Solidarische Verantwortung für Umweltschutz

Mitgliederversammlung des Hochheimer Weinbauvereins befasst sich mit herbizidfreier Bewirtschaftung

Der Vorstands des Weinbauvereins (v.l.): Gunter Künstler, Michael Bott, Martin Mitter, Johannes Wirschinger, Bastian Petry, Franz Michel, Josef Schäfer Nicht im Bild: Pia Rosenkranz, Thorsten Dienst, Fabian Schmidt.
(Foto: privat)

HOCHHEIM (pm) – Wie ein roter Faden zog sich das aktuelle Thema der solidarischen Verantwortung des Weinbaus für unsere Natur und für den nachhaltigen Umweltschutz durch die umfangreiche Tagesordnung der Jahres-Mitgliederversammlung in den voll besetzten Reihen im gastlichen Guts-Ausschank der Familie Martin Mitter. 

Nach Begrüßung durch den Vorsitzenden Franz Michel hat gleich zu Beginn Peter Seyffardt, Präsident des Rheingauer Weinbauverbands, anhand der von dem hessischen Umweltministerin herausgegeben Dokumentation die Erfolge der freiwilligen Zusammenarbeit zwischen der regionalen Wasserwirtschaft und der Rheingauer Winzerschaft mit dem Ziel der Reduzierung des Nitrat- und Schadstoffeintrags in den Boden und im Grundwasser vorgestellt. In der Dokumentation werden anhand wissenschaftlicher Untersuchungen die notwendige kontrollierte Düngung, die Begrünung und Bodenpflege, der Pflanzenschutz, die Abfallentsorgung und der ökologische Weinbau sowohl für Verbraucher als auch für verantwortliche Betriebsleiter behandelt.

Diese Einführung war eine optimale Steilvorlage für den anspruchsvollen wissenschaftlichen Fachvortag von Professor Hans-Peter Schwarz (Universität Geisenheim) über den „aktuellen Stand der herbizidfreien Bewirtschaftung von Rebflächen“. Mit sprühendem Temperament und anhand eigener praktischer Erfahrungen sowie wissenschaftlicher Untersuchungen beschreibt er die widersprüchlichen Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Konzepte für die möglichst Herbizid-freie Bewirtschaftung von Weinbergen anhand konkreter Beispiele: Verstärkter Maschineneinsatz zur Bodenbearbeitung führt zu Bodenverdichtungen und erhöhtem Schadstoffausstoß, flächendeckende Begrünung kann Trockenstress der Reben mit Geschmacksfehlern im Wein verursachen, notwendige mechanische Bodenlockerungen zur ungünstigen Zeit steigern die Nitrat-Aufnahme aus der Luft und damit die Belastung der Böden.

Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Konzepte für die Umwelt und für die Reben wirken sich je nach dem nicht vorhersehbaren Witterungsverlauf unterschiedlich aus. Es gibt keine Bewirtschaftung ohne Risiken, sondern der Betriebsleiter muss stets nach Witterung und nach guter fachlicher Praxis abwägen. Als Vision für die Zukunft berichtet der Referent zum Schluss über internationale Versuche zum Einsatz von Drohnen zum Pflanzenschutz aus der Luft ohne Umweltbelastungen.

Nach dem spannenden Grundsatzthema Umweltschutz haben die Vereinsmitglieder als in Hochheim aktuell heißes Thema die Probleme des Neubaus der gesamten Bahntrasse durch die Bundesbahn durch die wertvollsten Hochheimer Weinberglagen kritisch diskutiert. Schon bei den ersten Baumaßnahmen sei deutlich geworden, dass der einspurige, nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge angelegte Mainuferweg durch Be- und Entladung von Schwerlastfahrzeugen mit Baummaterialien und schweren Arbeitsgeräten häufig über längere Zeit blockiert wird. Damit sei der jederzeit je nach Witterung zwingend notwendige Zugang zu den anliegenden Weinbergen für den unverzichtbaren Pflanzenschutz bzw. für Vollernter während der Weinernte nicht mehr gesichert.

Auf Vorschlag des Vereinsvorstandes hat daher die Mitgliederversammlung einstimmig eine Eingabe an alle für die Bauplanung verantwortliche Stellen mit der Forderung beschlossen, eine durchgehende, jederzeit befahrbare und belastbare Parallelspur vor allem für den landwirtschaftlichen Verkehr anzulegen. Wie die betroffenen Anlieger schon wenige Tage später draußen entlang der Großbaustelle mit Befriedigung feststellen konnten, wurde von der Bundesbahn und den verantwortlichen Behörden die sachliche Notwendigkeit dieser Forderung anerkannt und auf großen Streckenabschnitten eine fachlich einwandfreie Parallelspur angelegt – ein gutes Zeichen für gemeinsame konstruktive Zusammenarbeit.

Wichtig für den Weinbau in den hochwertigen Rebflächen entlang des Mainufers wie beispielsweise in der international bekannten Spitzenlage „Königin Victoriaberg“ sind die notwendigen Pflegemaßnahmen im unmittelbar angrenzenden Naturschutzgebiet „Hochheimer Mainufer“. Hierzu konnte der Vorsitzende Franz Michel den Mitgliedern über einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen des Naturschutz und des Qualitätsweinbaus berichten, der Ende Dezember unter Leitung von Landrat Michael Cyriax in einem Ortstermin mit den zuständigen Naturschutzbehörden und den betroffenen Winzern erzielt wurde. Unmittelbarer Auslöser war die in ganz Mitteleuropa seuchenhafte Verbreitung der aus Japan eingeschleppten Kirchessigfliege, die in den letzten Jahren beispielsweise in Südtirol ganze Ernten von Obstplantagen und von roten Traubensorten durch Essigstich vernichtet hatte. Gefährliche Wirtspflanze sind die vor allem entlang des Mainufers wild wuchernden Brombeerfrüchte. Es konnte zwischen den Naturschutzbehörden und den Winzern ein konstruktives Einvernehmen über die nach dem amtlichen Pflegeplan der Naturschutzbehörden notwendigen Maßnahmen erzielt werden. Inzwischen wurden die vorgesehenen Pflegemaßnahmen einschließlich des Mulchens von Brombeer-Verwilderung durch zuständige Fachkräfte der Forstverwaltung erledigt.

Nach diesen grundsätzlichen Themen befasste sich die Mitgliederversammlung mit den vielfältigen internen Aufgaben des Weinbauvereins. Im bewährten Vorstandsteam ist jedem die Verantwortung für den jeweiligen Aufgabenbereich in kollegialer Solidarität zugeordnet. Über die reibungslose Organisation des Insektizid-freien Pflanzenschutzes zur Bekämpfung des Traubenwicklers mittels Pheromonen berichtete Bastian Petry: In nur zwei Tagen wurden von einer zahlreichen Mannschaft mit oft freiwilligen Helfern flächendeckend in sämtlichen Weinbergen in Kostheim und Hochheim die ökologisch unschädlichen Duftampullen ausgehängt; Hochheim hat damit seit jeher im Rheingau eine Vorreiterrolle.

Danach gab es in der Zehntscheune eine fröhliche Abschluss-Party bei Weck, Wurst und Wein. Thorsten Dienst mußte als Rebschutzwart von einem schwierigen Vegetationsjahr berichten, das höchste Aufmerksamkeit und Einsatz bei vorbeugenden Maßnahmen gegen die Gefahr des Mehltaus erforderlich gemachte hatte. Seine meteorologischen Messungen waren Grundlage der wichtigen Gefahrenprognosen des Weinbauamtes und der Forschungsanstalt. Josef Schäfer ergänzte mit seinem Bericht über die Schadvogelabwehr gegen die riesigen Starenschwärme, die in wenigen Minuten die gesamte Traubenernte kahl fressen können. Unter der Verantwortung von Josef Schäfer wurde wiederum die solidarische Selbsthilfe organisiert, um den Einflug der Vogelschwärme zu beobachten und bei Bedarf gezielt zu vergrämen.

Wie Martin Mitter mit Stolz bestätigen konnte, hat das neue Konzept für die Gemeinschaftspräsentation „Weinkultur pur“ am Falkenberg Anerkennung und Beifall von über 500 Besuchern gefunden. Ebenso konnte Pia Rosenkranz als Sprecherin der Betreibergemeinschaft Weinprobierstand von einer gelungenen karitativen Abschlussveranstaltung mit erfreulichen Erlösen zu Gunsten von notleidenden Familien mit Kindern berichten. Zum guten Schluss: Die von Fabian Schmidt geführte bescheidene Vereinskasse stimmt und die Mitglieder konnten einstimmig Entlastung erteilen. Verbandspräsident Peter Seyffardt bezeichnete anerkennend die ehrenamtliche Zusammenarbeit im Vorstand und die Organisation des Ortsvereins Hochheim für den ganzen Rheingau als vorbildlich.

 

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