Haushaltsdebatte mit Stilfragen

Stadtverordnetenversammlung: Energisch geführte Diskussion endete mit dem erwarteten Ergebnis

Es war eigentlich alles angerichtet für einen besinnlichen Ausklang im Rahmen der vorletzten Stadtverordnetenversammlung des Jahres kurz vor Weihnachten. Zumindest gab sich Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter alle Mühe dazu, als er im Vorfeld alle Parlamentsplätze im Saal der Stadthalle mit einem kleinen Schokoladennikolaus ausstattete und eine Einladung zum Umtrunk im Anschluss an die Sitzung aussprach. Die Stadtverordneten schritten auf dem Weg zur Sitzung auch bereits an den vorbereiteten Häppchen vorbei, die später gemeinsam verzehrt werden sollten.

Doch es nützte alles nichts: Insbesondere das Thema Grundsteuererhöhung entpuppte sich auch nach den ausführlichen Debatten in den Ausschüssen weiterhin als konstant brisanter Streitpunkt, und entsprechend hitzig verlief auch der parlamentarische Austausch am vergangenen Donnerstagabend. Um das Getöse vorweg zu nehmen: Nachdem im Laufe der gut zweistündigen Diskussion Bürgermeister Klaus Schindling den Sozialdemokraten zwar enorme sozialpolitische Errungenschaften zusprach, sie im gleichen Atemzug aber als "betriebswirtschaftliche Minimalisten" bezeichnete, kippte die Stimmung endgültig. Die Mitglieder der Hattersheimer SPD zeigten sich empört, der Fraktionsvorsitzende Dr. Marek Meyer bezeichnete diese Formulierung als "beleidigend" und "schlechten Stil" und forderte Schindling zu einer Entschuldigung für diesen "Fehlgriff" auf. Hierfür sah der Rathauschef jedoch keine Veranlassung.

Die schlechte Stimmung schaukelte sich eine halbe Stunde lang immer weiter hoch, bis die Stadtverordnete Betkin Goethals (Bündnis 90/Die Grünen) an das Rednerpult trat und den Bürgermeister direkt aufforderte, von seinem Smartphone zu ihr aufzublicken, wenn sie mit ihm redet - dessen Replik: "Ich bin nicht Ihre Marionette." Goethals warf Schindling vor, die Einnahmen durch die Grundsteuererhöhung in Höhe von 420.000 Euro wiederholt mit den jährlichen Betriebskosten des Schwimmbads oder der Stadthalle zu vergleichen. Dieses Bild interpretierte Goethals als "Drohung" den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber - und das fand sie "zum Kotzen".

In diesem Moment sah sich Stadtverordnetenvorsteher Reuter endgültig dazu veranlasst, die Debatte abzubrechen und die Abstimmung zum Entwurf der Haushaltssatzung und des Haushaltsplans für 2024 einzuleiten. "Ich glaube, wir sollten mal wieder ein bisschen runterkommen und das ist dann für alle besser" - mit dieser Einschätzung lag Reuter zweifellos goldrichtig. Und so kam es dann schließlich auch in der Stadtverordnetenversammlung zum Abstimmungsverhalten, das sich bereits in den Ausschüssen abgezeichnet hatte: Für den Haushaltsplan stimmte lediglich die CDU, während sich die Koalitionspartner FDP und FW enthielten, bei Gegenstimmen von SPD und Grünen.

"Solidarbeitrag aller"

Vor dieser Aneinanderreihung von rhetorischen Eskalationsstufen wurden zunächst auch sachliche Argumente formuliert, als nacheinander die Fraktionsvorsitzenden Stellung zum eingebrachten Haushaltsentwurf bezogen.

Michael Minnert (CDU) verwies auf eine aktuelle Welt der "multiplen Krisen", die immer noch gezeichnet ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie und mit dem Ukraine-Krieg, der Inflation, dem demografischen Wandel, dem Klimawandel und der Energiekrise zu kämpfen hat, und seit Oktober zusätzlich noch mit dem Krieg in Israel und Gaza. Man schwenke nun um in eine Ära, in welcher der bisherige Wohlstand nicht mehr so selbstverständlich sei wie zuvor, und dies wirke sich auch landauf, landab auf die kommunalen Haushalte aus. "Die steigenden Preise für Dienstleistungen und Investitionen führen in Folge der hohen Inflation zur weiteren Belastung", so Minnert, der in diesem Zusammenhang auch kein gutes Haar an der "Berliner Ampelpolitik" ließ: Angesichst der "quasi erzwungenen Vergesellschaftung entstandener Kostenrisiken", wie man sie gerade in den Nachforderungen in Milliardenhöhe beim Bürgergeld erlebe, stellten sich Kommunen häufiger die Frage, wir man Erhalt, Modernisierung uns Ausbau der Infrastruktur noch stemmen soll. Hinzu gesellen sich dann noch Erhöhungen der Kreis- und Schulumlage von rund 1,5 Millionen Euro sowie steigende Kosten für die Main-Taunus Verkehrsgesellschaft in Höhe von etwa 650.000 Euro.

Auch vor dem Hintergrund dieser geschilderten Lage wolle man weiterhin eine "ehrliche Politik" betreiben, und deshalb habe man sich entschlossen, auch bei der Grundsteuer ehrlich bleiben zu wollen: Man will seitens der CDU eben nicht nur von den Rücklagen in Höhe von 18 Millionen Euro zehren und diese binnen weniger Jahre via Haushaltsausgleich aufbrauchen, sondern mit einer moderaten Anpassung der Grundsteuer um 40 Punkte "quasi als Solidarbeitrag aller" darauf reagieren, dass alle Leistungen der Verwaltung massiv teurer geworden sind.

Sparsamkeit als Fremdwort

Dr. Marek Meyer attestierte dem Haushaltsentwurf eine erfreuliche Einnahmenseite mit etwa 95 Millionen Euro, machte gleichzeitig aber auch ein massives Ausgabenproblem aus: Denn diesen Einnahmen stehen Ausgaben in Höhe von 99 Millionen Euro gegenüber. Zum Vergleich: Im Jahre 2016 lagen die Ausgaben noch bei etwa 44 Millionen Euro, es fand also binnen acht Jahren mehr als eine Verdopplung statt. Natürlich stand der damalige Wert noch unter dem Zeichen der notwendigen Sparpolitik einer Schutzschirmkommune, und seitdem wurden diverse damals eingestellte Leistungen und Angebote wieder ausgebaut, was die Ausgabensteigerung ein Stück weit erklärt. Aber es wird eben auch nicht nur für dieses Jahr ein Defizit angekündigt, sondern auch für die Folgejahre bis 2027. Und das Defizit für das kommende Jahr in Höhe von 3,4 Millionen Euro beinhalte schon die Einnahmen der vom Bürgermeister vorgeschlagenen Grundsteuererhöhung. Das Defizit werde also weiter ansteigen, so Dr. Meyer, und das trotz Rekordeinnahmen. "Wir halsen uns in der Stadt Hattersheim einen Schuldenberg auf", brachte der SPD-Fraktionsvorsitzende seine Befürchtungen auf den Punkt. Zudem sei Sparsamkeit bei den investiven Maßnahmen ein "Fremdwort", wenn man für einen neuen Parkplatz am Eddersheimer Sportplatz ernsthaft 600.000 Euro einplane.

"Vieles, was in der Stadt geboten wird, ist sinnvoll und wünschenswert", hielt Dr. Meyer abschließend fest. "Ich frage mich nur: Geht das nicht auch kosteneffizienter?" Und schließlich forderte er die Stadtverordneten der CDU auf, einen Blick auf die Koalitionspartner von FDP und FW zu werfen: Diese konnten diesem Haushalt nicht mehr zustimmen und hätten hierfür auch ihre Gründe.

Koalitionspartner verweigern die Zustimmung

Norbert Reichert (FDP) gab zu Protokoll, dass sich seine Partei nicht damit abfinden will, dass Ausgabensteigerungen ein "unabwendbares Schicksal" seien und man sich "mit kleinen, homöopathischen Dosen" an steigende Steuern gewöhnen müsse. "Wir wollen uns lieber an einen Sparkurs gewöhnen, der uns langfristige wirtschaftliche Stabilität gewährleistet und die Belastung der Bürgerinnen und Bürger im Auge behält." Es seien Bürgermeister Schindling zufolge ja bereits elf Millionen Euro eingespart worden - da wäre es schön gewesen, wenn man die letzten drei auch noch geschafft hätte, so Reichert.

Und auch die Freien Wähler schlossen sich diesem Standpunkt an: Deren Fraktionsvorsitzender Oliver Wiendl gab an, dass seine Fraktion die Anhebung der Grundsteuer B "mit großer Skepsis" sehe, da dieser Schritt nicht der politischen Willensbildung der Freien Wähler entspricht und auch nicht Bestandteil des Koalitionsvertrags sei: "Die Grundsteuer mit der Begrifflichkeit einer solidarischen Belastung aller zu erhöhen, gehen wir als Freie Wähler bei diesem Haushaltsvolumen nicht mit", stellte Wiendl fest.

Grüne wittern schlechte Haushaltsführung

Uwe Broschk vertrat bei den Grünen die Fraktionsvorsitzende Nathalie Ferko. Seine Partei machte im Haushaltsplanentwurf enorme Sparpotenziale aus: "Tausende Euro" werde dort für "die wasserintensive, selten insektenfreundliche städtische Bepflanzung" ausgegeben, während die strom- und kostenintensive Weihnachtsbeleuchtung Jahr für Jahr ausgebaut wird. Auch dem Parkplatz für den FC Eddersheim attestierte Broschk eine "schwindelerregend hohe Kalkulation". Ebenso sei der Bau eines Glockenturms auf dem Okrifteler Friedhof vielleicht wünschenswert, aber nicht notwendig - und einen Fokus auf das Notwendige erwarte man bei der "desolaten Haushaltssituation".

In Bezug auf die Grundsteuererhöhung verweisen die Grünen auf die wiederholten Wahlversprechen von Bürgermeister Schindling und der Hattersheimer CDU, die Grundsteuer B so bald wie möglich senken zu wollen. Nun verpacke man die Steuererhöhung unter "den Deckmantel eines Solidarbeitrages für alle Bürger, um die opulenten Aufwendungen, wenn auch nur zum kleinen Teil, decken zu können."

"Er nennt es Sparen ohne Verzicht - wir nennen es eine schlechte Haushaltsführung", so der Vorwurf von Broschk in Richtung des Bürgermeisters.

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Kommentare

Weihnachtsbeleuchtung

Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei einer Befragung der Hattersheimer Bürger, ob man die Weihnachtsbeleuchtung gut oder schlecht, oder sogar unnötig findet, ein sehr interessantes Ergebnis herauskommen würde. Besonders dann, wenn man hierfür jedes Jahr 30.000,- Euro ? aus der Haushaltskasse dafür ausgibt. Dabei glaube ich nicht, dass hier die Personalkosten der städtischen Mitarbeiter vollumfänglich berücksichtigt sind.
...wenn die Sternchen wenigstens mit Solar betrieben wären, was nicht nur Strom sondern auch Installationskosten einsparen würde.....
Die Frage ist für mich nicht ob schön oder nicht, sondern ob dies in diesem Umfang, in dieser Umsetzung und zu diesem Preis nötig ist.

Frohes weihnachtliches Sparen



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