20 Jahre Haus Sankt Martin

Facheinrichtung für Wohnungslose für den Main-Taunus-Kreis am Autoberg in Hattersheim feierte Jubiläum

Klaus Störch, Leitung der Facheinrichtung für Wohnungslose, während der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum im Haus Sankt Martin.

Wer in diesen Tagen die Caritas-Facheinrichtung für Wohnungslose Haus Sankt Martin besucht, kann dort in die Geschichte des Hauses eintauchen. Eine Wandzeitung mit Bildern und Artikeln aus 20 Jahren umspannt den ganzen Aufenthaltsraum, bei manch einem Betrachter werden lange verschüttete Erinnerungen wach. Auch Einrichtungsleiter Klaus Störch, der mit seinem Team tief im Fundus des Hauses „gegraben“ hatte, hat so manches wiedergefunden, was nicht vergessen werden sollte. Nicht nur Berichte von vielen schönen Festen und kulturellen Veranstaltungen, für die das Haus Sankt Martin mittlerweile in der ganzen Region bekannt ist, sondern etwa auch Bilder vom „Urlaub von der Straße“ oder von dem bunt bemalten Lieferwagen, mit dem vor Jahren Lebensmittel bei Spendern abgeholt wurden – die Facheinrichtung war einst auch die Keimzelle der Hattersheimer-Hofheimer Tafel – erwecken die Aufmerksamkeit bei den Betrachtern.

Ende März wurde das 20-jährige Jubiläum des Hauses Sankt Martin mit einem Festkommers gefeiert, zu welchem viele Wegbegleiter und Freunde der Einrichtung eingeladen waren, ein Festprogramm mit vielen verschiedenen Veranstaltungen zieht sich durch das ganze Jahr.

Klaus Störch kann nach anfänglichen Schwierigkeiten mit Nachbarn und Kommune nun endlich ganz überzeugt sagen: „Wir sind in Hattersheim angekommen.“ Für ihn selbst ist die Stadt mittlerweile zum „zweiten Wohnsitz“ geworden, für viele Wohnsitzlose eine Anlaufstelle im Kreis, die sie nicht mehr missen möchten.

Beachtliche 110.000 Kontakte gab es seit der Gründung der Einrichtung in Hattersheim, im Schnitt etwa 22 bis 25 Personen am Tag besuchten sie (in der Corona-Zeit etwas weniger, aber die Zahlen sind wieder steigend). In der relativ kleinen Einrichtung mit drei Zimmern konnten immerhin 36.000 Übernachtungen gezählt werden, 13.000 Beratungen fanden dort statt. Insgesamt etwa 1.400 Personen (davon fast 30 Prozent Frauen) nahmen das Haus Sankt Martin als so etwas wie ein „Zuhause auf Zeit“, in welchem es günstiges Frühstück und zweimal die Woche ein warmes Mittagessen gibt, sowie saubere Betten, Duschen, eine Waschmaschine und in den letzten Jahren sogar ein PC-Arbeitsplatz zu Verfügung stehen, gerne in Anspruch.

Für eine Einrichtung des Caritasverbandes Main-Taunus e.V. gehört es dazu, dass ein Fest mit einem geistlichen Impuls eröffnet wird. Bezirksdekan Klaus Waldeck sprach vom Haus Sankt Martin als einem „guten Ort für Obdachlose“, in dem der Mensch als Mensch gesehen wird und in dem es selbstverständlich ist, für seine Gäste Lobbyarbeit zu betreiben. „Hier herrscht eine grundsätzliche Offenheit den Menschen gegenüber, das ist eine Geschichte von Menschen, die auch vor Gott zählt“, resümierte er.

Als Vorstand des Caritasverbandes Main-Taunus e.V. begrüßte Torsten Gunnemann die Festgäste. Nach einem Rückblick auf die Besonderheiten in der 20-jährigen Geschichte des Hauses Sankt Martin, stellte er fest, dass die Einrichtung von Beginn an so konzipiert war, dass es den wohnsitzlosen Gästen hier möglich war, ihre „Rastlosigkeit“ auch einmal hinter sich zu lassen. „Dieser Rahmen hier begünstigt die Beratungsprozesse von Wohnungslosen und ihre Bereitschaft, zum Beispiel über das Angebot des Betreuten Wohnens, neue Perspektiven zu entwickeln,“ stellte er fest. Gunnemann bedankte sich bei allen Freundinnen und Freunden des Hauses Sankt Martin, den Förderern und Spendern, den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern der letzten zwanzig Jahre. „Ein großes Dankeschön an den Main-Taunus-Kreis, insbesondere Ihnen Herr Landrat Michael Cyriax, dem Kreisbeigeordneten Johannes Baron, dem Leiter des Amtes für Arbeit und Soziales, Frank Neugebauer sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für die jahrelange gute und konstruktive Zusammenarbeit. Wir danken auch der Kurt-Graulich-Stiftung und der Main-Taunus-Stiftung, die das Haus Sankt Martin immer wieder unterstützt haben. Unser Dank gilt auch Bürgermeister Klaus Schindling und Karl Heinz Spengler als zuständigem Stadtrat, dem Magistrat, der Stadtverwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Hattersheim, die unserer Wohnungsloseneinrichtung eine Heimat gegeben haben. Persönlich möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedanken: Anne Domachowski-Schneider, Stefanie Eichler, Ekatarina Herber, Christoph Müller, Tanja Kupfer, Oliver Wahl und Canan Yesilbas und selbstverständlich auch bei Einrichtungsleiter Klaus Störch. Die Facheinrichtung für Wohnungslose wird überall eng mit seinem Namen verbunden, was eine Auszeichnung für die geleistete Arbeit ist.“

Michael Cyriax, der Landrat des Main-Taunus-Kreises, erinnerte daran, dass es keine „schnelle Lösung“ für ein „jahrhundertealtes Problem“ geben könne. „Aber wir übernehmen in diesen fordernden Zeiten alle große Anstrengungen, auch den Flüchtlingen, die ja auch als 'Obdachlose' zu uns kommen, ein Zuhause zu geben.“ Cyriax wünscht sich Perspektiven für alle: „Aber das kann man nur gemeinsam schaffen“, ist er sicher. Er wünschte dem Haus Sankt Martin auch weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit. Um einen direkten Beitrag dazu zu leisten, übergab er einen Scheck vom MTK.

„Die Stadt ist froh und stolz, dass es das Haus Sankt Martin hier gibt“, erklärte Klaus Schindling, der Bürgermeister von Hattersheim, „es ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Stadt geworden und wird auch weiterhin von uns unterstützt werden.“ Er wies darauf hin, dass es „nicht der Anzug, sondern immer der Mensch“ ist, der zählt. „Wir sind gehalten nicht einzeln, sondern in einer bunten Gemeinschaft zu leben“, findet Schindling.

In Vertretung von Pfarrer Klee war Diakon Jürgen Rottloff von der Kirchengemeinde Sankt Martinus zum Festkommers gekommen. Er gratulierte dem Haus Sankt Martin für die geleistete Arbeit und wünscht ihm weiterhin viel Engagement. „Die Kirchengemeinde unterstützt die Einrichtung finanziell und auch mit Ehrenamtlichen, es ist ein gutes und unkompliziertes Miteinander“, lobte er gerne.

Als Vertreter des Schwesterverbandes AWO lobte Gerhard Mantel (er ist Aufsichtsratsmitglied der AWO Main-Taunus) die nun schon sehr lange und gute Zusammenarbeit der beiden Wohlfahrtsverbände vor Ort. „Wir geben Klaus Störch immer gerne die Gelegenheit, auf Veranstaltungen der AWO auf das Haus Sankt Martin hinzuweisen“, erklärte er, was auch oft zu direkten Spenden der AWO-Mitglieder an die Einrichtung führt. „Das sind keine Spenden von einem Verband zum anderen“, stellte er klar, „sondern unsere Mitglieder spenden ganz persönlich sehr gerne für Dinge, die die Menschen hier im Haus Sankt Martin tatsächlich brauchen – und seien es gerade Unterhosen oder Socken. Zu wissen, dass ihre Spenden auch tatsächlich für den benannten Zweck gebraucht werden, gibt ihnen ein gutes Gefühl.“

Als abschließender Redebeitrag stand ein Impulsreferat von Jessica Magnus, der Referentin Soziale Sicherung des Diözesancaritasverbandes für das Bistum Limburg auf der Tagesordnung, der unter der Überschrift „Herausforderungen an die Wohnungsnotfallhilfe“ stand. Bevor sie sich aber mit den „Herausforderungen“ beschäftigte, stellte sie eine Frage an die Gäste, über die auch der eine oder die andere schon mal nachgedacht haben mag: „Warum ist die Unterbringung von Obdachlosen in den Kommunen eigentlich eine Aufgabe der Ordnungsämter? Stellen diese Menschen denn grundsätzlich eine Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung dar?“ Die Antwort ist so einfach wie kompliziert – zunächst einmal: natürlich nicht. Aber mit einem Leben ohne Wohnung und auf der Straße wird die im Artikel 1 unseres Grundgesetztes garantierte Würde eines Menschen angegriffen. Davor haben die Ordnungsämter diese Menschen zu bewahren.

Neben den Redner*innen waren unter den Festbesuchern unter anderem auch Georg Reuter, der Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Hattersheim und Norbert Altenkamp (MdB). Auch Pfarrer Franz Lomberg, der vor 20 Jahren die Einrichtung mit eröffnete und segnete, hatte es sich nicht nehmen lassen, mitzufeiern. Musikalisch wurde die Veranstaltung von Chris Savage wunderbar begleitet.

Das Haus Sankt Martin und Klaus Störch sind wohlbekannt dafür, dafür einzutreten, dass der kulturelle Lebensaspekt auch für armutsbetroffene Menschen eine Rolle spielen soll. Deshalb gibt es eine ganz besondere „Festschrift“ zum 20-jährigen Jubiläum der Facheinrichtung am Autoberg. Gemeinsam mit regelmäßigen Besucher*innen hatten der Hofheimer Künstler und Fotograf Erhard Scherfer und der Einrichtungsleiter eine Fotoausstellung mit dem Titel „Mein Leben – so anders“ gestaltet. Zu dieser Ausstellung wurde ein Bildband mit ausdruckstarken Porträtfotografien sowie beeindruckenden Interviews, die eine ganz neue Perspektive auf wohnungslose, ehemals wohnungslose und armutsbetroffene Männer und Frauen vermitteln, erstellt. In den Fotografien und den geführten Gesprächen zeigen sich die Empathie, die Haltung und das Selbstverständnis des Caritasverbandes Main-Taunus und der Hattersheimer Facheinrichtung: „Der Mensch steht im Mittelpunkt.“ Gegen eine Spende kann man das Buch im Haus Sankt Martin erhalten.

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