Wer spielt da den Brandstifter?

 

 

 Sehr geehrter „Bachschisser“,
Ihre Assoziation zur Protestaktion meines Kollegen Martin Hanauer bei der Andacht gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens und den Lärm, mit dem unsere Orte seither überzogen werden, kann ich nachvollziehen. Brennende Prospekte legen die Verbindung zu brennenden Büchern nahe und zu den Folgen, die das in deutscher Geschichte hatte. Andererseits erinnert mich die symbolische Handlung daran, dass ein gewisser Martin Luther öffentlich die päpstliche Bann-Bulle verbrannte, durch die ihm verboten werden sollte, öffentlich einzutreten für das, was er als richtig erkannt hatte. Aber zur Aktion meines Flörsheimer Kollegen und zu Ihren Ausführungen gegen ihn: Ob den Pfarrer da der Teufel geritten hat, wie Sie meinen? Wer reitet denn in unserer Rhein-Main-Region seit 11 Jahren über die Köpfe der Bevölkerung hinweg? Ohne die Würde von Menschen, Erwachsenen wie Kindern, und ihr Recht auf Leben zu achten? Ohne sich an verabredete Regelungen zu halten? Wer spielt da den Brandstifter? Wer verhöhnt uns Betroffene auch noch mit einem Werbeprospekt, in dem uns der Flughafen als unsere Zukunft gepriesen wird? Welche Zukunft haben wir Bewohner an der Mainschiene denn zu erwarten? Schenkt uns Fraport den Frieden, den Sie durch Pfarrer Hanauer gefährdet sehen? 

 

 

 
Einen „ausgebildeten Gutmenschen“ nennen sie ihn, dem diese Form von Protest nicht zustehe.
Ich will Ihnen von einem anderen erzählen, den man allgemein und irreführend auch eher als „Gutmenschen“ einstuft und versucht, damit in die Bedeutungslosigkeit abzuschieben. 
Zu seiner Zeit, vor etwa 2000 Jahren, kam er in die große, wuselige, laute Stadt Jerusalem. Er suchte im Tempel Stille für die Begegnung mit Gott, Ruhe für das Gespräch und Zusammensein mit anderen Menschen, Ruhe und Stille (das ist nicht nur einfach dasselbe!) für sich selbst. Aber da war keine Stille, keine Ruhe. Da war Markt, mit allem Geschrei und Getöse, das zu einem Markt gehört. Da trieb Jesus alle Händler und Käufer aus dem Tempel hinaus. Er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um und rief: ‚In der Schrift (d.i. der Teil der Bibel, die wir Altes Testament nennen) steht: „Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein.“ Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle!’“ (Matthäusevangelium Kapitel 21, Verse 12 bis 13)
Über unseren Köpfen, in unseren Ohren ist Ähnliches, und doch viel Schlimmeres als dieser Markt. Es ist pure Marktwirtschaft, Profitsteigerung um jeden Preis, und das geht bzw. fliegt über Menschen hinweg wie über lebende Leichen. 
Wir Christen haben in Jesus einen MitSTREITER (nicht einfach einen Gutmenschen!), in dessen Namen wir durchaus öffentlichkeitswirksam und unter Umständen in umstrittener Weise (die Möglichkeit und das Geld für Werbung mit einem Prospekt wie Fraport haben wir nicht!) zum Ausdruck bringen sollen, was wir als Unrecht erkennen, und welches Recht wir einfordern: „Das Leben der Menschen muss Zeiten der Ruhe und Stille haben dürfen: Für sich selbst, für andere Menschen, für die Begegnung mit Gott!“ 
Übrigens meinten Zeitgenossen auch von Jesus, dass dieser im Bunde mit dem Teufel (!) gestanden habe; nachzulesen in Kapitel 11 des Lukasevangeliums, Grundlage zur Predigt am vergangenen Sonntag. Lesen Sie doch einmal, auf wen Jesus zornig (!) war, was und wer ihn traurig gemacht hat, wen er mit seinen Bemerkungen und Handlungen irritiert und vor den Kopf gestoßen hat – es ist an vielen weiteren Stellen in allen vier Evangelien zu finden. Deshalb: In Nachfolgern dieses Jesus lediglich die professionellen Gutmenschen zu suchen, also Menschen, die allen wohl und niemand wehe tun, hieße, auch uns gemeinsam mit Jesus in die Beliebigkeit und Bedeutungslosigkeit abzuschieben. 
Meine Grund-, Lebens- und Glaubensfrage ist: Wen lasse ich Herr sein über mich? Wem gebe ich die Gestaltungs- und Handlungshoheit über mich? Wessen Macht überlasse ich mich? Ich glaube nicht an die Marktwirtschaft und nicht an Fraport. „Ich glaube an Gott … und an Jesus Christus … und an den Heiligen Geist …“. Das sind nicht nur fromme Worte, sonntags in der Kirche zu sprechen. Das kann auch in den öffentlichen (und eben nicht nur in harmlos-belanglos-wirkungslos-friedlichen) Widerstand zwingen. 
Eine Frage zum Schluss: Wer steckt eigentlich hinter der anonymisierenden Bezeichnung „Bachschisser“? Für wen oder für was steht der Bachschisser? Das erschließt sich für mich nicht. Ich unterzeichne mit meinem Namen. Mein Kollege Martin Hanauer tritt als Person an die Öffentlichkeit. Wir stehen dafür, dass nicht einfach die Wirtschaft die Deutungs- und Gestaltungshoheit über unser Leben hat; dass die Wirtschaft im Dienste der Menschen stehen muss, nicht umgekehrt. Wir sind Christen und deuten die Welt von Gott her, der uns in Jesus sein menschliches Gesicht zugewandt hat, öffentlich, erkennbar, und damit angreifbar. Und der „Bachschisser“?
Elisabeth Heilmann, 
Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Eddersheim
 
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