Bürgermeister in Ketten abgeführt

Hattersheimer Narren stürmen in alter Tradition das Rathaus

Da strahlen die Narren: Ralf Meik (links) und Dieter Freidhof führen Bürgermeister Klaus Schindling in Ketten aus dem Rathaus.
(Fotos: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (ak) – Am Samstag, 14. Januar, hat man in Hattersheim eine alte Tradition wieder aufleben lassen: Bei einer vom Wetter begünstigten, sehr bunten und fröhlichen Veranstaltung im Innenhof des Nassauer Hofes liefen Narren aus allen drei Stadtteilen, angeführt von der „Brass Band Firebirds“ und dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Okriftel, Sturm auf das Rathaus und die Verwaltung.

Von Bürgermeister Klaus Schindling, in „Gutsherrenmanier“ gekleidet mit Gehrock, Rüschenhemd und Zylinder, den Spazierstock in der Hand, schon erwartet, formierte sich die Narrenschar unter den Rathausfenstern, ihr „Anführer“ Axel Knauber, Vorsitzender des Carneval Club Mainperle (CCM) aus Okriftel, schwang wohlgereimte Reden dort hinauf, von wo der Rathauschef humorig-huldvoll hinunter winkte, um ihn zur Übergabe der Rathausschlüssel und der Stadtkasse zu bewegen.

„Helau, ihr Narrn aus Hattersheim, ihr sollt hier unsre Unterstützung sein! Denn endlich ist es gleich vollbracht, die Narren ham in der Stadt die Macht! Doch erst einmal, zu diesem Zweck, muss der Bürgermeister weg. Er hat ja noch nicht lang die Stelle, doch muss er weg, ganz auf die Schnelle!“, forderte Knauber unter johlender Zustimmung des Narrenvolkes. Auch seine Anspielungen auf den städtischen Schutzschirm, auf „verprasstes“ Geld und darauf, dass der Denkmalschutz das „Loswerden“ der Stadthalle verhindert hätte und deren nun doch mögliche Renovierung dank eines Mäzens fanden große Zustimmung unter seinen Anhängern. Seine Worte: „Dann heißt es überall im Ort, zu Fassenacht lauf ich net fort. Ich feier in meim Stadtteil schee, die Fassenacht wie eh und jee“ bekamen großen Beifall, auch der von ihm in Reimen fomulierte Wunsch nach einer gemeinsamen Sitzung in Hattersheim.
Knaubers Ankündigung, den neuen Bürgermeister heute zum „Schwitze“ zu bringen, begrüßten natürlich auch die „CCM-Hinterbliebenen“ aus Hattersheim und die „Kümmeldrescher“ aus Eddersheim sehr. „Drum Bürgermeister, mach die Lampen aus – komm runner, rück die Schlüssel raus!“, wurde von ihm unter Beifall nach oben gerufen.

Aber so schnell wollte „Gutsherr Schindling“ natürlich noch nicht die weiße Fahne hissen, er entgegnete ebenso flott gereimt: „Ihr wollt mich holen, oh Ihr Narren, aus dem Rathaus eine Posse machen – ich steh hier oben, frisch vereidigt, das Rathausvolk mich stramm verteidigt!“ Bestätigt wurde dieses vollmundige Statement durch Konfetti-Böller und zahlreiche „Wurfgeschosse“ in Form von Lutschern und Popcorntüten aus den Fenstern der Rathausverwaltung über dem Durchgang zum Innenhof. Zuversichtlich verkündete Schindling weiter: „Drum bleib ich hier im Rathaus sitzen, lass die leere Kasse mir nicht stibitzen. Was ich euch geben kann, ihr Wichte, ist unsern Schutzschirm, auf den kann ich gern verzichte!“

Das Gelächter der Narren im Innenhof ob dieser Aussagen wurde taktvoll von den Klängen der „Firebirds“ abgelöst. Und selbstverständlich hatte Axel Knauber dem etwas entgegenzusetzen: „Klaus Schindling, wir woll‘n kein Papperlapapp, gib auf und gib den Schlüssel ab!“ Seinem Wunsch gemäß ließen die versammelten Narren den Rathausbau daraufhin mit einem dreifach donnernden Helau erzittern, was allerdings den Bürgermeister immer noch nicht „zu Fall“ brachte, denn der beharrte weiter: „Den Schlüssel, den ich kürzlich erworben, bekommt Ihr erst, wenn ich verstorben! Ich geb‘ euch nicht den Schlüssel, nein! Denn Rathauschef ich will weiter sein!“ Eine Regentschaft der Narren, die „statt Doppik und Haushaltsplan“ dann „Büttenred und Kostümzwang“ anstehen ließe, die wolle er verhindern, „mit meim ganze Gewicht!“

Bald wurde Bürgermeister Schindling offensichtlich „überwältigt“, in dicke Ketten gelegt und von Zugmarschall Ralf Meik und Ehrenzugmarschall Dieter Freidhof aus dem Rathaus geführt. Den übergroßen goldenen Rathausschlüssel und die schwarze Rathauskasse trug Zugmarschallin Nicole Volk. Auch das vorher so wehrhafte „Rathausvolk“ ließ sich ohne murren – eigentlich sogar sehr bereitwillig – auf die Fastnacht vereidigen. Vielleicht war ja die mangelnde Gegenwehr damit zu erklären, dass mit Stadtverordnetenvorsteher Günter Tannenberger, dem Mitbegründer des CCM, nun schon eine ganze Weile ein versierter „Fassenachter“ in den Reihen der Stadtverwaltung immer wieder zu Gast war und die Chance genutzt hatte, die Rathausmannschaft „närrisch zu unterminieren“. Jedenfalls wurde das von den Hattersheimer Narren gemunkelt.

Die Zeremonie des Rathaussturmes endete mit einem „dreifach donnernden Helau“ auf die Fastnacht, angestimmt von Vertretern aller Narren der Stadt – und von Bürgermeister Schindling und seiner Rathaus-Mannschaft.

Das Ende der Veranstaltung war damit aber noch längst nicht eingeläutet, denn das Hattersheimer DRK war beauftragt worden, warme Erbsensuppe und heißen „Äbbelwoi“ für alle bereitzuhalten – man speiste und plauderte also noch eine ganze Weile lustig im Innenhof des Nassauer Hofes zusammen.

 

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