„He geiht!“

Vortrag zu 100 Jahre Flettner-Rotor am vergangenen Samstag im Stadtmuseum Hattersheim

Karl Heinz Spengler hatte sich sehr gut auf seinen Vortrag vorbereitet und dazu viel recherchiert und Originalliteratur gelesen. Vor rund 100 Jahren erfand Anton Flettner den Flettner-Rotor. Diese Tatsache war Spengler vom Hattersheimer Geschichtsverein 1985 e.V. einen Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Tage der Industriekultur Rhein-Main“ wert. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Stadt Hattersheim durchgeführt.

Schon am 29. Juli 1923 reichte Flettner sein Patent ein. Der „Tag der Erkenntnis“, dass der Rotor funktioniert, war der 4. Oktober 1924. In der Germaniawerft Kiel hatte man das Segelschiff Buckau mit zwei rotierenden Blechzylindern, die aussahen wie große Schiffsschornsteine, zum Rotorschiff umgerüstet. Als sich die Buckau tatsächlich bewegte kam es zu dem erstaunten Ausruf eines Werftmitarbeiters: „He geiht“. Was andere Menschen in großes Staunen versetzte, war für Flettner eine Selbstverständlichkeit.

Erfindungsgeist schon in frühen Jahren

Geboren wurde Anton Flettner am 1. November 1885 in Eddersheim, in der Fischergasse 4. Sein Vater war als Schiffer auf dem Main und Rhein unterwegs. Mit Schiffen von Kindheit an vertraut, heuerte Anton als Schiffsjunge an, dies brachte ihn bis nach Australien. Da der junge Mann seekrank wurde, Heimweh und teilweise Todesangst bei der Überfahrt hatte, gab er seine Karriere als Schiffsjunge jedoch auf.

Schon sehr früh hatte er viele Ideen, die zu zahlreichen Erfindungen führten. Als Schüler baute er, gefördert von seinem Vater, ein ferngesteuertes Schiffsmodell. Später erfand er einen Landtorpedo. Für Flugzeuge entwickelte er im Krieg Hilfssteuer, die für ihn eine gute Einnahmequelle darstellten. Nach dem Krieg durfte dieser Flugzeugtyp nicht mehr gebaut werden. Flettner entwickelte Hilfsruder für Schiffe und gründete eine Firma in Holland. Für Segelschiffe arbeitete er an der Entwicklung von starren Segeln. Unterstützt wurde er dabei von Heinrich Croseck, einem Ingenieur. Flettner arbeitete mit Prof. Ludwig Prandtl von der Aerodynamischen Versuchsanstalt (AVA) in Göttingen zusammen und gab dort 1922 Windkanalversuche in Auftrag. Nach einem Besuch bei der AVA berichtete Antons Bruder, Andreas Flettner, von Versuchen mit rotierenden Zylindern im Strömungskanal. Von da an ließ der Gedanke an diese Experimente Anton Flettner nicht mehr los und er reichte recht bald ein Patent zu einem Antrieb mit rotierenden Zylindern ein. Die Weiterentwicklung der starren Segel wurde auf Eis gelegt.

Doch wie funktioniert der Flettner-Rotor? Der rotierende Zylinder, der durch einen Elektromotor angetrieben wird, nutzt den Magnus-Effekt, was das Phänomen ist, dass ein rotierender Körper in einer Strömung eine Querkraft erfährt. Bläst der Wind gegen die rotierenden Zylinder des Schiffes, so wird die Luft auf der einen Seite beschleunigt (Unterdruck entsteht), auf der gegenüberliegenden Seite abgebremst (Überdruck entsteht). Es entsteht eine Antriebskraft.

Verwendung des Flettner-Rotors

Die Buckau, das erste Schiff mit Flettner-Rotor, wurde zum Erztransport nach Schottland eingesetzt, später unter dem neuen Namen Baden-Baden von Flettner für eine Werbetour nach Amerika benutzt. Schließlich wurde sie verkauft und ging nach einem Blitzeinschlag unter. Das zweite Rotorschiff war die Barbara, sie wurde zeitweise als Militärschiff genutzt und später als Reparationsleistung an Dänemark abgetreten.

Lange wurde der Flettner-Rotor nicht mehr verwendet, aber es gab in jüngster Zeit ein Comeback. Das E-Ship 1 mit Heimathafen Emden wurde 2010 fertiggestellt. Es wurde für den Transport von Teilen von Windkraftanlagen ausgelegt und verfügt neben einem Dieselantrieb über einen zusätzlichen Antrieb mit Flettner-Rotoren, wodurch eine Energieersparnis von bis zu 30 Prozent erreicht wird. Auch die Scandlines Hybrid Ferries sind mit Flettner-Rotoren ausgestattet, um den Kohlenstoffdioxidausstoß zu reduzieren. Airbus hat zum Transport von Flugzeugteilen Schiffe mit je sechs Flettner-Rotoren und zwei Dual-Fuel-Motoren in Auftrag gegeben. So sieht man, dass in der heutigen Zeit, da Energie gespart werden soll und besonders CO2-Emissionen vermieden werden sollen, der Flettner-Rotor topaktuell ist und wahrscheinlich noch viele Anwendungen finden wird.

Anton Flettner siedelte 1947 in die USA um, wo er Ende 1961 starb. Seine letzte Ruhestätte ist auf dem Friedhof in Eddersheim.

Dank des Geschichtsvereins Hattersheim

Karl Heinz Spengler konnte das Publikum, das trotz des schönen Wetters am Samstagnachmittag zahlreich in das Stadtmuseum Hattersheim gekommen war, durch seinen Vortrag fesseln. Dr. Andrea Schneider, die 2. Vorsitzende des Geschichtsvereins Hattersheim, bedankte sich mit einem Präsent herzlich bei ihm. Sie schätze es sehr, dass sich jemand die Mühe mache, solch einen schönen Vortrag auszuarbeiten. Bevor die Zuhörer den Heimweg antraten, diskutierten einige noch eifrig mit Spengler und ließen sich Details zum Flettner-Rotor erklären. Auch konnte man sich ein Schiffsmodell mit drei Rotoren ansehen oder in der ausliegenden Literatur blättern.

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