Wissen und Barmherzigkeit gegen physische und emotionale Mauern

Interkulturelle Woche: Teatro Due Mondi präsentierte das Theaterstück "Mauerrisse" auf dem Hattersheimer Marktplatz

Theatergenuss mit allen Sinnen: Unter großem Lärm und mit imposanten Bildern wurde die Flucht über den Ozean inszeniert. In der ersten Publikumsreihe halfen Regenschirme, um trotz des peitschenden Meeres trocken zu bleiben.

Jahr für Jahr veranstalten schon seit 1975 die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche und Deutschland und die Griechisch-Orthodoxe Metropolie die "Interkulturelle Woche". Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Integrationsbeiräte und verwandte Institutionen unterstützen die Aktionswoche tatkräftig, und auch in Hattersheim wurde nun in deren Rahmen ein großes Straßentheater aufgeführt, und zwar am Donnerstag vergangener Woche - einen Tag vor dem nationalen "Tag des Flüchtlings" am 30. September, der ebenfalls integraler Bestandteil der Interkulturellen Woche ist.

Organisiert vom WIR-Vielfaltszentrum des Main-Taunus-Kreises und in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilbüro Hattersheim präsentierte die italienische Theatergruppe Teatro Due Mondi das Stück "Mauerrisse". Es geht dabei um Mauern aller Art vor dem Hintergrund der Flucht: Mauern in den Köpfen, Mauern der Angst, geprägt von Misstrauen; bürokratische Mauern in Form von Papieren, die Einlass über staatliche Grenzen hinweg gewähren - oder nicht. Und gerade auch auf Mauern, die einfach auf Unwissen basieren, auf Vorurteilen gegenüber dem Fremden - und die der Empathie im Weg stehen. Genau hier kann das Vermitteln von Wissen Breschen schlagen, die solche Mauern zum Einsturz bringen können. Und eine Begegnung, die einen mehr lernen und verstehen lässt, kommt oft durch einen freundlichen Blick oder eine liebevolle Geste zustande.

Mauern über Mauern

Die Vielzahl dieser besagten trennenden Mauern ist jedoch groß, und sie entstehen immer wieder aufs Neue. Sie bilden für Flüchtende ein gewaltiges, verwirrendes Labyrinth, gespickt mit Sackgassen, Schranken und Vollsperrungen.

Das Teatro Due Mondi hat sich nun auf die Fahnen geschrieben, hierfür Lösungen auszuarbeiten und aufzuzeigen, auf die man seitens der Politik leider viel zu häufig umsonst wartet. Die teils interaktive Straßenperformance, mitreißend inszeniert und voller Aktion, wurde im Rahmen des europäischen Straßentheater-Festivals »Mauerspringer« entwickelt. Es ist das Ergebnis eines jahrelangen kreativen Prozesses, der vor elf Jahren mit dem kooperativen Theaterprojekt "Grenzenlos" seinen Anfang nahm. Das Teatro Due Mondi, heute bestehend aus dem Ensemble Tanja Hartmann, Angela Pezzi, Federica Belmessieri, Denis Campitelli, Renatro Valmori und Maria Regosa, wurde 1979 im italienischen Faenza als freie Theatergruppe gegründet und ist spezialisiert auf Theaterstücke, die für ein breites Publikum zugänglich sind und unter freiem Himmel aufgeführt werden können.

Mitreißende Aufführung

Und dies konnte nun auch die hiesige Bevölkerung live miterleben: Mitten auf dem Hattersheimer Marktplatz, auf einer quer verlaufenden "Bühne", umrahmt von zwei gegenüberliegenden Publikumsseiten - wie man es von einer Modenschau kennt. Hinter einem Ende des langgestreckten Bühnenbereichs befand sich der Backstage-Bereich, gegenüber lag ein erhöhtes Podium, das mal als Überwachungsturm am Grenzübergang in die Performance integriert wurde und mal als Bühne fungierte, von der aus die Akteure Lieder von sich gaben oder das Geschehen kommentierten.

„Die Sprache und Ästhetik des Schauspiels ist universell“, erläuterte die Erste Kreisbeigeordnete Madlen Overdick im Vorfeld der Aufführung. Das Stück solle ihr zufolge „einen Dialog mit dem Publikum herstellen – auch mit Menschen, die sich normalerweise nicht für das Theaterspiel begeistern“.

Und letzteres galt nicht nur für das rein zuschauende Publikum, sondern auch für interessierte Laien, ehrenamtlich Engagierte oder von einer Flucht selbst betroffene Personen, die sich an der Aufführung aktiv beteiligen wollten. Auch das zählt zum Konzept der italienischen Theatergruppe, und deshalb traf man sich drei Tage zuvor schon einmal zu einem Workshop, der dafür sorgte, dass durch die engagierte Beteiligung der hiesigen Bürgerinnen und Bürger eine einmalige, auf dem Main-Taunus-Kreis zugeschnittene Version von "Mauerrisse" entwickelt werden konnte.

Und diese Performance fiel ausgesprochen impulsiv und eindrucksvoll aus und regte zweifellos zum Nachdenken an: Während der Flucht sprühte die Gischt in die erste Zuschauerreihe (wohlweislich ausgestattet mit schützenden Regenschirmen), Erfahrungsberichte aus Sicht von Flüchtenden und in der Flüchtlingshilfe Engagierten machten menschliche Dramen greifbar und nachvollziehbar, und die ausdrucksstarke Darstellung der markanten Szenen des Stücks durch die Schauspielerinnen und Schauspieler des Teatro Due Mondi schuf beeindruckende Bilder, die man nicht so schnell vergessen wird - und die hoffentlich dazu beitragen, dass diese vielen Mauern der Lösung von Problemen und der Unterstützung traumatisierter Menschen immer seltener im Weg stehen.

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