Stolz auf hundert Jahre Vereinsgeschichte

Schachclub begeht seinen Gründungstag mit schlichter Zeremonie: Bouquet auf Hans Fingers Grab

Mit einer schlichten Zeremonie beging der Schachclub seinen Gründungstag vor hundert Jahren. Am frühen Dienstagabend, 13. April, legte eine kleine Gruppe Vereinsverantwortlicher ein Blumenbouquet auf dem Grab des Ehrenvorsitzenden Hans Finger nieder, der den Verein jahrzehntelang geführt und geprägt hat. Danach machte man sich auf zu den heimischen Computern, um virtuell ein großes Jubiläums-Blitzturnier auszutragen.

Eigentlich wollen Flörsheims Schachspieler das Hundertjährige mit einem großen Fest feiern, was aber noch immer vom Corona-Virus verhindert wird. SC-Vorsitzender Wolfgang Ruppert schlug seinen Vorstandskollegen daher vor, den Geburtstag mit einer nur kleinen symbolischen Handlung zu „feiern". Auf dem Friedhof in der Philipp-Schneider-Straße würdigte Ruppert im ganz kleinen Kreise die „zehn beherzten Schachspieler", die am 13. April 1921 den Verein gegründet hatten, „in einer bekanntermaßen schweren und von großer Not gezeichneten Zeit, die der Erste Weltkrieg mit sich gebracht hatte". Diese Zehn hätten sich natürlich gewünscht, dass der Verein ein langes Leben führen werde. „Heute können wir mit großem Stolz sagen: Das haben wir mit diesen hundert Jahren wirklich geschafft."

Lücken schließen als Aufgabe

Die Gründungsväter Karl Blees, Adam Becker, Alfred Recker, Philipp Lenz, Otto Breckheimer, Philipp Jung, Josef Flörsheimer, Gottfried Söhngen, Heinrich Finger und Georg Jung wollten der allgemeinen Armut und Bitterkeit etwas entgegensetzen. Es galt, Lücken wieder zu schließen, die der Krieg in alle Vereine gerissen hatte. Zum ersten Vorsitzenden wurde Karl Blees gewählt, ein Flörsheimer Bäckermeister, in dessen Backstube so manche Schachpartie ausgetragen wurde. Zur tragenden Säule des Vereins wurde Heinrich Finger, der 1925 auch zum Mitbegründer der Main-Taunus-Schachvereinigung (MTS) wurde. Seine hervorragenden menschlichen Qualitäten, sein gekonntes Schachspiel und sein Organisationstalent gaben dem jungen Club immer neue Impulse.

Im Zweiten Weltkrieg konnte das Vereinsleben nur mühsam aufrechterhalten werden. In den letzten Kriegstagen traf alle Flörsheimer Schachfreunde ein schwerer Verlust: Heinrich Finger musste als Soldat sein Leben lassen. Der Idealist starb für ein System, das er schon immer abgelehnt und verachtet hatte.

Im März 1946 nahm der Schachclub den offiziellen Spielbetrieb wieder auf. Vorsitzender wurde Alfred Recker, unterstützt von Alfred und Alois Flesch. Das Trio legte großen Wert auf Jugendarbeit. Die Flörsheimer Nachwuchsmannschaft gewann zwei MTS-Titel und wurde zweimal hessischer Vizemeister. Hans Finger, Heinz-Josef Finger, Heinz Christ und Heinz Ott zählten später zu den Spitzenspielern des Vereins – die Jugendarbeit zahlte sich aus.

Zum ausgeprägten Zusammenhalt im Verein trug sportlich auch das Heinrich-Finger-Gedenkturnier bei, das ab 1947 lange Jahre zu den Höhepunkten einer jeden Saison zählte. Zu diesem Zusammenhalt trugen aber auch die Fassenachtsabende bei, die der Schachclub im Café Dörrhöfer und später, wegen des großen Andrangs, im „Schützenhof" veranstaltete.

Hans Finger übernimmt als 19-Jähriger

Nach dem großen Fest zum 30-jährigen Bestehen 1951 vollzog sich ein Generationswechsel. Hans Finger, der Sohn von Heinrich Finger, wurde mit kaum 19 Jahren Vorsitzender und kümmerte sich mit großer Leidenschaft und ebensolchem Einsatz um das Wohl des Clubs. In Mannschafts- und Einzelwettbewerben errangen die Flörsheimer zahlreiche Titel. Besonders hervorzuheben ist Dieter Giesen, der Ende der 60er Jahre viermal um die Hessenmeisterschaft spielte und in die deutsche Jugendnationalmannschaft berufen wurde. In den 70ern gewann der SC Flörsheim viermal die Meisterschaft in der Landesklasse West und schaffte danach dreimal den Aufstieg in die damals höchste Spielklasse, die Oberliga (Hessen) – Spitzenschach in Flörsheim.

Es waren die (ersten) Glanzzeiten des Vereins, mit inzwischen vier Mannschaften im Spielbetrieb und einer erfolgreichen Jugend. Doch das hohe Niveau konnte nicht gehalten werden. Das ist nur allzu verständlich, wenn man bedenkt, dass der Flörsheimer Verein gewissermaßen in einem „Ballungsgebiet" des Schachsports liegt, mit den Hochburgen Frankfurt, Mainz und Darmstadt und dem langjährigen Bundesligisten in Hofheim. Dass dieser Umstand Flörsheimer Spitzenspieler reizte, in noch höheren Klassen zu spielen, ist naheliegend. Und neben dem sportlichen Ehrgeiz spielt manchmal auch eine spendierwillige Mäzen-Hand eine Rolle bei Vereinswechseln. Da kann der Flörsheimer Schachclub nicht mitmischen.

Ab Ende der 70er-Jahre blieben herausragende Erfolge weitgehend aus. Der SCF musste 1983 hinunter in die Unterverbandsklasse, wurde dort zum scheinbar „ewigen Zweiten" und stieg 1996 trotzdem noch weiter ab, in die Bezirksklasse.

Schwerer wog freilich der Verlust, den der Verein 1989 erlitt. Im Juni verstarb Hans Finger, der 38 Jahre ununterbrochen die Geschicke des Clubs gelenkt hatte. Die eigentlich unlösbare Aufgabe der Nachfolge übernahm Siegfried Reichenbach, dessen Stärken in der Jugendarbeit lagen. Er selber – auch Mitinitiator der Flörsheimer Ferienspiele – und der Schachclub waren für diese Jugendarbeit mit der Stadtplakette in Bronze ausgezeichnet worden.

Im neuen Jahrtausend erfolgreicher

Reichenbach und sein Nachfolger Heinz-Gerhard Kuckuk (ab 1993) gelang es, den Schachclub auf der Bezirksebene zu stabilisieren. Sie initiierten das Hans-Finger-Gedenkturnier und die Offene Flörsheimer Stadtmeisterschaft, womit der SCF sein Renommee wieder stärken konnte. Und dass es nach der Jahrtausendwende sportlich wieder aufwärts ging, dafür sorgten unter anderen auch wieder zwei ehemals überaus erfolgreiche Jugendspieler, nämlich Wolfgang Ruppert und Jürgen Nuffer. Unter dem Interims-Vorsitzenden Ralf Rupp stiegen beide verstärkt in die Vorstands- und Jugendarbeit ein.

2007 übernahm Ruppert das Amt des Ersten Vorsitzenden, lange, nachdem er auch die „Funktion" des Spitzenspielers übernommen hatte. „Übernommen" hat er auch einige herausragende Qualitäten seines Mentors Hans Finger. Menschlich sorgt Wolfgang Ruppert für Zusammenhalt unter den oft sehr individualistischen Schachspielern. Er motiviert vor großen Mannschaftskämpfen und schweren Partien und ist eigentlich immer da, wenn die Jugend trainiert und spielt.

Zu den erfolgreichen Nachwuchsspielern im neuen Jahrtausend zählen auch Rupperts Kinder Paula und Henry, die zahlreiche Einzeltitel auf Bezirks- und auch auf Landesebene gewannen. Zu den vorzüglichen Jugend-„Arbeitszeugnissen" des Schachclubs Flörsheim trug zudem Rupperts Schützling Christian Specht einige Bestnoten bei. Er wurde allein achtmal Hessenmeister (einmal auch im Delphinschwimmen) und zählt zu den Stützen der ersten Mannschaft.

Dieses Team, das „Aushängeschild" des Vereins, startete zur Jahrtausendwende eine (bisher) nachhaltige Entwicklung zu alter Stärke. 2000 gewann man die Vizemeisterschaft in der Bezirksklasse A und kletterte damit wieder auf die höchste Bezirksebene, in die Main-Taunus-Liga. Fünf Jahre später folgte die Meisterschaft in dieser Liga und damit die Rückkehr auf die Landesebene, in die hessische Landesliga Süd.

Fortan war dort der Klassenerhalt das alljährliche Saisonziel. Den schafften die Flörsheimer oft mit Mühen, doch wurden sie in dem dichtgedrängten Zehnerfeld auch dreimal Vizemeister und zweimal Dritter.

Das bestärkte das Selbstvertrauen des Motivators Wolfgang Ruppert und seiner Mitstreiter. Im Vor-Corona-Jahr 2019 gewannen sie die Meisterschaft in der Landesliga Süd und stiegen in die hessische Verbandsliga Süd auf.

Die formell verlängerte Saison ist im Corona-Jahr 2021 noch immer unterbrochen. Auf Bezirksebene wird sie wohl gänzlich abgebrochen, auf Landesebene gilt weiter der Entschluss, an einem Wochenende im Juni zwei Spieltage auszutragen und die Saison damit zu Ende zu spielen. Wie es auch kommen mag: Dem Schachclub kann in diesen beiden Spielen nichts mehr passieren. Mit drei Siegen aus den ersten sieben Runden hat er den Klassenerhalt in der hessischen Verbandsliga bereits sicher.

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