Sanierung der Stadthalle kann weitergehen Gesamtkosten erhöhen sich auf 8,45 Millionen Euro / Parlamentsmehrheit stimmt für Nachtragshaushalt 2019/20

Letzte Woche Donnerstag entschied das Stadtparlament über den Nachtragshaushalt 2019/2020 und damit zugleich auch über die Zukunft der Stadthalle.

Die Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes wird, wie aus den Erläuterungen im Nachtragshaushalt hervorgeht, erheblich teurer als ursprünglich gedacht: Die Gesamtkosten werden sich demgemäß auf schätzungsweise 8,45 Millionen Euro belaufen – das sind 3,25 Millionen Euro mehr als vor gut zwei Jahren errechnet und im Dezember 2017 den Stadtverordneten vorgelegt worden war. Der allein aus diesem Grund notwendig gewordene und am 14. August in der Stadtverordnetenversammlung eingebrachte Nachtragshaushalt war Gegenstand der Ausschussberatungen vom 21. August (wir berichteten), seinerzeit hatten sich beide Oppositionsparteien gegen, die Koalitionspartner indes für die Annahme der Magistratsvorlage ausgesprochen. Also lag dem Stadtparlament die Empfehlung vor, dem Nachtragshaushalt zuzustimmen – was freilich nichts am Umfang der Diskussion änderte.

Die Nachricht von den höheren Sanierungskosten habe auch in den Reihen der Koalition "Erstaunen und Unglauben" ausgelöst, bekannte der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert. Gleichwohl spreche die Koalition dem Bürgermeister und der Verwaltung ihr "vollstes Vertrauen aus"; im Nachtragshaushalt seien die Gründe für die Mehrkosten sehr klar dargelegt, zudem habe der Bürgermeister den Ausschuss umfassend in der Sache informiert. Die Ansätze müssten zwar nach oben korrigiert werden, die finanzielle Situation lasse dies jedoch zu. Die Grundsatzfrage, ob Hattersheim, ein Mittelzentrum mit bald 30.000 Einwohnern, eine Stadthalle braucht, könne also unumwunden mit Ja beantwortet werden, so Minnert.

"Ja, Hattersheim braucht eine Stadthalle", bestätigte Matthias Oha (SPD). "Aber wir sagen Nein zum Nachtragshaushalt!" Auch die SPD-Fraktion gehe davon aus, dass die Stadtverwaltung sorgfältig gearbeitet hat, so Oha. Nichtsdestotrotz sei der vom Bürgermeister in seiner Funktion als Kämmerer zu verantwortende Nachtrag in Teilen unklar und mit Mängeln behaftet. So gehe aus der Ausarbeitung nicht hervor, woran genau gespart wurde, um die Mehrkosten nach unten zu drücken – aus diesem Grund hatten die Sozialdemokraten im Ausschuss um eine Auflistung der entsprechenden Sparmaßnahmen gebeten.

Zwar sei dem Bürgermeister nicht vorzuwerfen, dass er keine Kenntnis von den im Bauwerk versteckten Mängeln hatte (es handelt sich um fehlerhaft durchgeführte Installationen im Deckenbereich); er hätte allerdings auf die im Mai 2018 vom hessischen Landtag beschlossenen und im Juli desselben Jahres in Kraft getretenen neuen, verschärften Brandschutzbestimmungen reagieren müssen. "Stattdessen ging der Bürgermeister noch im Oktober 2018 davon aus, dass 5,2 Millionen Euro zur Sanierung der Stadthalle reichen würden", sagte Oha. Nun habe man es mit einer Kostensteigerung von 62,5 Prozent zu tun und erhalte als Gegenwert sogar nur eine "abgespeckte Version" der Stadthalle. Zu alledem seien die Folgekosten für den Betrieb der Stadthalle unbekannt. "Wir haben da einfach kein Vertrauen", sprach Oha für die SPD-Fraktion.

Anders als im Ausschuss enthielten sich die Sozialdemokraten der Stimme – sie mochten dem Nachtragshaushalt nicht zustimmen, wollten aber auch nicht die von ihnen ausdrücklich befürwortete Sanierung der Stadthalle verneinen.

Die Grünen dagegen erneuerten ihre ablehnende Haltung. "Die Koalition will ihr Wahlversprechen durch den Nachtrag einlösen", stellte der Grünen-Fraktionssprecher Winfried Pohl fest. "Die Stadthalle muss her – man könnte meinen, um jeden Preis."

Der Kämmerer habe sich "zweimal vergriffen": Neben den Sanierungskosten seien auch die Einnahmen aus Gewerbesteuern höher als angenommen. Wer sich angesichts dessen erleichtert zeige, springe politisch zu kurz, meinte Pohl. Im Zuge der unter Rot-Grün begonnenen Haushaltskonsolidierung sei, bei gleichzeitiger Erhöhung der Einnahmen, gespart worden. Nun aber, da CDU, FWG und FDP die Regierungskoalition bildeten, würden die Einwohner mit immer höheren Investitionen und Folgekosten konfrontiert.

Die Aussage, dass jeder, der gegen den Nachtragshaushalt stimmt, Hattersheim keine Stadthalle gönne, sei nichts anderes als ein "politischer Erpressungsversuch", sagte Pohl, der in diesem Zusammenhang betonte: "Wir gönnen Hattersheim eine Stadthalle und vieles, vieles mehr." Fest stehe jedoch, dass die Stadthalle auf Dauer finanzierbar sein muss, weshalb ein Folgekostenkonzept entwickelt werden müsse, forderte der Grünen-Fraktionssprecher. "Und es fehlt uns eine Entlastung der Bürger."

Diese Entlastung hätte, ohne die Mehreinnahmen für den Ausgleich der Mehrkosten zu verwenden, in Form der noch immer überfälligen Streichung der Straßenbeiträge, der Senkung der Grundsteuer und der Reduzierung der Kinderbetreuungsgebühren geschehen können. Des Weiteren mahnte Pohl eine höhere Bereitschaft und mehr finanzielle Mittel zur Realisierung bezahlbarer Wohnungen an. "Sie hätten genauer rechnen können und nicht holterdiepolter drauf losgehen sollen", sagte der Grünen-Fraktionssprecher an den Bürgermeister gewandt.

Die beiden Fraktionsvorsitzenden Willi Torka (FWG) und Dietrich Muth (FDP) sahen, zumindest für einen Teil der Mehrkosten, die Vorgängerregierungen in der Verantwortung. Die Bauleitung hätte die seinerzeit entstandenen Mängel, also die falsch gelegten Leitungen und Rohre, entsprechend dokumentieren müssen, meinte Torka, während sein Koalitionskollege die rhetorische Frage stellte: "Wer hat denn in den letzten 18 Jahren die Verantwortung für das Baudezernat gehabt?" Beide sprachen den Grünen zudem den Willen ab, die Stadthalle wieder in Betrieb zu nehmen. Die Positionierung der Koalition sei von Grund auf anders, so der FWG-Fraktionsvorsitzende: "Wir wollen, dass nichts unversucht bleibt, um diese Maßnahme voranzutreiben."

Dietrich Muth warf der Opposition vor, zwar eine Entlastung der Bürger anzumahnen, dabei aber keine konkreten Vorschläge zu machen. Dabei hätte sie zum Beispiel vorschlagen können, die 3,25 Millionen für die Stadthalle zu streichen und anteilig für die Finanzierung der Kinderbetreuung, für preisgünstigen Wohnraum oder für die Absenkung der Grundsteuer zu verwenden.

Ein Nein zur Stadthalle hätte die Rückzahlung der zum Zwecke ihrer Sanierung erhaltenen Gelder zur Folge. Da aber die Stadthalle unter Denkmalschutz stehe, müsse trotzdem die Bausubstanz in Schuss gehalten werden – ohne das Gebäude nutzen zu können, gab Muth zu bedenken: "Das ist verbranntes Geld."

Auch Bürgermeister Klaus Schindling betonte, dass es unvernünftig sei, Geld in eine ungenutzte Stadthalle zu stecken. Je mehr Zeit ohne eine regulär betriebene Stadthalle verstreiche, desto teurer werde es letzten Endes. Der marode Zustand der Stadthalle sei Folge eines "bewusst herbeigeführten Sanierungsstaus", in Ermangelung finanzieller Mittel sei das Gebäude vor nunmehr fünf Jahren stillgelegt worden. Die Reaktivierung der Stadthalle sei nach wie vor von zentraler Bedeutung. "Wir wollen dieses Wahlversprechen halten", bekräftigte der Bürgermeister für die Koalition.

Einzelne Maßnahmen würden, um Geld zu sparen, vorerst hintenangestellt, sagte Schindling in Bezug auf die von den Sozialdemokraten vorgebrachte Kritik. Es werde aber "keine abgespeckte Variante" geben, versicherte der Bürgermeister. Zwar werde beispielsweise von der Einrichtung einer Kegelbahn im Keller und auch von der Anschaffung einer auf Vollgastronomie ausgelegten Küche vorerst abgesehen – die betreffenden Anschlüsse jedoch würden eingerichtet, um dies zu gegebener Zeit nachholen zu können. Er habe übrigens, merkte Schindling bei dieser Gelegenheit an, kurz nach seinem Amtsantritt mit Verblüffung feststellen müssen, dass die alte Küche spurlos verschwunden gewesen sei – ihr Ersatz trage auch zur Erhöhung der Kosten bei.

Sicherlich sei es eine glückliche Fügung, dass den 3,2 Millionen Euro Mehrkosten entsprechende Einnahmen gegenüberstehen – jene hätten allerdings nichts mit dem Gewerbesteueraufkommen zu tun, erklärte der Rathauschef. Vielmehr habe die Stadt durch den Verkauf von Grundstücken an die Hessische Landesentwicklungsgesellschaft entsprechend hohe Erlöse erzielen können.

Die Stadtverordnetenversammlung stimmte dem Nachtragshaushalt, von dem der Fortgang der Stadthallensanierung abhängig war, mehrheitlich zu: CDU, FWG, FDP sowie der Stadtverordnete Ralf Depke (WPH) sprachen sich für die Annahme der Magistratsvorlage aus, die Grünen lehnten sie ab, die SPD enthielt sich der Stimme.

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