Kein Stein mehr auf dem anderen

Bürgermeisterwahl: Entscheidung vertagt / Kommunalwahl: Hohe Verluste für SPD und Grüne – CDU stärkste politische Kraft – FDP und FWG legen zu

Die amtierende Bürgermeisterin Antje Köster und Klaus Schindling (CDU) reichten sich am Wahlabend die Hände – der Kampf geht am 20. März allerdings in die nächste Runde.
(Foto: A. Noé)

HATTERSHEIM (noe) – Es war ein Wahlabend, der es in sich hatte. Seit Sonntag, 6. März, steht fest, dass der Wählerwille die Mehrheitsverhältnisse in der Hattersheimer Stadtverordnetenversammlung grundlegend verändert hat. Martialisch, in der Sache jedoch treffend, ausgedrückt: im Stadtparlament bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.

Das umwälzende Ereignis, dessen Tragweite mit dem Wort „Wechsel“ nur unzureichend beschrieben ist, konnte am Wahlabend in Echtzeit im Hessensaal des Alten Posthofes bezeugt werden. Dort wurden nämlich die laufend aktualisierten Ergebnisse der Auszählungen in den jeweiligen Wahllokalen mittels eines Beamers großformatig visualisiert. Die Stimmung war trotz des überaus bedeutsamen Moments bemerkenswert gefasst, geradezu nüchtern: hier und da und dann und wann kam Freude auf, von überschwänglichem Jubel oder gar fassungslosem Entsetzen konnte indes nicht die Rede sein. Waren die präsentierten Ergebnisse zu den drei Wahlen, in denen es um das zukünftige Stadtoberhaupt und um die Zusammensetzung von Stadtparlament und Kreistag ging, etwa so klar vorhersehbar?

Die ersten Zwischenergebnisse lagen am Sonntagabend zur Bürgermeisterwahl vor, war doch die Auszählung der Stimmen zur Kommunal- und Kreistagswahl aufgrund des Kumulierens und Panaschierens weitaus zeitaufwendiger. Schnell wurde deutlich, dass die amtierende Bürgermeisterin Antje Köster es schaffen würde, die meisten Stimmen auf sich zu vereinigen. Allerdings blieb die Frage, ob es zu einem zweiten Wahlgang kommen muss, eine Weile offen. Letztendlich stand fest: es wird eine Stichwahl geben. Antje Köster lag nämlich mit 47 Prozent (4.699 Stimmen) unter der „magischen Marke“, ihr stärkster Konkurrent, der von der FDP unterstützte CDU-Bürgermeisterkandidat Klaus Schindling, erzielte 38,4 Prozent (3.837 Stimmen). Einen Achtungserfolg erreichte Karl Heinz Spengler, den die Freien Wähler als Bewerber um den ziemlich unbequemen Chefsessel aufgestellt hatten. Auf ihn entfielen 14,7 Prozent, was einer Zustimmung von 1.467 Wählern entspricht.

Stichwahl am 20. März
Karl Heinz Spengler ließ noch am selben Abend keinen Zweifel daran, welche Empfehlung er seinen Wählern für die Stichwahl am 20. März geben wird. „Hattersheim ist für den Wechsel bereit, das ist nicht zu übersehen“, meinte der FWG-Fraktionsvorsitzende. Er habe, wie der im Rennen bleibende Bürgermeisterkandidat der CDU, für einen klaren Kurswechsel gestanden. Antje Köster habe zwar von allen Kandidaten die meisten Stimmen erhalten, doch über die Hälfte der Wahlberechtigten hätten sich mit ihrem Votum gegen sie als Bürgermeisterin ausgesprochen. Er sei zuversichtlich, dass Klaus Schindling die Mehrheit der Wähler im zweiten Wahlgang hinter sich bringen kann.

Der von der FDP und nunmehr auch von der FWG unterstützte Bürgermeisterkandidat der CDU war über das – zu diesem Zeitpunkt noch vorläufige – Ergebnis sichtlich erfreut. Nun gelte es, die in der ersten Runde bereits mobilisierten Wähler und gerade auch die Nichtwähler im zweiten Wahlgang an die Urnen zu bringen. „Die Stichwahl ist eine Chance für die Stadt“, so Schindling, der den Gang in die Verlängerung als „ersten Etappensieg“ bezeichnete. „Ein souveräner Amtsinhaber benötigt keine Stichwahl, um sich durchzusetzen“, setzte er eine Spitze gegen Antje Köster.

Jene betonte, sich über das ihr entgegengebrachte Vertrauen der Wähler zu freuen. Sie sei davon überzeugt, die zu einem Sieg fehlenden Prozente am 20. März einfahren zu können. Natürlich will auch Antje Köster Wähler zu ihren Gunsten mobilisieren; sie hält es keineswegs für ausgemacht, dass alle „Spengler-Wähler“ nun automatisch auch für Schindling stimmen werden. Viele Wähler hätten sich für den FWG-Kandidaten entschieden, um der SPD und der CDU einen Denkzettel zu erteilen. Sie wolle nun „Klinken putzen“, um diese Wähler von ihrem Kurs zu überzeugen. Das Steuer des Wagens, der nun aus dem Dreck gezogen und wieder fahrbereit sei, gehöre in kompetente, nämlich in ihre Hände, sagte Köster mit Blick auf die unter ihrer Amtszeit begonnene Haushaltskonsolidierung.

Zwei Abstürze und ein Höhenflug
Wie und ob die amtierende Bürgermeisterin im Falle ihrer Wiederwahl für eine Fortsetzung des Kurses sorgen kann, entscheidet sich im Stadtparlament. Doch hier gibt nach nunmehr sechs Jahrzehnten erstmals nicht mehr die SPD respektive eine rot-grüne Koalition den Ton an. Dafür sorgte seitens der SPD ein Minus von 4,8 Prozent im Vergleich zur Kommunalwahl 2011, vor allem aber der massive Stimmeneinbruch, den die Grünen verkraften mussten. Während die SPD auf 34 Prozent absackte, stürzten die Grünen aus den heiteren Wolken des sogenannten Fukushima-Effekts von 16 auf 8,3 Prozent ab. Die CDU dagegen ist, nach einem Zuwachs von 1,2 Prozent, mit 36 Prozent stärkste politische Kraft in der Stadtverordnetenversammlung, was sich aber nicht in der Zahl der Sitze niederschlägt: die CDU erhält, wie die SPD, dreizehn Sitze im Parlament. Jeweils drei Sitze erhalten die Grünen und die FDP, die sich um knapp 2 Prozent auf 8,1 Prozent verbessern konnte. Gar nicht so heimliche Gewinner des Wahlabends sind die Freien Wähler, die dank eines beachtlichen Stimmenzuwachses von 6,5 Prozent bei 10,6 Prozent landeten und die Anzahl der ihr zugewiesenen Sitze auf vier verdoppeln konnten. Die erstmals angetretene „Wählervereinigung Pro-Hattersheim“ (WPH) schnitt mit 2,9 Prozent ab, sie erhält einen Sitz im Stadtparlament.

Wegen der mit einem lauten Knall geplatzten rot-grünen Koalition wurde die Kreistagswahl quasi auf ein Nebengeräusch reduziert. Lediglich der Wahlerfolg der AfD, die aus dem Stand 12,4 Prozent der Stimmen gewann, sorgte für etwas Gesprächsstoff und parteiübergreifend für das ein oder andere lange Gesicht. 33,2 Prozent der Hattersheimer hatten bei der Kreistagswahl der CDU ihre Stimme gegeben, 29,7 Prozent erhielt die SPD, während die Grünen bei 8,5 Prozent, die FDP bei 6,2 Prozent und die Freien Wähler bei 6,5 Prozent landeten. Der Vollständigkeit halber erwähnt seien die Ergebnisse der Linken (3,4 Prozent) und der MTB (0,1 Prozent).

50 Prozent plus x
Nun steht die zweite Runde der Bürgermeisterwahl im Mittelpunkt. Die Stichwahl verspricht, spannend zu werden. Je höher die Wahlbeteiligung, desto höher die Aussagekraft des Votums – in Hattersheim gingen 49,4 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen. Ein im Vergleich zur Bürgermeisterwahl 2010 (45,5 Prozent) und zur Kommunalwahl 2011 (44,2 Prozent) erfreuliches Plus für die Demokratie. Am 20. März lautet die entscheidende Frage, wer mehr als 50 Prozent der Stimmen für sich entscheidet – es wäre wünschenswert, wenn mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten bei der Beantwortung dieser Frage helfen würden.

 

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