HATTERSHEIM (ak) – Wie nun schon seit einigen Jahren zog auch am Neujahrstag 2012 wieder eine ganze Truppe freundlicher Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde Hattersheim frühmorgens mit Besen, Schaufeln und Müllsäcken ausgerüstet vom Bahnhof aus zum Hattersheimer Marktplatz, um Überreste der Hattersheimer Neujahrsfeiern zu beseitigen.
Es gehört zu den Prinzipien ihres Glaubens, dass alle auch mit den eigenen Händen arbeiten sollen und keine Arbeit zu niedrig ist – Eitelkeit und Prestige-Gedanken sollen dabei keinem im Wege stehen. Solche Arbeiten wie die Straßenreinigung nach den Neujahrsfeiern werden daher in ihrer Gemeinschaft „Waqar-e-Amal“, „Ehrenvolle Arbeit“, genannt. Sie freuen sich aber auch darüber, dass sie mit solchen Aktionen der Gemeinde, in der sie gerne leben, etwas Gutes tun können. „Wir möchten damit auch der Stadt und der Gemeinde dafür danken, dass wir hier integriert sind“, sagt Hafeez Awan, der Präsident der Ahmadiyya-Gemeinde Hattersheim, mit einem Lächeln. Er ist stolz darauf, dass seine Gemeinde in Hattersheim auch von der Stadt positiv wahrgenommen wird, dass sogar die Bürgermeisterin ihren Einladungen folgt. Er weiß zu würdigen, dass es hier in Deutschland – im Gegensatz zu seiner Heimat Pakistan – den Mitgliedern seiner Gemeinde erlaubt ist, ihre Religion so auszuüben und zu lehren, wie es ihnen vom Gründer dieser islamischen Reformgemeinde überliefert ist.
Gerne hätten er und die Mitglieder seiner Gemeinschaft noch mehr Kontakt zu ihren Nachbarn und anderen Hattersheimer Mitbürgern, um ihnen persönlich zu zeigen, dass die Ahmadiyya-Gemeinde gastfreundlich und friedlich ist. Er ist überzeugt: wenn die Öffentlichkeit mehr über Ahmadiyya wüsste, würden Vorfälle wie die Zerstörung der Scheiben des Ahmadiyya-Gebetsraumes in Okriftel oder die Beschmutzung des dortigen Eingangs mit Kaffee künftig nicht mehr geschehen. „Wir wollten davon kein großes Aufhebens machen“, sagt er ernst. „Wir haben halt jeden Tag den Kaffee weggewischt und irgendwann hat es dann aufgehört.“ Auch darüber, dass am Ersten Weihnachtstag ein besonders „netter“ Zeitgenosse ein aus Plätzchen-teig geformtes Hakenkreuz auf die Fußmatte im Eingang des Gebetsraumes gelegt hat, möchte er nicht viele Worte verlieren. „Wir haben nicht die Polizei gerufen oder Anzeige erstattet. Das waren sicher einzelne Menschen, die nichts über uns wissen. Das ist zwar schade, wir würden denen gerne sagen, dass wir eben gar keine Terroristen, sondern dass wir besonders friedvoll sind und keinem Böses wollen.“ Aber man merkt ihm doch an, wie sehr ihn diese dummen Taten beschäftigen, auch wenn er hier in Deutschland so viele positive Erfahrungen sammeln konnte, dass sie ihm keine Angst machen können.
Viele Hoffnungen auf eine noch bessere Integration setzen die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde auf ihre Kinder und Jugendlichen. „Früher war da doch immer noch die Sprachbarriere“, erinnert sich Adnan Ishaq, der Leiter der Jugendorganisation der Hattersheimer Ahmadiyya-Gemeinde, „aber jetzt wachsen unsere Kinder ja mit der deutschen Sprache auf.“ Adnan Ishaq hat die Neujahrsputz-Aktion organisiert und koordiniert. „Wir holen dafür eine Genehmigung bei der Stadt ein und bekommen von dort dann die Besen, Schaufeln, Handschuhe und Abfallsäcke gestellt.“ Sein Einsatz, wie auch der Einsatz aller anderen an diesem Tag und bei anderen Aktivitäten der Gemeinde, ist freiwillig und ehrenamtlich. „Es wird zu solchen Aktionen keiner verpflichtet“, erklärt Ishaq. „Die Anforderungen sind manchmal schon anstrengend, der Kampf gegen den eigenen Egoismus ist dabei eine große Herausforderung.“
Zu den weniger anstrengenden Einsätzen gehört aber auch zum Beispiel der jährliche Besuch der Ahmadiyya-Gemeinde im Hattersheimer Altersheim, bei denen allen Senioren Rosen und Weihnachtsgrüße überreicht werden. „Das ist schön zu merken, wie man dort nun schon jedes Jahr auf unseren Weihnachtsbesuch wartet. Das zeigt doch, dass wir willkommen sind“, freut sich Adnan Ishaq.
Auch wenn das Besen- und Schaufelschwingen auf den Hattersheimer Straßen eindeutig zu den anstrengenderen Arbeiten des „Waqar-e-Amal“ gehört, machten sich Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde nach dem gemeinsamen Gebet und dem anschließenden gemeinsamen Frühstück in ihrem Gebetshaus am frühen Morgen eifrig daran, die blauen Müllsäcke zu füllen und dabei manch einem erstaunten Passanten ein freundliches „Frohes Neues Jahr“ zuzurufen. Ein älterer Hattersheimer beobachtete das Treiben der vielen Menschen mit Besen und Schaufel auf dem Marktplatz eine Weile und konnte sich dann doch die Frage nicht verkneifen: „Was machen denn die da?“ Die Erklärung, dass hier die Ahmadiyya-Gemeinde die Reste der Neujahrsfeiern beseitigt, auch um sich damit in der Stadt, in der sie leben, nützlich zu machen und dankbar zu zeigen, bringt ihn zum Strahlen: „Das ist ja mal was Gutes. An sowas hätte ich gar nicht gedacht!“
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