Für die diversen „Baustellen“ der Stadtentwicklung in Hochheim hat die Verwaltung rund 100 Einzelmaßnahmen zusammengetragen, wurde im Laufe des Vortrags klar. „Uns wird es nicht langweilig werden, es gibt viel zu tun“, sagte er. „Aber es ist auch schon eine Menge passiert.“ Ein Stadtplaner hat es nicht leicht. Am Schreibtisch entwirft er in der Regel seine Ideen, aber sportlich muss er auch sein, denn nicht weniger als ein Spagat wird von ihm erwartet. „Die heutigen Bedürfnisse müssen befriedigt werden, aber gleichzeitig sind für das Jahr 2100 Optionen offen zu halten“, umschreibt Jakob-Landmesser die Aufgabe der Verwaltung. Die Gründer Hochheims hatten vor 1200 Jahren vor allem einen Grund, dort und nicht in der näheren Umgebung die ersten Behausungen zu errichten. Es war ein geschützter, übersichtlicher Standort, daher gut zu verteidigen, schön auf einem Hügelchen um sich keine Sorgen wegen Hochwasser machen zu müssen. Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die heutige Kernstadt entwickelte, gab es plötzlich neben der Altstadt mit seiner über 1000-jährigen Geschichte nördlich davon eine ganz andere bauliche Situation. Erneut habe Hochheim dann in den vergangenen 50 Jahren „eine enorme Entwicklung“ erfahren, schilderte der Stadtplaner.
Doch alles Neue reihte sich in Hochheim stets an das Alte an. Für die heutigen Planungen schränken sich die Möglichkeiten ein, weil die Stadt im Prinzip nur aus einem geschlossenen Stadtgebiet besteht, während andere Städte sich aus mehreren Stadtteilen zusammensetzten. „Wir haben nur Massenheim, ansonsten ist hier alles sehr kompakt gebaut.“ Und wenn sich mal etwas Neues zu entwickeln begann, wie in den 1970er-Jahren die heute zu Hochheim gehörende Gartenstadt vor den Toren Massenheims, dann blieb es bei solchen Ansätzen. Und nun müssen Hochheim-Enthusiasten ganz stark sein, denn Jakob-Landmesser kennt einige Faktoren, die die Zukunftsfähigkeit der Stadt nicht gerade positiv beeinflussen. „Wir haben hier viel Lärm, eine niedrige Arbeitsplatzausstattung, eine überalterte Bevölkerung, sowie wenige und oft unattraktive Grünflächen“, zählte er auf. In Massenheim und der Südstadt komme eine schlechte Infrastruktur hinzu. Und, der Neuzugang im Katalog der Attraktivitätskriterien, „nicht überall gibt es eine Breitbandversorgung.“ So stand fast zu befürchten, dass Jakob-Landmesser nun auf die nahe Autobahn als wichtigstes Angebot Hochheims hinweisen würde. Das sparte er sich dann doch und gab den Blick frei auf die bauliche Situation in der Stadt. Die schubweise Entwicklung, zuletzt durch den hohen Bedarf an neuem Wohnraum nach dem II. Weltkrieg angestoßen, brachte auch ein sehr heterogenes Bild der baulichen Struktur mit sich. Der Geschosswohnungsbau jener Jahre wich in den jüngsten Jahrzehnten dann dem Ein- und Zweifamilienhaus. Die Hofreite als einstmals regionaltypische Bauform „passt nicht in die heutigen Baugebiete“, die damit keinerlei Lokalkolorit erhalten und austauschbar werden. Soweit die ausgeprägte Problemlage. Was sollte Hochheim tun beim Blick nach vorne, immer den demographischen Wandel fest im Hinterkopf? Jakob-Landmesser gab Ziele vor, deren Umsetzung teilweise und naturgemäß lediglich nach und nach eingeflochten werden könnte:
-Die städtebauliche Struktur sollte ausgewogener werden, das heißt die Versorgungsangebote gleichmäßiger über die Stadt zu verteilen. Eine Stadt tut zudem gut daran, auf die soziale Durchmischung ihrer Wohngebiete zu achten, also weder Reichen- noch Armengettos entstehen zu lassen. Hier, sagt Jakob-Landmesser, sei Hochheim aber sehr gut aufgestellt.
-Der Bevölkerungsrückgang soll aufgehalten werden. Auch hier ist die Stadt bereits sehr aktiv. Die 1100 Wohneinheiten, die derzeit bei den diversen Projekten in der Stadt entstehen könnten, seien „beeindruckend“.
-Als Reaktion auf die demographische Entwicklung muss Hochheim künftig mehr Seniorenheimplätze anbieten. Derzeit gebe es eine Unterversorgung von 50 bis 90 Betten.
-Die Altstadt sollte als Geschäftszentrum erhalten werden.
-Die Eigenständigkeit Massenheims gilt es zu stärken.
-Hochheim muss mehr Arbeitsplätze bereitstellen
-Der Landschaftsverbrauch muss gering gehalten werden, die Reserven sind gering.
-Auch soziale und ökologische Themen bestimmen die Lebensqualität einer Stadt. Das Klima, die Inklusion, Gesundheitsangebote und Maßnahmen zur Lärmminderung zählte Jakob-Landmesser auf.
Und all das gilt es durch die Kommunalpolitiker zu bearbeiten. Ein Puzzle mit nicht so einfach zusammenzufügenden Einzelteilen. Thema Inklusion: Ein Beispiel, wie etwas Großes zu tun angebracht wäre in Hochheim , aber wegen der enormen Kosten doch nur das Notwendigste geschehen kann, nannte Bürgermeisterin Angelika Munck. Die Barrierefreiheit des Bahnhofs herzustellen, habe die Verwaltung als Thema natürlich aufgenommen. „Da ist auch schon ganz viel gelaufen.“ Aber der komplette behindertengerechte Umbau des Bahnhofs sei auf rund 19 Millionen Euro taxiert worden, „ein riesen Bauwerk“, an das die Stadt auf absehbare Zeit nicht herangehen könne.
Auf manche Entwicklungen, die Auswirkungen auf die Attraktivität der Stadt haben, hat die lokale Politik keinen bedeutenden Einfluss und muss sich mit den Umständen schlicht arrangieren – etwa mit Vorgaben wie die lärmwertbedingte Siedlungsbeschränkung im Flächennutzungsplan für das südöstliche Stadtgebiet.
Inwieweit etwa der Fluglärm die Attraktivität Hochheims als Wohnort entscheidend beeinträchtigt, wird sich in Zahlen allerdings wohl nie eindeutig nachweisen lassen. Jakob-Landmesser hat den Eindruck, dass Hochheim durch die Nachbarschaft noch stärker betroffener Städte und Gemeinden nicht unbedingt ein Verlierer der Entwicklung am Himmel sein muss. „Es gibt Zuzug von Flörsheimern, die sagen, bei uns gehe es ja noch mit dem Fluglärm“, weiß der Stadtplaner. Wer hätte das gedacht?
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