Überschuss ist keine Selbstverständlichkeit

Stadtverordnetenversammlung: Haushaltsplan 2022 mit Stimmen der Koalition mehrheitlich angenommen

Einmal mehr standen im Rahmen einer letzten vorweihnachtlichen Sitzung der Hattersheimer Stadtverordnetenversammlung die Haushaltsreden der Fraktionen im Mittelpunkt des Abends. Und um es bereits vorweg zu nehmen: Uneingeschränkte Einigkeit herrschte dabei nicht, der Haushalt 2022 wurde letztendlich nur mit den Stimmen der regierenden Koalition (CDU, FDP, FWG) verabschiedet, bei Gegenstimmen seitens der SPD und der Grünen und einer Enthaltung durch DIE PARTEI.

Zuvor trat zunächst der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert ans Rednerpult in der Sporthalle am Karl-Eckel-Weg, die sich durch ihre Weitläufigkeit mittlerweile zum bevorzugten Sitzungsort während der Pandemie gemausert hat. Und auch Michael Minnert rückte zu Beginn seiner Rede den Faktor "Corona" in den Fokus: Dieser führte und führt noch immer bei den deutschen Kommunen zu herben Verlusten. Immer mehr Städte und Gemeinden schließen in 2021 mit einem Haushaltsdefizit ab. Und auch andere Posten schlagen erheblich zu Buche: Das Thema Kita-Finanzierung werde aller Voraussicht nach weiterhin überproportionale Kostenanstiege verursachen, so Minnert. Und auch in Hattersheim werden für den Bereich der Kinderbetreuung rund 10,7 Millionen Euro veranschlagt - fast 50 Prozent des Personaletats. Auch der Produktbereich "Kinder, Jugend und Familienhilfe" weist einen Zuschussbedarf von 13,6 Millionen Euro aus.

Die Corona-Krise hat weiter dazu beigetragen, dass der Öffentliche Personennahverkehr in Finanznot geraten ist, und unabhängig von der Pandemie erfordert hier allein schon die Zielsetzung der Verkehrswende weitere Investitionen. Auch die vielbeschworene Digitalisierung von Verwaltung und Gesellschaft sei nicht zum Nulltarif zu bekommen, stellte der CDU-Fraktionsvorsitzende fest. Klimaschutz, Mobilitätskonzepte und Nachhaltigkeitstrategien müssen ebenso schlüssig wie finanzier- und durchführbar sein. Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Integration, Inklusion und Bevölkerungsschutz - all das müsse konsequent auf kommunaler Ebene erfolgen und eben auch bezahlt werden. Und trotz alledem, und insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, konnte man die Entwicklung Hattersheims vorantreiben und die Anforderungen der Krise verantwortungsvoll meistern. Keine Selbstverständlichkeit nach Einschätzung von Minnert, und ebenso sei es nicht selbstverständlich, in Zeiten wie diesen einen solchen Haushalt präsentieren zu können, mit einem Rekordgesamtvolumen von über 80 Millionen Euro, der unter dem Strich einen Überschuss von fast 4 Millionen ausweist. Dies sei ein Ergebnis, um das Hattersheim von vielen Kommunen, auch im Main-Taunus-Kreis, beneidet wird.

Damit man künftig nicht wieder unter den Schutzschirm gerät, den man gerade erst erfolgreich wieder verlassen konnte, müsse man jetzt aufpassen, aus Verantwortung für die Gegenwart und die kommenden Generationen gleichermaßen heraus in Sachen Haushalt vernünftig zu agieren und die Herausforderung zu meistern, einerseits die notwendigen Pflichtaufgaben zu erfüllen, um dann andererseits finanzielle Spielräume zu schaffen für die "Kür", die im Haushaltsentwurf 2022 unter anderem bei den Produkten Digitalisierung und Klimaschutz (durch die Schaffung der Stelle eines Klimamanagers) zu finden ist. Und in Richtung der Opposition formulierte Minnert den Vorwurf, dass es weder realistisch noch förderlich sei, wenn man Forderung um Forderung aneinanderreiht, die dann in Summe weit über das Machbare hinausgehen. Man sei hier nicht bei "Wünsch Dir was", sondern bei "So isses", stellte Minnert in Anlehnung an TV-Klassiker fest. Zudem bat Minnert die Oppositionsparteien darum, nicht "gebetsmühlenartig das Narrativ einer Regierung zu nähren, die es verabsäumt geförderten oder bezahlbaren Wohnraum zu schaffen". Hattersheim sei im Vergleich zu den anderen Kommunen im Kreis mit über 600 geförderten Wohnungen in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt, so Minnert. Man halte diese Thematik seitens der CDU zwar auch für wichtig, jedoch widerspreche die Forderung nach immer mehr gefördertem Wohnraum gerade in diesen Zeiten der Verantwortung, die man für alle Bürgerinnen und Bürgerinnen habe. Denn bei aller sozialer Fürsorge dürfe kein Ungleichgewicht entstehen, denn viele Bedürfnisse wollen und sollen befriedigt werden.

Die Straßenbaubeiträge habe man bereits abgeschafft, und immer dann - und nur dann! - wenn es aus wirtschaftlicher und finanzpolitischer Sicht zu vertreten sei, werde man die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger senken, und diese Bedingungen gelten auch in Hinblick auf eine mögliche Senkung der Grundsteuer. Aber alles auf einmal - das geht selbst in Hattersheim nicht, stellte Minnert klar.

Stadthalle: SPD-Kritik an Kostenmanagement

Dr. Marek Meyer (SPD) attestierte dem Haushaltsentwurf einerseits eine gute Einnahmenseite, andererseits aber auch einen "anwachsenden Berg an langfristigen Schulden" sowie mangelhaftes Kostenmanagement, das am besten anhand des Projekts Stadthalle zu erkennen sei. Nach Ansicht der SPD-Fraktion ist die Entwicklung des Schuldenstands in Hattersheim bedenklich: So seien die langfristigen Schulden deutlich höher als noch zum Amtsantritt von Bürgermeister Schindling, stellte Meyer fest. Kurzfristige Schulden wurden zwar über das Schutzschirm-Programm des Landes und die Hessenkasse entschuldet, jedoch wurden gleichzeitig erhebliche langfristige Schulden aufgebaut. Bis zum Jahresende 2022 sei ein Schuldenstand von immerhin 38,44 Millionen Euro eingeplant, der bis 2025 sogar auf 64 Millionen Euro ansteigen soll. "Das entspricht dann einer Schuldenquote von über 80 Prozent der heutigen ordentlichen Erträge", so Dr. Meyer.

Von der aktuellen Niedrigzinslage solle man sich zudem nicht täuschen lassen: auch für langfristige Schulden müssen Zinsen und Tilgung gezahlt werden. Und niemand könne garantieren, dass die Zinssätze über weitere Jahre oder Jahrzehnte so niedrig wie heute bleiben. Somit baut sich nach Ansicht von Dr. Meyer also wieder ein Schuldenberg auf, der der Stadt Hattersheim in einigen Jahren Probleme bereiten könnte.

Natürlich sei es auch richtig, dass man in wichtige Projekte wie Sportanlagen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Feuerwehr oder Verkehrsinfrastruktur investiert. Dies trage man seitens der SPD auch gerne mit. Auch die Sanierung der Stadthalle sei ein wichtiges Vorhaben, so Meyer - aber wenn man investiert, dann müsse man das auch richtig machen. Und angesichts der dortigen Kostenexplosion von ehemals gut 5 Millionen Euro auf mittlerweile 11,7 Millionen Euro könne hier ein "Mangel an Kostenmanagement und Kostenbewusstsein" erkannt werden.

Mit diesen Mehrkosten von 6 Millionen Euro hätte man locker die Haushaltsanträge der Sozialdemokraten aus diesem und dem vergangenen Jahr gegenfinanzieren können - und noch viel mehr, stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende fest.

Ausdrücklich von dieser Kritik ausnehmen wollte Dr. Meyer die Stadtverwaltung. Es gehe ihm hierbei rein um die politische Verantwortung und die Steuerung eines solchen Millionenprojekts.

In anderen Bereichen macht man seitens der Hattersheimer SPD ein fehlendes Engagement aus. Die Sozialdemokraten würden zum Beispiel gerne der Kinderbetreuung, dem bezahlbaren Wohnen, der Kultur und Investitionen in den Klimaschutz eine höhere Priorität einräumen.

Insgesamt sei der Haushalt nicht ganz ausgewogen, so Dr. Meyer. Es fehle an Ausgabendisziplin in der Umsetzung. Die langfristigen Schulden seien besorgniserregend - und das alles trotz Rekordeinnahmen, die erfahrungsgemäß mit den Konjunkturzyklen schwanken werden.

Aus all diesen Gründen stimmte die SPD deshalb dem Haushaltsentwurf in der vorgelegten Fassung nicht zu.

Grüne mahnen Stellenwert des Klimaschutzes an

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Nathalie Ferko stellte in ihrer ersten Haushaltsrede einen mangelnden Mut zur Nutzung der Chancen, die sich für einen Stadt mit hervorragenden Perspektiven wie Hattersheim bieten, in den Mittelpunkt. Es sei wichtig, dass sich die Stadt nicht nur im Bereich der Digitalisierung als Zukunftskommune sehe, sondern auch in Sachen Klimawandel, Natur- und Artenschutz sowie beim sozialen Zusammenhalt.

Fast alle Parteien würden sich heutzutage den Klimaschutz auf die Fahne schreiben, doch das tatsächliche Engagement falle bei genauerer Betrachtung häufig nur halbherzig aus. So könne ein neuer Klimamanager nur dann effektiv agieren, wenn dieser auch über ein ausreichendes Budget verfügt. Die Grünen sehen hier die Gefahr, dass die neue Stelle nur zu einer "Alibiveranstaltung" wird.

Und wenn Hattersheim wirklich einmal zur "grünsten Stadt in Hessen" werden soll, besteht aus Sicht der Grünen eindeutig noch Nachholbedarf, und dann darf man für das Produkt "Klimaschutz" im Haushalt nicht 1.000 Euro weniger einstellen als für die Weihnachtsbeleuchtung. Die Grünen kündigen an, dass sie eine derart "unzureichende Klimaschutzpolitik weiterhin anprangern" werden.

Auch in Sachen Mobilität zeigen sich die Grünen unzufrieden. Diese sehen die Notwendigkeit eines ersten Schritts hin zu einer kommunalen Verkehrswende, und das erfordere Anleitungen, Vorschläge und Anreize, wie die "täglichen Autofahrten unseres hausgemachten Verkehrs in unserer Stadt verringert werden können, mit intelligenten Angeboten im Radverkehr, bei Bus und Bahn sowie bei den Fußwegen." Aber dafür sei auch ein entsprechender politischer Wille notwendig, und die im Haushalt 2022 veranschlagten finanziellen Mittel seien hierfür nicht ausreichend. Die Grünen fordern deshalb einen Mobilitätsbeauftragten für die Stadt Hattersheim sowie die Entwicklung eines Mobilitätskonzeptes.

Auch in Sachen Kinderbetreuung sehen die Grünen Nachholbedarf, neben fehlenden Kita-Plätzen leide auch die Qualität der Einrichtungen. Ursprünglich als Zwischenlösung angedachte Container werden aufgestockt und dauergenutzt, und sogar in den Planungen neuer Kitas werden diese an "unliebsame Ränder gedrängt". Deshalb fordern die Grünen die Regierungsfraktionen auf, wieder größeren Wert auf die Bedürfnisse der Kinder zu richten und gute pädagogische Konzepte auch baulich zu ermöglichen.

Auch die Hattersheimer Grünen lehnten den Haushalt 2022 in der vorliegenden Version ab.

Lob für Wirtschaftsförderung und Gefahrenabwehr

Positiver waren freilich die beiden mitregierenden Koalitionspartner der CDU gestimmt. Dietrich Muth (FDP) begrüßte, dass der Haushalt 2022 nicht nur ausgeglichen ist, sondern sogar einen leichten Überschuss ausweist. Der Wirtschaftsförderung der Koalition attestierte er eine gute Arbeit, und die von der bürgerlichen Koalition eingeleitete positive Weiterentwicklung der Stadt soll auch in den folgenden Jahren weitergeführt werden, so Muth. Dazu zähle, neben Investitionen in die Bereiche Sicherheit, Sauberkeit und Pflege der Grünanlagen, insbesondere auch die Kinderbetreuung. Für eine Senkung der Beiträge fehle hier derzeit der finanzielle Spielraum - man könne nicht in die Qualität der Betreuung investieren und gleichzeitig die Beiträge reduzieren.

Aber auch Zukunftsthemen dürfe man nicht außer acht lassen, hier denkt Muth vor allem an den Ausbau der Digitalisierung sowie die Neueinstellung eines Klimamanagers.

Die FDP blickt trotz der weiterhin nicht komplett absehbaren Folgen der Corona-Pandemie und ungelösten Eingliederungsfragen in Bezug auf Flüchtlinge zuversichtlich in das Jahr 2022 und stimmt dem Haushalt zu, obwohl dort nicht alle Vorstellungen der Liberalen umgesetzt werden konnten.

Oliver Wiendl (FWG) wertete das Ergebnis des Haushalts 2022 als klares Zeichen dafür, dass die regierende Koalition in Hattersheim "positive Fakten" geschaffen hat. Der kommunale Schutzschirm konnte verlassen werden, die Restschuld der Hessenkasse kann getilgt werden und es wurde sogar ein Plus erwirtschaftet. Dem Bemühen von Bürgermeister Klaus Schindlung sei die Ansiedung von Gewerbetreibenden zu verdanken, die Hattersheim zur "Digital City" machen, und der dadurch erarbeitete gute Ruf der Stadt hat dazu geführt, dass immer mehr Firmen ihr Hauptquartier nach Hattersheim verlegen.

Positiv hob Wiendl auch die Entwicklung der Gefahrenabwehr in der Stadt hervor. Hattersheim hatte schon immer - und diesen Dank richtete der FWG-Fraktionsvorsitzende auch an die Vorgängeregierungen - eine sehr gut ausgestattete Feuerwehr. Das große ehrenamtliche Engagement der hiesigen Feuerwehrleute, denen Wiendl ausdrücklich seinen Dank aussprach, sei nur möglich, wenn auch die dafür nötige Ausrüstung vorhanden ist. Und auch die mittlerweile sehr gut ausgestattetete Stadtpolizei wertet Wiendl als großen Erfolg - er kann sich noch an Zeiten erinnern, als lediglich ein Schutzpolizist auf einem Mofa aktiv war. All das vermittelt den Bürgerinnen und Bürgern ein "unwahrscheinliches Sicherheitsgefühl" und stellt selbiges auch tatsächlich dar.

Der Haushaltsentwurf für 2022 entspricht der politischen Willensbildung der Freien Wähler und damit auch der Koalition, und somit votierte die FWG letztendlich auch zustimmend.

Kommentare

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
Sicherheitsprüfung
Diese Frage hat den Zweck zu testen, ob Sie ein menschlicher Benutzer sind und um automatisierten Spam vorzubeugen.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.


X