Schon vor gut vier Jahren, im September 2018, wurde die Stadt Hattersheim am Main in das Programm KOMPASS des Hessischen Innenministeriums aufgenommen. Eine wohlweislich gelungene Abkürzung, geht der volle Name "KOMmunalProgrAmmSicherheitsSiegel" doch nicht gerade leicht von der Zunge.
Es handelt sich hierbei um ein Angebot an die Städte und Gemeinden mit dem Ziel, "die Sicherheitsarchitektur in den Kommunen individuell weiterzuentwickeln und passgenaue Lösungen für Probleme vor Ort zu entwickeln", formuliert es das Innenministerium selbst. Der Status Quo gehört auf den Prüfstand, und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern am Tisch sollen alle Partner, die Aufgaben im Bereich der Sicherheit wahrnehmen, eine detaillierte Maßnahmenliste erstellen, von der man sich eine Erhöhung der lokalen Sicherheit verspricht. Und dabei soll die Prävention an erster Stelle stehen.
Im April 2019 fand deshalb in Hattersheim eine erste Sicherheitskonferenz mit hiesigen Institutionen, Vereinen und Vertretern der Kirchenverbände statt, um eine ganzheitliche Situationsanalyse zur städtischen Sicherheit zu erörtern. Dabei konnten erfolgreich zahlreiche Informationen zum Thema zusammengetragen werden, die im nächsten Schritt ausgewertet wurden, um potenzielle Lösungen für das angedachte Sicherheitskonzept abzuleiten.
Bürgerbefragung vor drei Jahren
In der zweiten Novemberhälfte 2019 wurde in diesem Zuge auch eine anonyme Bürgerbefragung durchgeführt. Damit diese in ein möglichst repräsentatives Ergebnis mündet, wurden hierzu zufällig 3.790 Bürgerinnen und Bürger ab 14 Jahren aus allen drei Stadtteilen kontaktiert, die dann die Möglichkeit hatten, den dazugehörigen Fragebogen auszufüllen. Die Rücklaufquote lag bei 25,4 Prozent, 962 Personen beteiligten sich letztendlich aktiv an der Umfrage.
Dabei ging es auch darum, die subjektive "gefühlte Sicherheit" einzufangen und diese der tatsächlich empirisch belegbaren Sicherheitslage vor Ort gegenüberzustellen. Denn die Auswertungen der Bürgerbefragungen zeigen dem Hessischen Innenministerium zufolge, dass sich Sicherheitsgefühl und Sicherheitslage oftmals deutlich unterscheiden. Als Ergänzung zum objektiven Kriminalitätslagebild kann eine Bürgerbefragung somit einen Beitrag zum Zeichnen eines Gesamtbildes der Sicherheitslage vor Ort leisten.
Betreut und ausgewertet wurde die Befragung von der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung. Die Ergebnisse sollten dann im Frühjahr 2020 vorliegen, eine zweite Sicherheitskonferenz, diesmal für die Öffentlichkeit bestimmt, war vor diesem Hintergrund fest eingeplant - und dann grätschte erst einmal die Corona-Pandemie maßgeblich dazwischen.
Dass die Zeit seitdem in Sachen KOMPASS keinesfalls ungenutzt geblieben ist, das präsentierten am Dienstagabend im Okrifteler Haus der Vereine Moderator Steffen Popp und die geladenen Gäste, darunter Bürgermeister Klaus Schindling, der Polizeioberkommissar aka "Schutzmann vor Ort" David Ausbüttel, Polizeirat Thomas Trapke und Eberhard Roth vom Stadtteilbüro Hattersheim. Steffen Popp gab dem (leider nicht über die Maßen zahlreich erschienenen) Publikum direkt mit auf den Weg, dass diese Präsentation keinesfalls als finales Fazit oder als abschließende Bilanz für KOMPASS zu verstehen sei: Vielmehr gehe es auch weiterhin permanent darum, Augen und Ohren offenzuhalten und Potenziale zu erkennen, wo und wie man in allen drei Stadtteilen die Sicherheit präventiv erhöhen kann.
"Dunkle Ecken" ausleuchten
Im Rahmen eines Beleuchtungsganges am 3. Februar 2022 haben Stadt und Polizei gemeinsam geprüft, an welchen Stellen im Stadtgebiet potenziell Handlungsbedarf besteht. Und auch hier haben die Ergebnisse der Bürgerbefragung natürlich ein wertvolles Stimmungsbild geliefert. Es gibt nun eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Beleuchtung und damit die generelle Sichtbarkeit an bislang besonders dunklen Wegen zu erhöhen. Zum einen kann man natürlich die Anzahl der Lampen erhöhen. Eine smarte Beleuchtung kann verstärkend dazu beitragen, dass es rund um die Uhr immer genau dann hell wird, wenn tatsächlich Bewegung im Radius der Straßenbeleuchtung ist. Und auch ein gezielter Rückschnitt von Pflanzen kann zu einer besseren Ausleuchtung beitragen.
Die Ergebnisse dieses Beleuchtungsganges vor acht Monaten sind durchaus zahlreich: So wurde beispielsweise in der Eppsteiner Straße festgestellt, dass dort nur die Parkplätze beleuchtet sind. Deshalb hat man den zuständigen Stromversorger damit beauftragt, an den vorhandenen Laternen zusätzliche Strahler anzubringen, die auch den Gehweg besser beleuchten. Und in der arg dunklen Unterführung im Karl-Eckel-Weg hat man die Bepflanzung zurückgeschnitten und so Helligkeit und Einsehbarkeit optimiert.
Mehr Polizeipräsenz
Um die Präsenz von Ordnungshütern im Stadtgebiet zu erhöhen, gibt es in Hattersheim mittlerweile mit Polizeioberkommissar David Ausbüttel einen "Schutzmann vor Ort", der sich den Zuschauerinnen und Zuschauern am Dienstagabend auch noch einmal persönlich vorstellte.
Ausbüttel sieht sich hierbei als ständiger Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger in allen drei Stadtteilen und als Bindeglied zwischen Stadt Hattersheim und der Polizei. Der "Schutzmann vor Ort" soll für eine bürgernahe Polizeiarbeit stehen, erkennbar unter anderem auch durch tägliche Fußstreifen durch das Stadtgebiet.
Jugend- und Sozialarbeit
Das Stadtteilbüro Hattersheim am Main hat sich auf die Fahnen geschrieben, Kontakte und den sozialen Austausch zu fördern, bürgerschaftliches Engagement und Nachbarschaftshilfen anzubieten und dadurch Konflikte zu verhindern oder zu entschärfen und rechtzeitig dem Phänomen der Vereinsamung entgegenzuwirken.
Eberhard Roth brachte dem Publikum im Haus der Vereine die Arbeit des Stadtteilbüros näher: Beispielsweise sucht man gezielt den Kontakt zu den Jugendlichen vor Ort und arbeitet daran, einen persönlichen und vertrauensvollen Kontakt zu etablieren. Man will den jungen Menschen, die es schon gewohnt sind, überall anzuecken, angemeckert zu werden und generell an vielen öffentlichen Orten unerwünscht zu sein, Gehör schenken und zwischen ihnen und meist älteren Nachbarn, die sich immer wieder gestört fühlen, konstruktiv zu vermitteln. Man soll sich gegenseitig kennenlernen und in der Lage sein, sich bei diskussionswürdigen Problemen mit dem Namen anzusprechen und so eine gemeinsame Basis für Lösungen zu finden oder gegenseitig mehr Empathie, Toleranz und Verständnis aufbringen zu können. Auch auf diese Art und Weise werden Konflikte verhindert oder geklärt, und natürlich trägt auch dies maßgeblich zur allgemeinen Harmonie und Sicherheit in einer Kommune bei.
Bessere Anbindung an den ÖPNV
Auch ein möglichst gut funktionierender öffentlicher Personennahverkehr kann einen wichtigen Beitrag zur besagten städtischen Harmonie leisten. So haben die barrierefreien Umbauten zahlreicher Bushaltestellen in Hattersheim in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass sich unterschiedlich beeinträchtigte Menschen dort sicherer bewegen können, zugunsten einer intensiveren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ebenso können Taktverlängerungen und -erhöhungen dazu beitragen, dass mehr Menschen öfter den ÖPNV nutzen, und diese stärkere Frequentierung erhöht ebenfalls das Sicherheitsgefühl rund um die Haltestellen und in den Fahrzeugen. Und auch scheinbar banale Maßnahmen wie die Erneuerung von Mülleimern oder der Beschilderung tragen dazu bei, dass diese Orte ausstrahlen, dass sie unter Beobachtung stehen und dafür gesorgt wird, dass es dort ordentlich aussieht.
Brennpunkt Bahnhof
Traditionell zählen Bahnhöfe und deren Umfeld zu den Örtlichkeiten, an denen man nach Einbruch der Dunkelheit und dem Schwinden der zahlreichen Berufspendler lieber mal die Beine etwas schneller in die Hand nimmt. Egal, ob dies nun akut berechtigt ist oder nicht: Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich dort nicht sicher und geschützt genug, und auch solche Wahrnehmungen und Einschätzungen haben eine Relevanz für KOMPASS.
Um das Sicherheitsempfinden rund um die hiesigen Bahnhöfe zu erhöhen, hat die Stadt Hattersheim bereits einige Maßnahmen eingeleitet, getestet und umgesetzt. Gegen die augenscheinliche Leere an diesen Orten abseits der Stoßzeiten sollen längere Dienstzeiten der Stadtpolizei und generell mehr Personal an und um die Bahnhöfe herum sorgen, auch eine umfangreichere Beleuchtung soll ein stärkeres Sicherheitsgefühl schaffen. Der Neubau von Wohnhäusen an der Nord- und Südseite des Hattersheimer Bahnhofes wird dafür sorgen, dass selbiger viel öfter belebt und unter Beobachtung wirken wird. Dies würde sich noch weiter steigern, sobald der geplante Neubau des Bahnhofes Hattersheim einmal vollendet sein wird. Gleiches gilt für eine Erneuerung des Bahnübergangs in Eddersheim.
Und schließlich wurde auch getestet, ob ein Begleitdienst am Bahnhof eine praktikable Lösung darstellt, um ein höheres Maß an Hilfestellung, Kontrolle und Ansprechbarkeit zu gewährleisten und die Zeit bis zu einem tatsächlich barrierefreien Bahnhof mit zusätzlichem Personal zu überbrücken, dass beispielsweise Menschen mit Rollator oder Kinderwagen unter die Arme greift. In Zusammenarbeit mit einem Programm zur Integration von Langzeitarbeitslosen des Main-Taunus-Kreises wollte man 2021 dort zu den Stoßzeiten zwischen 7 und 9 Uhr sowie 16 und 18 Uhr einen zwei- bis vierköpfigen Dienst installieren. Leider haben sich nur zwei Personen interessiert an dieser Arbeit gezeigt - und auch das nicht allzu lange: Nach einem bzw. anderthalb Tagen kam keiner mehr, um diese Arbeit zu verrichten, und im Rahmen des besagten Programmes hat seitdem auch niemand mehr entsprechendes Interesse bekundet.
An dieser Stelle wies Moderator Steffen Popp darauf hin, dass nach wie vor Personal für einen solchen Begleitdienst gesucht wird und es keine hohen Hürden zu überwinden gibt, um die Tätigkeit dort auszuüben. "Wenn jemand sagt: Okay, ich habe vormittags vielleicht mal Zeit oder nachmittags - herzlich willkommen!" Wer helfen will, könne sich einfach bei der Stadt melden.
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