Geographie-Professor Karl-Josef Sabel bezeichnete sich selbst zu Anfang seines Referats schmunzelnd als „Westerwälder mit kleinbäuerlichem Migrationshintergrund“, der sich – vielleicht weil diese in seiner Jugend für seine Familie so eine große Rolle gespielt hätten – am liebsten mit „Böden“ beschäftigt. Eine „Schwäche“ hat er dabei für die sehr fruchtbaren Lössböden – warum für ihn daher gerade das Rhein-Main-Gebiet besonders interessant ist, sollte sich im Verlauf des Vortrags zeigen.
Zunächst aber waren die Zuhörer erst einmal in Gedanken bei der „schweren Geburt“ des Rheinischen Schiefergebirges dabei, als sich vor Millionen von Jahren die Ur-Kontinente Laurasia und Gondwana bewegten. Das hatten kleinere, „inselähnliche Kontinente“ des Erdaltertums bewirkt, die sich aus den kälteren Bereichen der Erde („denen ist es wohl da zu kalt geworden“) in Bewegung setzten, auf Laurasia prallten und damit den schmalen Meeresarm zwischen den beiden großen damaligen Kontinenten zusammenpressten. Dabei kamen so gepresste tonige Ablagerungen in die Höhe, wurden unter dem hohen Druck zu Schiefer, Kies wurde zu Quarzit. Das Rheinische Schiefergebirge hatte zunächst etwa die gleichen Dimensionen wie heute die Alpen. „Frühkindliche Probleme“ führten nach Prof. Sabel in der Folge dazu, dass eine „Scholle“ des so emporgehobenen Gebirges wieder einbrach – eine riesige Tiefebene entstand, in der sich Abtragungen aus dem neu entstandenen Gebirge ablagerten und im damaligen tropischen Klima durch die Verwitterung von Eisen ein rotes Sediment bildeten. „Rotliegend“ ist daher nicht als Farbe, sondern als eine Altersbezeichnung für eine Bodenschicht ein Begriff in der Wissenschaft. Wenn man von Hofheim nach Lorsbach spaziert, kann man dort noch grobe „Rotliegend“-Steine entdecken, in der Grube Messel ist diese Gesteinsschicht fein zerrieben zu sehen.
Nach diesen Umgestaltungen im Erdaltertum geschah „in unserer Gegend“ dann lange Zeit nichts Aufregendes – im Erdmittelalter war die Landschaft „einfach nur Festland“, in dem „nicht viel passierte“: Sandsteine und Tone sind abgelagert worden, in der „Buntsandsteinzeit“ entstanden Wüsten. Erst nachdem sich die großen Kontinente wieder in verschiedene Platten trennten und dabei (in ähnlicher Weise wie vorher das Rheinische Schiefergebirge) der Himalaya und die Alpen aufgefaltet wurden, gab es in unserer Gegend „neue Gebrechen“: ein Bruchsystem bildete sich, der sogenannte „Oberrheingraben“, der keineswegs vom Rhein geschaffen wurde, sondern „unterirdisch“ bis an den Taunuskamm, den Vogelsberg, das Kassler Becken und den Leinetalgraben verläuft und erst nördlich von Oslo endet. Es wird davon ausgegangen, dass ein riesiger unterirdischer Lavapilz Erdschichten rechts und links angehoben und so zu den Brüchen geführt hat, dabei sind etwa die Vogesen und der Schwarzwald entstanden, dazwischen hat sich eine Senke gebildet. In der dadurch entstande-nen, „völlig zerrütteten“ Landschaft vieler einzelner „Schollen“, die sich auch heute noch bewegen und aneinander vorbei gleiten, liegt die Ursache für die relativ häufigen Erdbeben in unserer Gegend, die durch die Spannungen zwischen den Schollen verursacht werden. Dass die Häufung von Mineral-, Heil- und gar Thermalquellen, welche in unserer Gegend Wasser aus großer Tiefe heraufbringen, daran liegt, dass eben hier die Ränder (diese Erhebungen werden als „Horst“ bezeichnet) dieser Verwerfungen liegen, war für die Zuhörer sehr interessant.
Zum Amüsement und Erstaunen der Zuhörer zeigte Prof. Sabel nicht nur „Bilder“ vom tropischen Vordertaunus vor der ersten Eiszeit, sondern auch tatsächliche Fotografien, auf denen man die großen Ebenen des Erdmittelalters auch heute noch erkennen kann – etwa wenn man sich die inzwischen entstandenen Täler zwischen den Erhebungen des Vordertaunus einfach wegdenkt.
Als „Taufpate des oberflächennahen Gesteins“ werden die Eiszeiten bezeichnet. In solchen Zeiten gab es bis 200 Meter Tiefenfrost, die Niederschläge fielen alle als Schnee, in den darauffolgenden „Schmelzzeiten“ wurden die Flüsse zu „Rabauken“, die riesige Mengen Kies bewegten und damit „Flußtreppungen“ schufen. Die älteste Treppung des Mains kann man heute noch bei Diedenbergen entdecken, in Weilbach findet man die viertälteste, in Eddersheim die sechstälteste, unter dem heutigen Flussbett die siebtälteste. Wenn man nun weiß, dass bei Weilbach ein sogenannter „Horst“ liegt, der auf den sogenannten „Hattersheimer Graben“ hinunterschaut, dann hat man eine Erklärung dafür, warum im „Graben“ solch mächtige Kieskörper angesammelt wurden, während „oben auf dem Horst“ kein Kies zu finden ist. Von Flörsheim bis nach Hofheim kann man am Rande des „Horstes“ spazieren. Beim Transport der gewaltigen Schotter- und Kiesmengen durch die Flüsse in den Eiszeiten, entstand durch das staubfeine „Abrunden“ der aneinander reibenden Gesteine der Boden, der das Rhein-Main-Gebiet an sehr vielen Stellen heute so fruchtbar macht: der Löss. Mit seiner Hilfe konnte man inzwischen bestimmen (und zwar in einer Lössgrube in Bad Soden!), wie viele Eiszeiten es auf der Erde gab. Löss ist ein Boden mit „phänomenalen Eigenschaften“, der nicht nur Nährstoffe aufnehmen (tropische Tonböden, wie sie heute in Afrika größtenteils vorkommen, können das nicht!), sondern sie auch wieder an Pflanzen abgeben kann. In den Mittelgebirgen ist dieser Löss durch die „Solifluktion“ (das eiszeitliche Bodenfließen) zum größten Teil abgespült worden, aber etwa im Rheingau, im Untermaingebiet, im Goldenen Grund und auch im Dieburger Becken hat er sich gesammelt und die Gegenden dort zu überaus fruchtbaren gemacht.
Auch die Flugasche des letzten großen Vulkanausbruchs („der war gewaltig – ich habe gehört, der Flugverkehr wurde damals ein halbes Jahr eingestellt!“), dessen Krater heute den Laacher See bildet, ist als „Tuffgestein“ im Taunus und in Eltville zu finden.
Als die „Quälgeister der Erde“ bezeichnete Professor Sabel die Dinge, die heute zu Bodenverlusten führen: dazu gehören Abtrag und Erosion, die zum Beispiel in unserer Zeit durch zu große Wingerte aber auch riesige Maisfelder ein leichtes Spiel haben; Bodenbelastung und Vergiftung treten durch die Bewegung der Gifte mit der Luft häufig an Stellen verstärkt auf, die weit weg von den eigentlichen, durch die Industrie geschaffenen Ursachen liegen; Bodenverdichtung durch immer größere Maschinen und falsche Geräte macht es einigen Pflanzen an manchen Stellen (etwa im Wald) unmöglich, Erde mit ihren Wurzeln zu durchdringen – da hilft es leider auch nicht, scherzhaft darauf hinzuweisen, dass die ganze Erde in einigen Jahren vielleicht 30 Zentimeter „flacher“ sein wird, es werden Lösungen dafür gefunden werden müssen. Zu guter Letzt ist die Bebauung und Zersiedelung ein großer „Quälgeist“, auch in unserer Gegend werden auch die besten Böden einfach bebaut.
Wie die Eiszeit unsere Landschaft geprägt hat, können Interessierte bei einer Fahrrad-Entdeckungstour mit Prof. Karl-Josef Sabel, die am 14. April um 13.30 Uhr am Naturschutzhaus in Weilbach beginnt, ganz hautnah erleben. Die 14 Kilometer lange Strecke wird durch das Main-Taunus-Vorland und seine „eigene Geschichte“ führen.
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