Am vergangenen Donnerstag, wenige Stunden vor der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, hatten die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP und FWG Hattersheim zu einer Videopressekonferenz eingeladen, um ihren neuen Koalitionsvertrag vorzustellen.
Vor fünf Jahren fanden die drei Fraktionen noch zusammen, um überhaupt eine stabile bürgerliche Mehrheit im Hattersheimer Stadtparlament herstellen zu können. Nach dem Erringen der absoluten Mehrheit durch die Christdemokraten bei der Kommunalwahl am 14. März wäre dies nun gar nicht mehr nötig gewesen.
Doch dies stand Bürgermeister Klaus Schindling zufolge in den Reihen der Union nie wirklich zur Debatte. Schon vor der Wahl hatte die CDU für sich das Ziel definiert, die aus ihrer Sicht erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb der Koalition fortzusetzen, und man freue sich nun darüber, dass sich die Koalitionspartner FDP und FWG dazu entschlossen haben, den eingeschlagenen Weg auch weiter miteinander zu beschreiten. Dies bestätigte auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert: Man habe dies innerhalb der Fraktion thematisiert und war sich schließlich einstimmig einig darüber, diese Koalition fortsetzen zu wollen.
Der Erste Stadtrat Karl Heinz Spengler (FWG) stellte fest, dass sich im Koalitionsvertrag jeder der drei Partner wiederfinden könne. Es stehe nun die Fortsetzung der erfolgreichen letzten fünf Jahre an; auch wenn "die kleinen Partner etwas schwächer und der große Partner etwas stärker" geworden seien, so Spengler. Aber man müsse dies hinnehmen und auch die Größe haben, darüber zu stehen und das Positive mitzunehmen und zu schauen, wie man künftig gemeinsam Positives für die Bürgerinnen und Bürger in Hattersheim erreichen kann.
Dietrich Muth, der Fraktionsvorsitzende der FDP, berichtete, dass seine Partei nach der Kommunalwahl am 14. März vor der Frage gestanden habe, ob man nun angesichts einer absoluten CDU-Mehrheit in die Opposition gehen solle. Da aber die angestrebte Politik nahtlos an das anschließen soll, was man innerhalb der Koalition von 2016 bis 2021 vereinbart hatte, fiel innerhalb der Fraktion das Votum einstimmig für eine Fortsetzung der Koalition aus, weil man so in bestimmten Fragen einfacher Einfluss ausüben könne als aus der Opposition heraus.
Oliver Wiendl, der Vereinsvorsitzende der FWG, schloß sich den Ausführungen seines Vorredners an. Auch die FWG blickt, gerade auch bezüglich der Arbeit von Karl Heinz Spengler als Erstem Stadtrat, auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren zurück. Bei einem Vergleich der Zustände in Hattersheim 2016 und 2021 würde man gut erkennen, was in diesem Zeitraum geschaffen wurde, so Wiendl. Und deshalb zieht man auch seitens der FWG die Fortführung der Koalition dem Gang in die Opposition vor.
So kommt es nun, dass die Koalition nach gemeinsam 20 von 36 Sitzen in der letzten Legislaturperiode fortan über 23 von 37 Sitzen in der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung verfügen wird.
Diese Einigkeit hat auch Auswirkungen auf die Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr: FDP und FWG verzichten freiwillig auf die Aufstellung eines jeweils eigenen Kandidaten beziehungsweise einer eigenen Kandidatin. Statt dessen wird man seitens der Koalitionäre den amtierenden Bürgermeister Schindling im Wahlkampf zur angestrebten Wiederwahl unterstützen.
Zunächst kein neuer Erster Stadtrat nach April 2023
Ebenso wurde vereinbart, dass das Amt des Ersten Stadtrats nach dem Ende der Amtszeit von Karl Heinz Spengler im April 2023 zunächst unbesetzt bleiben wird. Angesichts der absoluten Mehrheit könnte man nun zwar auch seitens der CDU den Willen äußern, diese Position ebenfalls aus den eigenen Reihen zu besetzen. "Darauf verzichten wir aber", stellte Schindling im Pressegespräch fest. Dies sei auch ein "Zeichen an den Bürger", so der Bürgermeister, denn so eine hauptamtliche Position sei auch ein enormer Kostenfaktor im Stadthaushalt. Und weil man das organisatorisch auch anders lösen könne und die politischen Gegebenheiten durch die absolute Mehrheit so aussehen, dass kein Partner ein entsprechendes Besetzungsrecht habe, hält Schindling den Verzicht für "eine Politik mit Augenmaß und Wirtschaftsverstand".
Karl Heinz Spengler kündigte an, in zwei Jahren mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus dem Amt auszuscheiden. "Vor fünf Jahren wusste ich ja, worauf ich mich einlasse", so der amtierende Erste Stadtrat. Die Arbeit bereite ihm viel Spaß und er zieht eine bislang positive Bilanz, insbesondere im Bereich der Jugend- und Seniorenarbeit. Aber in zwei Jahren werde er 67 Jahre alt, und er freue sich auch schon ein wenig auf den Ruhestand - aber natürlich auch auf die Arbeit in den nächsten zwei Jahren, in der Hoffnung, in dieser Zeit noch etwas bewegen zu können.
Politische Schwerpunkte
Im Rahmen ihres neuen Koalitionsvertrages definieren CDU, FDP und FWG auch ihre wichtigsten Ziele für die kommenden Jahre, an denen sich die Parteien auch messen lassen müssen.
So sieht man solide Finanzen als Grundvoraussetzung für Investitionen, beispielsweise in Kindergärten, Sportplätze und das Schwimmbad, aber auch für die Unterstützung von Vereinen. Einen konsolidierten und ausgeglichenen Haushalt erachtet man als unabdingbar für Hattersheim. Das Ziel müsse weiterhin die Senkung der Hebesätze der Grundsteuer sein, sobald dies finanzpolitisch verantwortbar sei.
Im Bereich der Wirtschaftsförderung und Standortpolitik will man die Ansiedlung weiterer Firmen in Hattersheim vorantreiben, in Sachen Verkehr will man für Entlastung sorgen. "Der Schwerverkehr ist aus den Ortskernen Eddersheims und Okriftels herauszuhalten", heißt es im Koalitionsvertrag. Eine Entlastungsstraße sei hier weiterhin die bevorzugte Lösung, andere Optionen seien aber auch zu prüfen. Der Eddersheimer Bahnübergang soll umgebaut werden, und auch der Hattersheimer Bahnhof soll barrierefrei werden.
Als besonders wichtig erachtet man auch den Erhalt des Hattersheimer Schwimmbades und von Grünflächen im Stadtgebiet. In Sachen Sicherheit und Ordnung strebt man eine größere Polizeipräsenz an. Der FDP-Parteivorsitzende Norbert Reichert betonte den Wert der Vereine und des Ehrenamtes für die Stadt Hattersheim. Die Koalition will die hiesigen Vereine noch besser finanziell und ideell unterstützen. Die frühzeitige Bürgerbeteiligung vor wichtigen städtebaulichen Entscheidungen will man seitens der Koalition intensivieren, für ein erweitertes Nachtflugverbot will man sich weiter einsetzen.
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