Mit Hölderlin auf dem Main

Literarische Schifffahrt: Lesung mit Ursula Illert – Im nächsten Jahr vielleicht mit Musik

Ursula Illert las bei der „Literarischen Schiffahrt“ mit der Fähre Walter Kolb auf dem Main spannende und humorige Texte, die den Zuhörinnen und Zuhörern viel Spaß machten.
(Fotos: A. Kreusch)

 

OKRIFTEL (ak) – Im Rahmen der Reihe GartenRheinMain der KulturRegion FrankfurtRheinMain veranstaltete das Kulturforum Hattersheim in diesem Jahr zum ersten Mal eine „Literarische Schifffahrt“.

„Als wir uns im letzten Jahr hier unter den Pavillons trafen, um Jochen Nix zuzuhören, der aus Texten von Robert Gernhardt vorlas, da habe ich in meiner Begrüßung gesagt, näher an den Fluss kommen wir nicht“, strahlte Ute Gillmann, die im KulturForum die Projekte für die KulturRegion betreut, „aber zu Hause habe ich mir dann noch mal Gedanken gemacht, und da ist mir eingefallen: Es gibt doch die Fähre Walter Kolb!“ Und nach einem Anruf beim Kapitän der Walter Kolb, Sven Junghans, stand bald fest: Das Hattersheimer KulturForum kann durchaus auch eine Veranstaltung AUF dem Main anbieten.

Und wer könnte zu solche einer besonderen Veranstaltung besser passen als die Hattersheim erprobte und dort immer wieder gerne gesehene und gehörte Schauspielerin und Sprecherin Ursula Illert, die schon in Hattersheimer Gärten und auf Dachterrassen über der Stadt die Zuhörer gefesselt hat. „Also ich finde es hier wunderbar“, begeisterte sich Ursula Illert, gleich nachdem die Walter Kolb am Okrifteler Wäldchen abgelegt hatte und einem weißen Passagierschiff begegnete, „viel schöner als auf so einem großen Schiff. Das ist ein sehr schönes Boot hier – das finden Sie auch, gell?“, fragte sie ihre Zuhörerinnen und Zuhörer und erhielt ein vielstimmig lautes „Ja!“ zur Antwort. „Und jetzt winken wir dem anderen Schiff alle einmal“, forderte sie lachend auf – von so vielen gut gelaunten Menschen „angewinkt“, konnte der entgegen kommende Schiffsführer wohl gar nicht anders, als zurück winken. Während die kleine literarische Gesellschaft zunächst Richtung Kelsterbach dahinschipperte, hörte sie vom „Fluss des Lebens“, eine Geschichte einer unbekannten Autorin über den Neckar. Das Hölderlin-Gedicht „Der Main“ wurde von Ursula Illert kurzerhand um einen Vers, in dem „im Wald die Säge waltet“ erweitert – war doch gerade am Kelsterbacher Ufer das Kreischen dieses Werkzeuges zu hören. „Das war gut getimet!“, lachten die Zuhörerinnen und Zuhörer, aber einer fragte auch: „Steht das wirklich so da drin?“

Auf dem Main dahingleitend konnte sich die Bootsgesellschaft mit Hilfe der Stimme von Ursula Illert in die frühlingshafte Ägäis träumen, und die Schilderungen von Ringelnatz‘ Landschaft an der Alten Elster ließen „unermesslich grüne Wiesen“ vor ihrem inneren Auge erscheinen, während sie auf die Kelsterbacher Kirche, den Ginnheimer „Spargel“ und den weit entfernten Feldberg zusteuerten – das alles war nämlich in Fahrtrichtung in einem Bild vereint. 

Zum Schiffe schnitzenden Sänger „Väinämöinen“ aus dem finnischen Nationalepos Kalevala entführte Ursula Illert ihre Zuhörer dann, bevor sie mit Hermann Hesses „Wallfahrer“-Lied „Von Vögeln gesungen“ zum Lachen brachte: „Die Woge wogt, es wallt die Quelle. Es wallt die Qualle in der Welle. Wir aber wallen durch die Welt, weil nur das Wallen uns gefällt. Wir tuns nicht, weil wir wallen sollen, wir tun es, weil wir wallen wollen.“ Selbstverständlich ließ Ursula Iller aber auch den Frankfurter schlechthin, Friedrich Stoltze, zu Wort kommen, der „schon von seim Großvadder mit de Nas uff den Glanz und die Größ von Frankford gestumpt worn“ ist und der wusste, wenn er „de Maa nunner guckt“: „Des is alles frankforderisch!“

Nachdem die Walter Kolb gedreht hatte und wieder Richtung Mainmündung an der Flussseite von Hattersheim entlang tuckerte, bewies Ursula Illert erneut ihre unvergleichliche Art, Märchen zu erzählen. Nein, nicht einfach die von den Brüdern Grimm, sondern ganz „spezielle“ Märchen etwa von Heinz Erhardt und Joachim Ringelnatz. Auch die Geschichte der beiden Schwestern von Wilhelm Busch und die Froschkönig-Version von Janosch erfreuten die Schiffsgesellschaft sehr. 

Trotz der interessanten Aussichten und Ansichten vom Fluss aus konnte Ursula Illert immer wieder die Aufmerksamkeit auf ihre Geschichten und Texte lenken – die „Begegnung an den Abfalltonnen“ war eben sehr spannend geschrieben und wurde auch sehr fesselnd vorgetragen, Wilhelm Busch, Heinz Erhardt und Joachim Ringelnatz konnten immer wieder verblüffen und zum Lachen verleiten, Sätze wie „Wer einen guten Braten macht, hat auch ein gutes Herz“, „Das beste Essen ist immer noch das Trinken“ oder „Alles im Leben geht natürlich zu – nur die Hose, die geht natürlich nicht zu!“ verlieren eben irgendwie nie ihre Gültigkeit. 
Mit dem Satz: „Jetzt bin ich in einem Alter, in dem ich mich selbst Seniorin nenne – und ich muss ihnen sagen, auch die Spiegel sind nicht mehr das, was sie mal waren“, leitete Ursula Illert zum Abschluss der Fahrt eine kleine Reihe von heiter-philosophischen Betrachtungen zum Älter werden und zum Erinnern ein. Da konnte noch mal herzhaft gelacht werden, etwa weil der, der stolz von sich behauptet, er würde „noch nichts“ vergessen, weil er einen „Hirntee“ nach dem Rezept einer Zigeunerin trinkt: „Die Dings-Blumen sind‘s – die Dings… Wie heißen die jetzt gleich? Ja, die Dings muss man reiben – oder pressen? Verflucht, jetzt hab ich das Rezept vergessen!“ Bei der Geschichte, in der es schließlich um den Mai-Mond im Spätherbst ging, fanden sich wohl einige Zuhörerinnen und Zuhörer beim eigenen Gespräch mit ihrem Liebsten liebevoll geschildert, es wurde viel geschmunzelt bei dem Satz: „Es wärmt mein Herz, wie gut du dich erinnerst!“

An die „Literarische Schifffahrt“ werden sich die Teilnehmer sicher sehr gerne immer wieder erinnern. Und weil die Veranstaltung so ein Erfolg war, versprach Ute Gillmann, auch für das nächste Jahr wieder solche eine Fahrt auf der Walter Kolb zu planen. „Vielleicht dann einmal mit Musik, das wäre sicher auch schön und gemütlich hier auf dem Main“, hatte sie dabei im Kopf. Aber auch bei einer weiteren Fahrt mit Ursula Illert wären die Plätze auf der Fähre sicher wieder voll ausgebucht. 

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