Auf ein Wort

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

einige Lieder, die in der katholischen Kirche in der österlichen Bußzeit gesungen werden, stehen auch im Gesangbuch der evangelischen Kirche. So auch das Lied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“. Das Lied hat der Reformator Martin Luther um die Zeitenwende 1523/24 geschrieben und vertont. Als Grundlage nimmt er den Bußpsalm 130 (De profundis).

Doch dürfen wir zu Gott schreien? Dürfen wir unsere Not und Ängste ihm antragen? Die Bußlieder der Kirche haben ihre Vorgänger in den Bußpsalmen des Volkes Israel. Wir können im Gebet und Gesang unsere Stimme vor Gottes Angesicht bringen. Wenn wir die Psalmen – die Lieder Israels und der Kirche – aufschlagen, können wir lernen, wie man das macht.

Die damaligen Menschen schrien, klagten an, waren unzufrieden. Das Leben spielte ihnen übel mit. Sie spürten eine Gottesferne, eine Gottesfinsternis. Was bleibt da anderes übrig, als einfach zu klagen?

Das Lied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ beschreibt den Menschen, wenn er sich in Schuld und Tod vorfindet. Und das war die Erkenntnis: Wer schreit und klagt, bittet Gott um Gehör.

In der ersten Strophe steht der Schrei aus der Tiefe und entspricht den ersten drei Psalmversen: der Schrei aus der Tiefe, der Gott in der Höhe erreichen möchte. In einer sehr warmherzigen Weise wird er mit menschlichen Zügen ausgestattet: „Dein gnädig Ohr neig her zu mir und meiner Bitt es öffne.“

Das Bild, das uns hier gezeigt wird, spricht uns ungemein an: Der große Gott neigt sich herunter zum schuldig gewordenen Menschen, um ihm sein Ohr zu leihen und seine Bitte zu hören. Diese Bitte ist hineingenommen in eine kühne Frage: „Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen? – Denn so du willst das sehen an, was Sünd und Unrecht ist getan, wer kann, Herr, vor dir bleiben?“

In der zweiten Strophe geht es um Hoffnung und ihren Grund. Sie bezieht sich auf die Psalmverse 4 und 5. Aus der Tiefe sieht man am Horizont das Leuchten der Hoffnung: „Doch bei dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht dir dient.“

Gott will den Menschen nicht in der Tiefe der Schuld und Sünde verkommen lassen; er reißt ihn heraus, er holt ihn herauf. Vergebung zu gewähren, ist seine Art: „Es steht bei deiner Macht allein, die Sünde zu vergeben.“ Vergebung bedeutet Rettung, Heil und Leben. Der Mensch in der Tiefe hat Grund zur Hoffnung, die das Lied mit großer Eindringlichkeit zum Ausdruck bringt: „Darum auf Gott will hoffen ich, auf ihn will ich verlassen mich und seinem Wort vertrauen.“

In der dritten Strophe geht es um den guten Hirten, sie greift die Psalmverse 6 bis 8 auf. Hier klingt das bewegende Bild von den Wächtern, die auf den Morgen warten, an: „Und ob es währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen“ – die Zuversicht bleibt, die stärker ist als Angst, Sorge und Verzweiflung, „denn beim Herrn ist die Huld, bei ihm ist Erlösung in Fülle“.

Das Lied fügt das biblische Bild vom Hirten ein, der Israel (gemeint ist auch „das neue Israel“) „erlösen wird von seinen Sünden allen“.

Es ist gut, dass die getrennte Christenheit mit einer Stimme, mit denselben Worten und Tönen im Bewusstsein ihrer Schuld von ihrer Bereitschaft zu Buße und Umkehr singen kann. Jede Strophe nennt den, der Vergebung schenkt, mit anderen Namen: in der ersten Strophe: ‘Herr Gott‘, in der zweiten Strophe: ‚du einig Heil und Leben‘ und in der dritten Strophe: ‚der gute Hirt‘. Die Bitte an ihn ist nicht umsonst.

Vielleicht nehmen Sie sich in der kommenden Woche ein paar Minuten Zeit für das Lied und meditieren über den Text.

Ihnen allen wünsche ich eine gute Vorbereitung auf das Osterfest.

Ihr

Jürgen Rottloff

Diakon

St. Martinus, Hattersheim

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