Frühlingsfest ohne Frühlingswetter

Hattersheimer Flüchtlingshilfe organisiert Treffen für Flüchtlinge, Helfer und Gäste

Die Flüchtlingshilfe Hattersheim organisierte auch in diesem Jahr wieder ein Fest für Flüchtlinge, Helfer und Gäste.
(Foto: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (ak) – „Ist das Frühling in Deutschland?“, fragte ein junger Mann aus Eritrea, der wie seine fünf Freunde erst seit sieben Monaten hier lebt, und er zeigte dabei mit ungläubigem Blick aus dem Fenster ins regnerische Wetter am Freitag, 23. März, an dem das Frühlingsfest der Flüchtlingshilfe im ehemaligen Jugendzentrum in der Mainzer Landstraße stattfand. Fast erleichtert hörte er den Erzählungen von warmen Temperaturen, grün werdenden Landschaften und blühenden Bäumen und Wiesen zu, die der Frühling sicher auch in diesem Jahr in Deutschland bringen wird – halt nur ein bisschen später als sonst.

Erst seit zwei Monaten lernen die jungen Eritreer Deutsch, sie bemühen sich, alles zu verstehen und auch selbst Fragen zu stellen und Antworten zu geben. So entwickelt sich schnell ein sympathisch-holpriges Gespräch, in dem man erfahren kann, dass die fünf Christen und ein Muslim („Bei uns in Eritrea ist das kein Problem, da ist die Politik das Problem!“) zwischen 22 und 28 Jahre alt sind, einer von ihnen war Soldat, einer war Busfahrer, einer Maurer, einer Pizzabäcker und zwei waren Schreiner. Alle wissen, dass sie die deutsche Sprache lernen müssen, wenn sie hier eine Arbeit finden wollen – aber wie schwer das ist, versteht man, wenn man sich vor Augen führt, dass Tigrinya, ihre Muttersprache, nicht nur anders gesprochen, sondern auch anders, nämlich in äthiopischer Schrift, geschrieben wird. Sie müssen das ganze lateinische Alphabet zuerst lernen, um deutsch lesen zu können. Trotzdem fühlen sie sich sichtlich wohler, je mehr sie sich auf Deutsch unterhalten können: „Wenn wir unter uns sind, sollten wir das auch machen“, wissen sie zwar, aber man kann sich gut vorstellen, wie schwer das fällt. Beim gemeinsamen Essen vom internationalen Büfett des Frühlingsfestes tauen sie auf, man kann sich gut mit ihnen unterhalten.

Birgit Weindel von der städtischen Flüchtlingshilfe nutzt die Gelegenheit, die sechs jungen Männer zu den offenen Treffen von 14 bis 16 Uhr an den Montagnachmittagen im ehemaligen Jugendzentrum einzuladen. „Nicht nur zum Deutschsprechen und -lernen, auch zum Spielespielen oder einfach In-der-Sonne-sitzen“, bietet sie den Eritreern freundlich an.

„Das Fest im letzten Jahr hat bei wesentlich schönerem Wetter stattgefunden, wir haben uns vorhin schnell entschlossen, alles nach hier drinnen zu verlegen“, erklärt Birgit Weindel. Dass das Wetter auch eine Rolle bei der Anzahl der Besucher gespielt hat, davon kann man ausgehen: Zu Fuß oder mit dem Fahrrad im deutschen Frühlingsregen herumzulaufen, kostete sicher den einen oder anderen Überwindung. Dennoch füllte sich der Raum im Anbau des ehemaligen Jugendzentrums zusehends, auch viele Helfer kamen. Es war für alle eine gute Gelegenheit sich zum Kennenlernen, zum Erfahrungsaustausch zu treffen und auch, um neue Ideen zu entwickeln.

„Wir sind auch immer auf der Suche nach Interessierten, die uns bei der Betreuung von Flüchtlingen helfen und diese bei der Integration in Deutschland unterstützen möchten“, erzählte Birgit Weindel, deren jetziges Helferteam voll ausgelastet ist und sehr von ihr gelobt wird, „Einsatzbereiche gibt es viele, beispielsweise beim Deutschlernen, bei Bewerbungen oder bei der Hausaufgabenbetreuung der Schulkinder. Darüber hinaus soll ein Team aufgebaut werden, das den anerkannten Flüchtlingen künftig bei der Wohnungssuche hilft.“ Zwar gebe es viele Sozialwohnungen, aber von diesen seien kaum welche frei. „Man muss als Mensch selbst tätig werden, um eine adäquate Wohnung zu finden, das ist eine sehr schwierige Aufgabe, deshalb brauchen wir Leute, die ihnen sagen, was man an welchen Stellen tun und was man sagen muss, um eine Chance auf eine Wohnung zu haben“, erklärt Birgit Weindel. Wer dabei helfen möchte, der kann sich unter der Telefonnummer 06190/970122 oder per Email an birgit.weindel[at]hattersheim[dot]de bei ihr melden. „Das muss man dann auch nicht von zu Hause aus machen, man kann diese Sachen gerne hier bei uns im Jugendhaus machen“, bietet sie an, „wir haben hier WLAN, und Notebooks sind uns ja dankenswerterweise vor kurzem gespendet worden.“

Zurzeit besuchen die Ehrenamtlichen der Hattersheimer Flüchtlingshilfe montags von 16 bis 18 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 15 bis 18 Uhr das Ehrenamtshaus im Kastengrund, an Montagen findet im Jugendzentrum von 10 bis 12 Uhr Sprachbegleitung und von 14 bis 16 Uhr der „Offene Treff“ statt, mittwochs wird dort von 10 bis 13 Uhr ein Bewerbertraining bei Elke Lenz angeboten. An Donnerstagen gibt es das „Café Asyl“ von 16 bis 18 Uhr und freitags ist noch einmal von 10 bis 12 Uhr Sprachbegleitung das Thema.

Dass es Spaß machen kann, sich um Flüchtlinge zu kümmern, sieht man etwa Annelie und Friedhelm Gutenberger oder auch Helena Neumann-Dreyling an, die schon eine ganze Weile bei der Gruppe um Birgit Weindel dabei sind. „Wir haben grad noch ein bisschen Deutsch gelernt“, schmunzelt Annelie Gutenberger mit Blick auf ihren Schützling kurz vor Beginn des kleinen Festes und Helena Neumann-Dreyling freut sich über einen Anruf, bei dem ihr von „vielen Punkten beim Sprachtest“ ihres Deutschschülers berichtet wurde. Friedhelm Gutenberger sieht einige bekannte Gesichter und sucht auch gleich das Gespräch mit Leuten, mit denen er „noch in der Voltastraße“ deutsch gelernt hat. „Das war schon schlimm dort – da haben etwa 300 Personen zusammenleben müssen“, erinnert er sich, aber er bedauert auch, dass die Fahrradwerkstatt, die er damals dort betreut hat, im Kastengrund immer noch im Container „ruht“ und daher zur Zeit keine der vielen gespendeten Räder für die Flüchtlinge flottgemacht werden können.

Beim üppigen Büfett aus Kuchen, Eintopf, Quiche und Obst wurde ausgiebig und bei guter Unterhaltung bis in den Abend miteinander gefeiert.
 

Durchschnitt: 2.5 (4 Bewertungen)


X