Integration geht durch den Magen

Ahmadiyya-Gemeinde: Pakistanischer Kochkurs findet an jedem zweiten Dienstag im Monat statt

HATTERSHEIM (ak) – Man kann Vorurteile gegenüber „Frauen mit Kopftuch“ haben – oder auch nicht. Wenn man keine Vorurteile hat, bekommt man die Gelegenheit, fröhliche, freundliche, offene und selbstbewusste Frauen kennenzulernen, mit ihnen zu reden, zu lachen und – zu kochen. Beim gemeinsamen Essen kann man dann feststellen, dass es trotz unterschiedlicher kultureller Wurzeln durchaus auch Gemeinsamkeiten gibt.

Köstlicher Duft weist den Weg im „Südringtreff“ in Hattersheim den langen Gang im Erdgeschoss entlang und dann nach hinten links. Beim Näherkommen hört man Gelächter, Geschirr klappert. Die Küche ist gefüllt mit Frauen, in zwei Reihen stehen sie hinter dem Herd, die vordere Reihe arbeitet mit Wendewerkzeugen in brutzelnden Pfannen und rührt mit ansehnlichen Kochlöffeln in großen Töpfen, die Reihe dahinter guckt den vorderen dabei über die Schulter. Manchmal werden Positionen getauscht, dann wagen sich diejenigen, die zuvor genau zugeschaut haben, daran, aus zartem Hühnerfleischhack kleine, dünne „Frikadellen“ zu formen und ins heiße Öl zu legen oder aus den vorbereiteten Teigklümpchen dünne Fladenbrote zu fertigen. Das klappt nicht immer so perfekt wie bei den pakistanischen „Kochlehrerinnen“. „Deutsche Frikadellen sind doch irgendwie anders. Meine sieht jetzt eher aus wie ein Osterei“, wird da schon mal vergnügt kommentiert. Es herrscht eine gelöste, freundschaftliche Atmosphäre. Zum fünften Mal haben sich hier Frauen im Alter von Anfang 20 bis zu 70 Jahren aus Marokko, Äthiopien, Indonesien, der Türkei, aus Pakistan und aus Deutschland getroffen, um gemeinsam pakistanisch zu kochen und natürlich auch zu essen. 

Sabiha Mehmood ist in der Frauenorganisation der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde, der „Lajna Imaillah“, in Hattersheim zuständig für den Interreligiösen Dialog. Sie hatte die Idee zum „Pakistanischen Kochkurs“ bei einem „Frauenfrühstück“ der Stadt Hattersheim. Als dann einige der Frauen, die sie dort kennengelernt hatte, der Einladung der Ahmadiyya-Gemeinde zum gemeinsamen Fastenbrechen folgte, wurde ihr Kochprojekt bei der Gelegenheit dort vorgestellt, die Gastfrauen konnten sich in Listen eintragen und wurden dann per Email zum ersten Kochkurs eingeladen. 
Mittlerweile hat sich auf diese Weise eine ansehnliche Gruppe zusammengefunden, den Frauen machen die gemeinsamen Kochabende großen Spaß. Gabriele Sellmann, die Frauenbeauftragte der Stadt Hattersheim ist auch dabei. „Hier komme ich sehr gerne her, die Frauen sind so unwahrscheinlich aufgeschlossen und gastfreundlich“, erzählt sie. Wenn eine mal nicht dabei sein kann, wird sie von den anderen vermisst. „Heute sind weniger Frauen als sonst hier, einige sind verreist oder krank. Integration geht durch den Magen“, sagt Sabiha Mehmood lachend dazu. Rabia Malik, die Vorsitzende der Ahmadiyya-Frauenorganisation in Hattersheim ergänzt: „Zur Integration muss man den ersten Schritt machen, deshalb haben wir alle Frauen hierher eingeladen. Wir interessieren uns sehr für deutsche Traditionen und für die Religion in diesem Land, wir waren auch schon in Kirchen und haben sie besichtigt. Solche Treffen mit anderen Frauen haben sicher als Hauptgrund unsere Integration hier, aber wir wollen auch unser Bild von der Frau im Islam nach außen tragen – eigentlich sind wir nämlich ganz normal, nur halt mit Schleier.“ 
Für die Zeitungsbilder haben alle islamischen Frauen des Kochkurses ihr Kopftuch angelegt, in der Öffentlichkeit (die durch unser Bild ja entstehen wird) ist das für sie so Tradition, in einer normalen Frauenrunde würden sie natürlich ohne Kopftuch kochen und auch essen. Selbstverständlich wird das gemeinsam vorbereitete und gekochte Mahl dann auch an einem mit pinken Chiffonläufern, ganz vielen pinken Glitzersteinchen, mit Blumen und natürlich mit Kerzen liebevoll geschmückten Tisch gemeinsam gegessen. 
Für das Tischgespräch denkt sich Sabiha Mehmood immer ein Thema aus, bei diesem ersten Kochkurs im neuen Jahr sind es die Weihnachtstraditionen in den Familien, über die gesprochen wird: es geht ums Essen an Weihnachten, den Kirchgang und um die Geschenke. „In unserer Religion feiert man Weihnachten eigentlich gar nicht, aber wir geben trotzdem Geschenke an Freunde oder Nachbarn, weil das hier eben so Tradition ist und weil wir ihnen eine Freude machen wollen. Und natürlich wichteln unsere Kinder in der Schule und sind dort bei den Weihnachtsfeiern dabei“, sagt Rabia Malik. Die deutschen Frauen berichten von Kartoffelsalat mit Würstchen an Heiligabend, vom Weihnachtsbraten oder der Weihnachtsgans und vom gemeinsamen Geschenkeauspacken mit der ganzen Familie unter dem Weihnachtsbaum. „Wie viele Leute sind das, wenn bei Euch die Familie zusammenkommt?“, fragt Rabia Malik in die Runde. „ Bei uns sind das gleich so 50 bis 60 Personen, wenn wir alle zusammen feiern. Aber dann bringen alle etwas mit für das gemeinsame Essen.“ Da trifft man sich zur deutschen Weihnachtsfeier dann doch im etwas kleineren Kreis. 
Natürlich schweift das Gespräch auch ab, etwa wenn es um Kinder geht. Es werden auch durchaus Gemeinsamkeiten entdeckt. „Eigentlich wollte ich nie so werden wie meine Mutter – aber jetzt denke ich manchmal, wenn ich mit meinen Kindern rede, oh, jetzt bist du doch genauso“, lacht Rabia Malik. Andrea Jung, die mit ihrer Tochter ihr gegenüber sitzt, kann das nur bestätigen. Als Mutter folge man eben manchmal einfach erlernten Verhaltensmustern, ob man das nun wolle oder nicht. „Da denke ich nur an meine Aktion im unaufgeräumten Zimmer meiner Tochter“, sagt sie dazu nickend. „Da habe ich genau das gemacht, was meine Mutter früher immer in unseren Zimmern gemacht hat. Dabei habe ich das selbst früher gar nicht gemocht.“ 
Die deutschen Frauen der Kochrunde möchten sich bei ihren pakistanischen „Kochlehrerinnen“ gerne einmal revanchieren und etwas „typisch Deutsches“ für sie kochen. Aber das müsste gleichzeitig auch etwas Besonderes sein. „Wir essen ganz oft zu Hause deutsch“, erklärt nämlich Rabia Malik. „Unseren Kindern schmeckt das auch gut, wir machen dann Nudelsalat, Kartoffelsalat, Spaghetti oder auch Schnitzel aus Hühnchenfleisch.“ 
Zunächst aber freuen sich alle auf den nächsten gemeinsamen Kochabend. 
Der „Pakistanische Kochkurs“ findet an jedem zweiten Dienstag im Monat statt, neue Frauen werden in der Runde gerne aufgenommen. Wer mitmachen möchte, kann sich entweder per Email unter sabiharafiq[at]hotmail[dot]de oder auch telefonisch unter 06190–7060262 bei Sabiha Mehmood (wegen der Planung möglichst schon zwei Wochen vor dem Termin) anmelden.

Kommentare

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
Sicherheitsprüfung
Diese Frage hat den Zweck zu testen, ob Sie ein menschlicher Benutzer sind und um automatisierten Spam vorzubeugen.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.


X