Die Pandemie und der Tod

Über die vielfältigen und herausfordernden Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bestattungsbranche

Urnenbestattungen lagen schon vor der Pandemie zunehmend im Trend. Während der ersten Welle im Frühjahr 2020 wurde die zweimonatige Bestattungsfrist häufiger ausgereizt.

Über die vielfältigen und herausfordernden Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bestattungsbranche

Die Corona-Pandemie stellt insbesondere die Bestatterbranche vor besondere Herausforderungen. Seit März 2020 befinden sich die Verordnungen und Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in einem stetigen Fluss. Diese Vorgaben gilt es zu erfüllen; Flexibilität, Organisationstalent und Zuverlässigkeit sind derzeit in einem außergewöhnlich hohen Maße gefragt.

Steigende Corona-Todesfallzahlen

Carsten Pauly vom Ersten Hattersheimer Beerdigungsinstitut Gerhard Hanke e.K. konnte im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme an Sterbefällen verzeichnen, das Auftragsvolumen stieg 2020 um stolze 45 Prozent. „Das ist ein riesiger zeitlicher Posten, der alle belastet“, so Pauly.

Ähnliches berichtet Markus Caspari von der Pietät Caspari, Hattersheim: Insbesondere seit November machen sich dort die steigenden Todeszahlen bemerkbar, vor allem aus Krankenhäusern und Altenheimen.

Reiner Wolf vom Flörsheimer Bestattungsinstitut Philipp Wolf Inh. Angelika Woller hatte bereits im März den ersten Corona-Todesfall zu verzeichnen. Letztendlich waren es dann, im Laufe des vergangenen Jahres, zehn Corona-Fälle bei insgesamt 165 Aufträgen. „Das sind schon ein paar Prozent“, resümiert Woller. Dennoch hatte er 2019 insgesamt mehr Todesfälle zu bearbeiten. Einen Grund hierfür vermutet Woller in der allgemeinen Entschleunigung durch Verordnungen und Lockdowns: Seinem Eindruck nach gab es im vergangenen Jahr weniger stressbedingte Herzinfarkte.

Einhaltung von Abständen

In den „Auslegungshinweisen zur Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte und des Betriebs von Einrichtungen und Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie“ vom 16. Dezember 2020, wird in Bezug auf Zusammenkünfte wie zum Beispiel Bestattungen festgelegt, dass diese nur durchgeführt werden dürfen, wenn ein „Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen eingehalten werden kann, sofern keine geeigneten Trennvorrichtungen vorhanden“ sind. Der Veranstalter - hier der Bestatter - muss gewährleisten, dass die räumlichen Gegebenheiten ein entsprechendes Abstandhalten auch möglich machen. Gestattet ist ein Unterschreiten des Mindestabstands nur für kürzeste Momente, wie beispielsweise beim Passieren einer sitzenden Person.

Entsprechend müssen die Trauerhallen ausgestaltet werden, um die Einhaltung dieser Regeln zu gewährleisten. Sitzplätze müssen weit genug auseinander stehen. Das kann im Härtefall bedeuten, dass zum Beispiel eine Witwe während der Trauerfeier alleine sitzen muss, ohne eine familiäre Stütze in unmittelbarer Nähe. Konstellationen wie diese machen Trauerfeiern während einer Pandemie leider oftmals besonders tragisch. Das gemeinsame Trauern wird erschwert, man kann sich schlechter als sonst gegenseitig eine Stütze sein.

Natürlich fällt es während einer Ausnahmesituation wie dem Abschiednehmen von einem geliebten Menschen besonders schwer, sich diszipliniert und nüchtern an Verhaltensregeln zu halten. Die Bestatter sind aufgefordert, die Einhaltung der Mindestabstände zu überwachen und durchzusetzen. Auch am Grab, wo die Emotionen am stärksten sind.

Carsten Pauly hält dies für sehr problematisch, denn es muss im Einzelfall auch immer damit gerechnet werden, dass weitere Gäste unangekündigt zur Trauerfeier hinzustoßen. Nicht zuletzt um für derartige Eventualitäten gewappnet zu sein, schickt das Erste Hattersheimer Beerdigungsinstitut Gerhard Hanke derzeit immer einen zusätzlichen Mitarbeiter zu Beerdigungen. Und selbst dieser ist letztendlich auf die Einsicht und den Kooperationswillen der Trauergäste angewiesen. „Wir können nicht mehr tun als bitten“, stellt Pauly fest. Deshalb wünscht er sich mehr Unterstützung durch die Kommunen bei der Durchsetzung der Verordnungen.

Auch Bestattungen Christ und Sohn aus Kriftel legt den Anwesenden bei Trauerfeiern derzeit besondere Verhaltensweisen und Umgangsformen ans Herz. Schon auf der Homepage bittet man um das Einhalten des Abstands untereinander und die Vermeidung von Körperkontakt. Man ersucht die Trauergäste, vom Kondolieren mit der Hand oder durch Umarmungen abzusehen und seine Anteilnahme statt dessen mit Blicken, Gesten oder Worten zu äußern.

Für Markus Caspari ist vor allem entscheidend, wie das Vorgespräch mit den Trauernden abläuft. Hier kann klar kommuniziert werden, was erlaubt und was verboten ist. So kann man bestenfalls den Verlauf der Trauerfeier schon frühzeitig in die richtigen Bahnen lenken, und mit dieser Vorgehensweise hat er bislang gute Erfahrungen gesammelt.

Anwesenheitsliste und Kondolenzbuch

Auch bürokratische Hürden sind in diesen Monaten zu meistern. Die aktuellen Corona-Verordnungen fordern die Erfassung von Name, Anschrift und Telefonnummer aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zeremonie, damit im Falle der Infektion eines Anwesenden im Nachgang die anderen Gäste nachverfolgt werden können.

Zusätzlich besagt die Verordnung, dass „keine Gegenstände zwischen Personen, die nicht einem gemeinsamen Hausstand angehören, entgegengenommen und anschließend weitergereicht werden“ dürfen - das betrifft natürlich auch die Schreibutensilien, die zum Eintrag in die Anwesenheitsliste als auch ins Kondolenzbuch gebraucht werden.

Das Team von Bestattungen Christ und Sohn bietet an, die Daten der Gäste selbst in die ausliegenden Listen einzutragen. Ansonsten werden die Trauernden gebeten, eigene Stifte zu verwenden. Gerne stellt der Krifteler Bestatter aber auch Schreibmaterial zur Verfügung.

Philipp Wolf zieht es aus datenschutzrechtlichen Überlegungen heraus lieber vor, jeden Gast ein eigenes Formular ausfüllen zu lassen und diese Zettel dann zu stapeln - so wird verhindert, dass für die Dauer der Trauerfeier für jeden ersichtlich eine vollständige Anwesensliste ausliegt.

Sicherheit für Bestatter

Ein weiteres besonders wichtiges Thema für Bestatter ist in diesen Zeiten der Pandemie der Selbstschutz. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) existieren keine Daten zur Ansteckungsgefahr von COVID-19-Verstorbenen. „Aus diesem Grund muss ein infizierter Verstorbener als ansteckend angesehen werden“, heißt es seitens des RKI folgerichtig. Auf der Todesbescheinigung muss auf die SARS-CoV-2-Infektionsgefahr hingewiesen werden, und grundsätzlich müssen beim Umgang mit COVID-19-Verstorbenen die Maßnahmen der Basishygiene eingehalten werden.

Carsten Pauly sieht für seine Mitarbeiter nur eine geringe Ansteckungsgefahr durch infektiöse Leichname, sofern die Vorschriften eingehalten werden. Derartige Regularien gab es schon vor der Pandemie, die Umsetzung ist derzeit nur häufiger also sonst gefragt, weil es mehr potenziell infektiöse Verstorbene gibt.

In der Praxis bedeutet dies bei direktem Kontakt mit dem Leichnam: Das Ergreifen von sogenannten „Barrieremaßnahmen“, also Einmalhandschuhe tragen, ebenso Schürze und Schutzkittel. Sofern ein Risiko besteht, dass Körperflüssigkeiten oder Sekrete freigesetzt werden, ist zusätzlich ein Schutz für Mund-Nase sowie für die Augen zu tragen. Und das ist insbesondere bei COVID-19 der Fall: „Der Körper selbst ist nicht ansteckend - aber der Lungeninhalt“, gibt Reiner Woller zu bedenken. Händehygiene, Flächendesinfektion, Abwasser- und Abfallentsorgung sind wie bei anderen infektiösen Verstorbenen zu handhaben. Zusätzlich empfiehlt das RKI auf den Einsatz von Mitarbeitern, die einer Risikogruppe angehören, zu verzichten.

Die immer noch unterschätzte Pandemie

Von dauerhaften Veränderungen, die durch die Pandemie ausgelöst wurden, geht man in der Branche aktuell kaum aus. Einen Trend hin zu Feuerbestattungen gab es schon lange vor der Pandemie. Im Frühjahr 2020 wurde dort die zweimonatige Bestattungsfrist häufiger ausgereizt, in der Hoffnung, dann eine normalere Trauerfeier abhalten zu können. Diese Nachfrage hat sich nach der ersten Welle zwischen März und Mai wieder gelegt, berichtet Markus Caspari.

In Flörsheim gut angekommen sind Reiner Woller zufolge Trauerfeiern im Freien, auf der Wiese am Andachtsplatz. Ob aus dieser momentanen Notlösung eine dauerhafte Option wird, muss jedoch die Lokalpolitik noch entscheiden.

Carsten Pauly hält es für möglich, dass über die Corona-Krise hinaus Trauerfeiern in einem kleineren Rahmen grundsätzlich populärer werden könnten. Zudem hält er es für wichtig, dass die Menschen landläufig erkennen, wie dramatisch und gefährlich die aktuelle Pandemiesituation tatsächlich ist: „Das ist immer noch nicht bei den Leuten angekommen“, stellt er besorgt fest.

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