Erste Schritte auf einem langen Weg Hattersheim im Krisen-Modus: Stadt kämpft gegen Coronavirus / Erhebliche Mindereinnahmen zu erwarten

Grundlage für eine erfolgreiche Bekämpfung des Coronavirus ist Aufklärung – hierfür arbeitet die Stadt auch mit Lebensmittelmärkten zusammen.

Hattersheim im Krisen-Modus: Stadt kämpft gegen Coronavirus / Erhebliche Mindereinnahmen zu erwarten

„Wir kapitulieren nicht!" Bürgermeister Klaus Schindling ließ gegenüber dieser Zeitung keinen Zweifel an der Haltung der Stadt. Seine kämpferische Ansage galt in diesem Zusammenhang zwar dem Vandalismus, lässt sich aber durchaus auch auf die Corona-Krise übertragen, die den Alltag (nicht nur) in der Stadt Hattersheim am Main von Grund auf verändert hat.

Vergangene Woche war der offene Bücherschrank am Familientreff „Grünes Haus“ angezündet worden, er brannte vollständig aus (wir berichteten). In diesen Tagen, da Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen Menschen vor Ansteckung schützen sollen und aufgrund der harten Einschnitte in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu solidarischem Handeln aufgerufen wird, wirkt diese aus reiner Lust an der Zerstörung begangene Tat doppelt sinnlos und abstoßend.

Die Stadt werde dem Vandalismus nicht weichen, machte der Bürgermeister deutlich. Da sich das Problem aber nicht zeitnah lösen lässt, soll zunächst ein massiver Bücherschrank aus nicht brennbarem Material errichtet werden. Der Standort im Stadtpark soll beibehalten werden, da dort naturgemäß die entsprechende „Laufkundschaft“ vorhanden sei. „Wir werden das angehen“, versprach Schindling. Das ist die gute Nachricht für alle Lesefreunde. Allerdings, das ist die schlechte Nachricht, hätten aufgrund der Corona-Krise andere Dinge eine höhere Priorität. Demgemäß wäre die Einweihung eines neuen Bücherschranks ein schönes Zeichen dafür, dass wieder die ersehnte Normalität eingekehrt ist.

Aufklärung und Hilfe

Gegenwärtig ist die Stadt jedoch im Krisen-Modus. Und das wird noch bis mindestens zum 20. April so bleiben. Im besten und wohl nicht sehr realistischen Fall steckt man mitten in der Krise. Es ist indes davon auszugehen, dass man nur die ersten Schritte auf einem langen Weg hinter sich gebracht hat. In diesen Tagen richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Grundlagen, die zu einer geordneten Bewältigung der Corona-Krise unerlässlich sind. Dazu gehört laut Bürgermeister Schindling die Aufklärung der Bevölkerung über die Maßnahmen, die dem Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus geschuldet seien.

Die Stadt hält ihre Bürgerinnen und Bürger aber nicht nur über Mitteilungen (auch in dieser Zeitung) auf dem Laufenden, sie ist auch initiativ tätig. Beispielsweise werde gerade in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche in Hattersheim eine Einkaufshilfe für Senioren und in ihrem Aktionsradius eingeschränkte Leute aufgebaut.

Des Weiteren unterstützt die Stadt Hattersheim, wie auch die Nachbarkommune Flörsheim sowie der Main-Taunus-Kreis, eine Online-Aktion, die den teilnehmenden Gastronomen, Winzern und Läden das wirtschaftliche Überleben sichern soll. Es geht darum, dass Kunden ihren „Lieblingsorten“ beziehungsweise den von ihnen geschätzten Geschäften Geld für noch nicht erbrachte Leistungen zahlen; die entsprechenden, nach Bewältigung der Corona-Krise einlösbaren Gutscheine können über die Internetseite www.lieblingsort.help erworben werden.

Auch mit Lebensmittelmärkten arbeitet die Stadt zusammen, um einigen Leuten – man muss es leider in dieser Deutlichkeit sagen – Manieren beizubringen. „Unser Appell an Ihre Vernunft!“ steht etwa auf einem Plakat am Globus-Markt in der Heddingheimer Straße. „Wir erleben eine schwierige Zeit, eine Krise, die sehr viele Menschen (bislang) noch nicht erleben mussten. Eine für uns alle bedrohliche Situation, die wir nur gemeinsam meistern können.“ Stadt und Markt weisen in diesem Zusammenhang auf die Einhaltung des Mindestabstands, gegenseitige Rücksichtnahme und das Unterlassen sogenannter Hamsterkäufe hin.

Sonderausschuss berät

„Alles, was mit der Pandemie zusammenhängt, nimmt viel Zeit und Energie in Anspruch“, sagte der Bürgermeister im Gespräch mit dieser Zeitung. „Und vieles muss auf andere Weise gelöst werden."

Da die Gremien im Corona-Krisen-Modus nicht öffentlich zusammentreten dürfen, um Vorlagen und Anträge zu beraten und zu beschließen, ist guter Rat teuer. Eine diesbezügliche Änderung der HGO soll nun die Handlungsfähigkeit der Kommunen, wenigstens in dringlichen Angelegenheiten, weiterhin gewährleisten. Dringlichkeit besteht demnach, wenn es gilt, Schaden von der Stadt abzuwenden. Ein Sonder-HFA (Haupt- und Finanzausschuss) soll die betreffenden Themen im Rahmen einer Telefonkonferenz diskutieren, die Abstimmung erfolgt über ein schriftliches Umlaufverfahren. Damit ist freilich die Öffentlichkeit des Gremiums – ein zentrales Merkmal parlamentarischer Demokratie – nicht gegeben. Die erste ordentlich tagende Stadtverordnetenversammlung kann die im Sonder-HFA auf diese Weise gefassten Beschlüsse wieder aufheben – sofern zwischenzeitlich keine rechtliche Bindungswirkung eingetreten ist.

Am heutigen Donnerstag findet laut Bürgermeister Schindling eine Telefonkonferenz mit dem Präsidium der Stadtverordnetenversammlung statt, um das weitere Vorgehen mit dem Stadtverordnetenvorsteher und den Fraktionsvorsitzenden abzustimmen. Aus diesem Gespräch ergibt sich die Tagesordnung für die (erste) Sitzung des Sonder-HFA, auf der dann wichtige Punkte wie baurechtliche Entscheidungen, Offenlagen oder an Fristen gebundene Förderprogramme stehen könnten.

"Noch ganz okay"

Aktuell seien noch keine negativen Auswirkungen auf angedachte oder fortgeschrittene Vorhaben festzustellen. Zurzeit sei die Situation „noch ganz okay“, das könne sich jedoch schlagartig ändern, gab der Bürgermeister zu bedenken. So könnte die Verbreitung des Coronavirus zur Folge haben, dass etwa Baufirmen nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen können – davon könnte zum Beispiel der Fortgang der Straßenbaumaßnahmen am Südring oder aber die Sanierung der Stadthalle betroffen sein. Nichtsdestotrotz sieht Schindling auch in einem solchen Fall die Realisierung von Projekten nicht in Gefahr. „Da werden sich mit Sicherheit Lösungen finden lassen“, ist der Bürgermeister, der in diesem Zusammenhang auf Hilfsprogramme von Land und Bund hinweist, zuversichtlich.

Was die wirtschaftliche Seite angeht, ist von einem Schaden auszugehen. Es geht nur noch darum, wie hoch er ausfallen wird. Die Stadt rechnet schon jetzt mit erheblichen Mindereinnahmen, aus ihren in letzter Zeit so munter sprudelnden Hauptquellen wird (erst einmal) weniger Geld in die Kassen fließen. So werden laut Bürgermeister Schindling, der auch Kämmerer der Stadt ist, Einbrüche bei der Gewerbesteuer durch wegfallende Vorauszahlungen und beim Anteil an der Einkommenssteuer durch vermehrtes Kurzarbeitergeld zu verzeichnen sein. „Das ist durch geringere Kosten, die an anderer Stelle entstehen, nicht zu kompensieren“, so Schindling.

Große Finanzierungslücke

Das gilt auch für die Kinderbetreuung, dem kostenintensivsten Haushaltsbereich. Die hierbei zu stemmenden Ausgaben reduzieren sich durch die Schließung der Einrichtungen beziehungsweise durch den Notbetrieb nicht wesentlich, da die Lohnkosten für das Betreuungspersonal – es handelt sich um immerhin 192 Erzieherinnen und Erzieher – weiterhin in voller Höhe anfallen.

Die Aussetzung der Kita-Gebühren (zunächst) für den Monat April (siehe MTK-Pressemitteilung in dieser Ausgabe) stelle somit zwar eine wichtige Entlastung der Eltern, aber eben auch eine große Finanzierungslücke für die Stadt dar, erklärte Schindling. Ein rückwirkender Verzicht auf die Erhebung von Kita-Gebühren, worüber das Stadtparlament zu entscheiden haben wird, wäre daher nur unter bestimmten Voraussetzungen finanziell verkraftbar. Der Zeitraum spielt hierbei natürlich eine Rolle. Denn ob die Schulen und Betreuungseinrichtungen nach den Osterferien wieder geöffnet sein werden ist ungewiss. „Es kann unter Umständen um siebenstellige Beträge gehen“, sagte der Bürgermeister hierzu.

Wichtig sei deshalb eine Verständigung mit den übergeordneten Behörden, um veränderte Rahmenbedingungen zu erreichen. Die strengen Auflagen – Hattersheim ist formal noch Schutzschirmkommune – sollten seitens des Landes gelockert werden; unter anderem müssten Kommunen die Möglichkeit haben, höhere Kassenkredite aufzunehmen. „Wir müssen den Haushalt im Blick behalten“, betonte Schindling, „und trotzdem versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen."

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