Die Zukunft der ehemaligen Ölmühle

Kritische Reaktionen der Anwohner beim Bürger-Informationsabend zur geplanten Bebauung des Geländes

Bauträger Günter Horn, Bürgermeister Klaus Schindling und Thomas Kettenbach vom Referat Bauen, Planen, Umwelt (von links) beantworteten am Montag Bürgerfragen zur geplanten Bebauung an der Ölmühle.
(Fotos: A. Kreusch)
 

HATTERSHEIM (ak) – „Heute Abend nutzen wir hier die Möglichkeit, bevor der Bebauungsplan erstellt ist, mit den Bürgern zu dem geplanten Vorhaben ins Gespräch zu kommen“, erklärte der Hattersheimer Bürgermeister Klaus Schindling zu Beginn des Bürger-Informationsabends zur Ölmühlen-Bebauung am Montagabend, 6. August, im Hessensaal des Alten Posthofes. Der Saal war trotz großer Hitze bis voll besetzt, sogar einige Standplätze mussten in Kauf genommen werden.
 

Bürgermeister Schindling stellte zunächst klar, dass es sich bei den vorgestellten Plänen um eine „atmosphärische, exemplarische Betrachtung, wie es mal werden könnte“ handelt, die tatsächliche Endausführung steht noch nicht bis in jedes Detail fest.
Bauherr der an der Ölmühle geplanten Wohnungsbebauung wird die Projektgesellschaft Horn 2 sein, als deren Vertreter Günter Horn zusammen mit Klaus Schindling und Thomas Kettenbach vom Hattersheimer Referat Bauen, Planen, Umwelt Fragen zum Projekt beantworten wollten.

Nachdem Günter Horn seine Gesellschaft und deren Vorzüge vorgestellt hatte, wies er darauf hin, dass die Projektgesellschaften Horn alle ihre Projekte selbst entwickeln sowie möglichst viele Aufträge an Handwerker und Firmen innerhalb der Region vergeben. Günter Horn glaubt, dass mit dem Projekt Ölmühlenviertel ein anspruchsvoller Plan entwickelt wurde.

Im Anschluss an den Bauträger hatte Alexander Kaloudis vom Architekturbüro monogruen das Wort, der in einem interessanten Vortrag die Entwicklung der Planungen für das 3,9 Hektar große Areal vor Augen führte. Dabei machte er deutlich, dass schon im Jahr 2007 an dieser Stelle Wohnungsbau vorgesehen wurde. Auch die Idee, die Wasserwerkschaussee mit der Regionalparkroute auf der anderen Seite des Schwarzbachs zu verbinden, stammt bereits aus dieser Zeit. „Schon im Flächennutzungsplan von 2010 war das Ölmühlengelände als Wohnfläche vorgesehen – der Flächennutzungsplan ermahnt zum sparsamen Umgang mit Raum und Boden. Da erschien es nur logisch, die Bebauung im Schokoladenviertel und im Mühlenviertel mit Einfamilienhäusern hier nun mit Geschossbau sinnvoll zu ergänzen“, erklärte Kaloudis. Mehrere Bürger waren mit dieser „logischen“ Schlussfolgerung allerdings so nicht einverstanden. Die Kritiker aus dem Saal meinten sogar, die geplante, durch den Geschossbau „dreifache Wohnraumdichte“ auf dem Ölmühlengelände sei so nicht im Flächennutzungsplan vorgesehen und sie sei so sogar nicht zulässig. Außerdem würden sich die Eigentümer im Mühlenviertel durch diese Bebauung nun gar „verschaukelt“ fühlen. Man stellte eine „baurechtliche Überprüfung“ wegen der „viel zu dichten Bebauung“ in Aussicht.

Mit seinem Vortrag fortfahrend stellte Alexander Kaloudis weiter dar, wie sein Architekturbüro dem Bauherrenwunsch nach zwei Dritteln Mietwohnungen und einem Drittel Eigentumswohnungen auf dem Ölmühlengelände in seinem Entwurf Rechnung getragen hat. Dabei stellte er heraus, dass es im Baufeld 1 zwanzig „sehr effizient gebaute“ Wohnungen geben soll, die zu günstigen Preisen von der Stadt Hattersheim vermietet werden sollen. Auch die geplante Mittelachse, die mit Wasserspiel, Boule-Platz und vielen Freiflächen der Güntersburgallee in Frankfurt nachempfunden sein soll, hob er als Besonderheit hervor. „Weiter wird der ruhende Verkehr komplett in die Tiefgaragen verlegt“, erklärte der Hochbau-Ingenieur. Auch werde es sich beim öffentlichen Verkehrsraum in dieser Siedlung um reine Anliegerstraßen handeln. Es werde keinen Durchgangsverkehr geben und es sei keine reguläre Anbindung an das Mühlenviertel geplant, nur eine Notzufahrt von dort aus. Den aus dem Zuhörerkreis befürchteten „Rückstau aus der Tiefgarage“ im morgendlichen Berufsverkehr brauche man nicht zu befürchten, das Verkehrsaufkommen durch die 900 Bewohner der neuen Siedlung sei dafür zu gering.

„Bewegte Dachlichkeit“
Alexander Kaloudis beschrieb weiter eine „besondere Aufenthaltsqualität durch das Hofstruktur-Konzept“ zwischen den Häusern, die dort entstehen sollen, sowie eine „abwechslungsreiche Fassade zum Straßenraum“ durch „rhythmisierte Geschosshöhen“. Diese „bewegte Dachlichkeit“ helfe, nicht nur das Mühlengebäude, welches aus Denkmalschutzgründen bestehen bleiben wird, sondern auch das Haus Nr. 55 am Hessendamm in die neue Bebauung einzubinden. Befürchtungen der Bürger, die neuen Häuser in dieser Höhe würden an dieser Stelle nicht in das Stadtbild passen, konnte der Stadtplaner nicht nachvollziehen. Mit Blockheizkraftwerken und Photovoltaik auf den Dächern soll die neue Siedlung 75 Prozent ihres Energiebedarfes selbst decken können.

Vom Architekturbüro monogruen ist nicht nur Platz für 120 Bäume auf dem Ölmühlengelände vorgesehen, es soll im Bereich der Eigentumswohnungen auch private Gärten geben. Das alte Ölmühlengebäude hat nach Ansicht der Planer nicht nur Potenzial zum hochfrequentierten Ausflugslokal, es soll auch zum Mittelpunkt der Anlage und Treffpunkt für alle Anwohner werden.

Nach Alexander Kaloudis stellte Olaf Bäumer vom Stadt.Quartier Wiesbaden den Ablauf der Bau- und Umweltplanung für das Ölmühlen-Viertel vor. Er hob heraus, dass es sich um ein allgemeines Wohngebiet handeln wird, damit Raum auch für „nachziehende Infrastruktur“ dort gegeben ist.

Die erste Frage aus der Bürgerrunde bezog sich nicht direkt auf das geplante Wohnviertel, sondern vielmehr auf den Verkehr auf dem Hessendamm: dort werde zu viel gerast, und die Einrichtung einer Tempo-30-Zone für diesen Bereich wurde angeregt. Bürgermeister Schindling versprach die Sache zu prüfen, allerdings warnte er vor einem „Verkehrs-Infarkt“, wenn in allen Hattersheimer Einfallstraßen ein solches Tempolimit eingeführt werden sollte.

Auch die eventuell im Zufahrtsbereich zum Ölmühlen-Viertel mögliche Ampelanlage wurde nicht von allen Bürgern gut geheißen, Lärmbelästigungen durch wartende Autos und ein Rückstau bis in die Tiefgaragen wurden von Anwohnern befürchtet. Ob stattdessen ein Kreisel machbar sei, kann nach Ansicht von Olaf Bäumer allerdings bezweifelt werden: „Kreisel sind Autofahrer-Lösungen. Dafür ist hier das Verkehrsaufkommen aus und zum neuen Quartier zu gering, da muss sich das Wohngebiet unterordnen“, meint der Stadtplaner, der auch eine zweite Anbindung des neuen Viertels aus diesem Grund für nicht notwendig hält. Den Anwohnern der Häuser am Hessendamm, die schon 1970 gebaut wurden, konnte er auf ihre Befürchtung, die Fassaden der neuen Gebäude würden den Schall der Autos in ihre Richtung „spiegeln“, entgegnen, dass „alles lärmtechnisch untersucht“ wurde und die Außengestaltung der Fassaden diese Spiegelung bis auf 1,5 Dezibel und somit einen für das Ohr nicht mehr wahrnehmbaren Unterschied reduzieren werde.

Offenbar sind die jetzigen Bewohner des Mühlenviertels und des Schokoladen-Quartieres auch nicht der Ansicht, dass die Anzahl der geplanten Parkplätze in dem neuen Wohngebiet ausreichend ist. Nach ihren Erfahrungen könnte es möglich sein, dass die neuen Bewohner etwa auf die Parkplätze der Kleingärtner ausweichen oder verbotswidrig in der Wasserwerkschaussee parken könnten. Bürgermeister Schindling sagte zu, die Möglichkeit für Parkverbotsschilder in der Allee zu prüfen.

Auch die Frage danach, ob denn die Kinder aus der neuen Siedlung hinreichend berücksichtigt würden, wurde beim Informationsabend gestellt. Günter Horn erklärte, nach einem Gutachten würden etwa 50 Kindergartenplätze und 17 Krippenplätze mehr gebraucht werden, wenn das Ölmühlenviertel bezogen ist. Bürgermeister Klaus Schindling erklärte dazu, dass neben der neuen Kita auf dem EVIM-Gelände auch durch „Aufrüstung“ der Kita in der Frankfurter Straße mehr Kita-Plätze in Hattersheim geschaffen würden. Auch stehe die Heinrich-Böll-Schule im Schulentwicklungsplan an dringlicher Stelle, hier seien ein Erweiterungsbau und eine Erweiterung der Sporthalle geplant, ebenso wird es eine weitere Grundschule in Hattersheim geben. Er sagte den Bürgern zu, dass „wir da nicht ins Hintertreffen geraten, auch nicht, was die Sportanlagen angeht.“

Die Frage nach den Mietpreisen der geplanten Wohnungen wurde von Günter Horn ausweichend mit dem Hinweis auf die „sehr gute Ausstattung der Wohnungen“, die alle auch schon eine Küche beinhalten, beantwortet. „Die Preise werden sich nach dem freien Mark richten“, meinte Horn dazu. Bürgermeister Schindling wies darauf hin, dass Hattersheim in der Region die Kommune mit dem meisten sozialen Wohnraum ist. „Mit mir wird es das nicht geben, hier noch mehr sozialen Wohnraum zu schaffen“, versicherte Schindling, der die Ansicht vertritt, überhaupt habe Hattersheim nun seine Pflicht in Sachen Wohnungsbau für die nächsten Jahre erfüllt. „Dann sind auch mal die anderen Kommunen dran, Wohnraum zu schaffen“, erklärte der Bürgermeister. Da Einzelhäuser zwar „schön, aber zum Preis für eine Million nicht für jeden erschwinglich“ seien, hält Schindling „bezahlbaren Wohnungsbau, auch im ambitionierten Bereich“ für gut. Typisch für ihn war, dass er verlauten ließ, wie sehr er sich über die Idee freute, dass in der alten Ölmühle vielleicht einmal das „erste Hattersheimer Landbier aus der ersten Hattersheimer Privatbrauerei“ zu genießen sein könnte.

Diese fast idyllische Schlussbemerkung des Bürgermeisters wurde von lauten Rufen „Wo passt denn so eine Siedlung ins Stadtbild? Mich erschreckt das total!“, denen Beifall folgte, etwas getrübt. Das Gegenargument kam allerdings auch sofort auf den Zuhörer-Reihen: „Das soll ja hier kein schöner Wohnen sein – wer das will, soll in die Eifel ziehen.“
 

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