein

Tradition statt Volksfestrummel – Auch bei der 39. Auflage steht der Rebensaft im Mittelpunkt

WICKER (drh) – Routiniert, aber auch mit etwas Wehmut, eröffnete Weinkönigin Katharina II. am Freitagabend die 39. Auflage des Wickerer Weinfestes mit Unterstützung durch Weinprinzessin Juliana. Nach vier Majestätenjahren wird Katharina Adam nach der jetzigen Saison ihre Weinköniginnenkrone an Juliana Venino abgeben und so hatten die beiden Wickerer Repräsentantinnen auf dem Weinfest auch nach jungem Prinzessinnennachwuchs Ausschau zu halten. „Am Weinfest werden stets Nachfolgerinnen ausgemacht. Das ist Tradition“, erklärten die beiden gekrönten Häupter, die bis Sonntagabend jeden Weinstand und jeden geöffneten Hof zu besuchen hatten. 

 

Das Wickerer Weinfest ist nach Wiesbaden und Hochheim das drittgrößte Weinfest des Rheingaus und besticht zudem vor allem mit seiner Tradition. Der Verzicht auf Volksfestrummel und die Tatsache, dass nach wie vor der Wein im Mittelpunkt steht, zieht die Menschen an. Manch Winzer glaubte am Sonntagabend gar, dass das 39. Weinfest eines der bestbesuchten Wickerer Weinfeste überhaupt gewesen war. Der ein oder andere Winzer hatte auch schon am Samstag Wein von der Karte wegen „Ausverkauf“ streichen müssen. Gerade am Freitag drängten sich die Menschen durch die Gassen und Winzer Reiner Flick mutmaßte: „Die Menschen dachten: Jetzt gilt's! Wer weiß, wie das Wetter am nächsten Tag wird.“ Wer sich auf Traditionen verlässt, hätte aber ahnen können, dass Wicker ein herrliches Weinfestwochenende bevorsteht, hatte es doch am Hochheimer Weinfest geregnet. „Es stimmt halt doch immer wieder: Wenn es am Hochheimer Weinfest regnet, ist es am Wickerer Weinfest schön“, so Reiner Flick. 
„Wenn die 14.000 Weinfestgläser in diesem Jahr nicht reichen sollten, dann werden eben die Restbestände der vergangenen Jahre noch ausgegeben“, meinte der Nachwuchswinzer Michael Hück, der in diesem Jahr auch viele auswärtige Gäste aus dem Hochtaunuskreis, aus Frankfurt und gar aus dem Münsterland auf dem Fest ausmachte. „Das Wickerer Weinfest wird vor allem für seine Bodenständigkeit gelobt. Der Verzicht auf ein Volkfestambiente kommt an“, so Michael Hück. Vor allem die leichten Weißherbstweine seien in diesem Jahr gefragt. Das junge Publikum liebe zudem die milderen, halbtrockenen Weine und Weinkenner testeten gerne auch einmal trockene Weine und exquisite Tropfen. 
Insgesamt standen 150 verschiedene Sorten an Weinen, Sekten und Seccos parat. Während die Stände der kleinen Weinbaubetriebe, wie beispielsweise der Stand der Familie Gliege, ganz durch familiäres Personal besetzt werden konnten, brauchte ein größerer Betrieb wie der von Reiner Flick längst fremde Hilfe. In diesem Jahr konnte Flick bei der Personalauswahl aber auch auf zwei internationale Gäste zurückgreifen. Die zwei jungen Studentinnen Arisa Hayashi aus Amerika und Ani Harwtyunyan aus Armenien absolvieren auf der Wickerer Straßenmühle derzeit ein Praktikum und lernten am Weinfest gleich auch die Direktvermarktung kennen. Die gebürtige Japanerin Arisa Hayashi ist in Kalifornien aufgewachsen und studierte in Davis Weinbau. Mit ihrer Reise nach Europa möchte Arisa Hayashi ihren Horizont erweitern, neue Rebsorten und Anbautechniken kennenlernen. „Die Weine des Rheingaus sind mit unseren kalifornischen Weinen gar nicht vergleichbar. Allein das Klima ist schon ganz anders“, so Hayashi, die es besonders schätzt, dass sie bei Reiner Flick sowohl die Arbeit im Weinberg als auch die Kellerwirtschaft kennenlernen darf. „In Kalifornien sind dies zwei völlig getrennte Bereiche und man lernt so nicht den Weg des Weines kennen“, meint Hayashi, die vor ihrer Station in Wicker auch schon Betriebe an der Mosel und in Rheinhessen kennenlernen durfte. In Wicker möchte die junge Studentin nun für ein ganzes Jahr bleiben. 
Für die junge Armenierin Ani Harwtyunyan neigt sich die Praktikumszeit in Wicker schon dem Ende entgegen. Sie gastierte bereits vier Monate auf dem Weingut und strebt nun bald ein Agrarmanagementstudium in Weihenstephan an. „Deutschland ist mit Armenien keinesfalls zu vergleichen. Wir haben zwar viel mehr Sonne, aber hier können wir in Sachen Anbautechnik noch ganz viel lernen“, gesteht Ani Harwtyunyan. Beide Frauen waren von der Mentalität der Weinfestgäste angetan, sei ihnen die Kundschaft am Weinstand doch stets offen, freundlich und oft mit einem netten Wort begegnet.
Die Winzer sehnen nach dem Weinfest nun einen goldenen Herbst herbei, auf dass die Trauben im Weinberg auch als gute Tropfen in den Fässern landen. Schon der Weinjournalist Stuart Pigott hat gesagt: „Der Riesling ist kein Kaktus.“ Die Reben dürften also die nassen Sommermonate gut weggesteckt haben. Für Schaltjahre, so beschreibt es Winzer Reiner Flick, sei es eben oft auch einfach so, dass ein halbes Jahr schlechtes und ein halbes Jahr gutes Wetter vorherrsche.
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