Einsamkeit zum Osterfest Wenn die Pandemie dem Familientreffen im Weg steht / Heimbewohner vermissen Angehörige

Das Laurentius-Münch-Haus in Flörsheim.

Wenn die Pandemie dem Familientreffen im Weg steht / Heimbewohner vermissen Angehörige

Es war ein Osterwochenende unter sehr besonderen Vorzeichen - und mit traurigen Folgen. Die Coronavirus-Pandemie hat in den letzten Wochen einschneidende Veränderungen im Alltag notwendig gemacht, und zu einem Termin, bei dem sich normalerweise immer die ganze Familie trifft, wurde dies besonders deutlich: Eiersuche nur im engsten Familienkreis. Keine gemeinsamen Restaurantbesuche oder größere Grillfeste im heimischen Garten. Keine Osterspaziergänge in größeren Gruppen. Trotz Zuckereiern und Schokoladen-Osterhase noch ein Abstecher zur nächsten Eisdiele, weil es bei so herrlichem Wetter nochmal so gut schmeckt? Auch das war keine Option.

Noch deutlich dramatischere Folgen haben die aktuellen Kontaktverbote für alte Menschen, die in einem Seniorenheim leben. Seit Wochen können sie keine Besucher mehr empfangen, und natürlich vermissen auch die Angehörigen die regelmäßigen Stippvisiten bei ihren Lieben.

Davon kann auch Birgit Meyer berichten, die Einrichtungsleiterin im Flörsheimer Laurentius-Münch-Haus. Die Angehörigen fehlen einfach. Pflegerinnen und Pfleger sind derzeit die einzigen direkten Kontaktpersonen abseits anderer Heimbewohner.

Derzeit herrscht infolge der Zweiten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 13. März ein weitgehendes Besuchsverbot. Pflegeheime und ambulant versorgte Wohngemeinschaften dürfen demnach nicht mehr zu Besuchszwecken betreten werden. Ausnahmen werden nur für wenige Besuchergruppen mit besonderen Aufgaben gemacht, wie zum Beispiel Seelsorgerinnen und Seelsorger oder Rechtsanwälte und Notare. Und auch diese Menschen sind angehalten, im Vorfeld angemessene Hygienemaßnahmen zu treffen. Personen mit akuten Atemwegserkrankungen oder die sich in den vorherigen zwei Wochen in einem Corona-Risikogebiet aufgehalten haben, ist der Zutritt generell untersagt.

Der Kontakt zur Außenwelt wird hauptsächlich via Telefon und E-Mail aufrecht gehalten. Und hin und wieder gibt es auch mal kurze Treffen auf Distanz, bei denen Bewohnerinnen oder Bewohner ihren Angehörigen vom Balkon aus zuwinken können. Modernere Kommunikationsmittel wie Apps zum Videochat, die anderweitig während der Pandemie gerade boomen, kommen hier noch nicht zum Einsatz. Das liegt zum einen an der technischen Ausstattung: Im Laurentius-Münch-Haus gibt es noch kein WLAN. Der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner verfügt jedoch auch nicht über die technische Erfahrung oder ein ausreichendes Interesse an solchen Möglichkeiten. Und zum anderen kann natürlich auch der individuelle Grad der Pflegebedürftigkeit der Nutzung einer solchen Technik im Wege steht.

Dauerthema Hygiene

Dieses Thema steht in Seniorenheimen immer im Vordergrund - aktuell jedoch besonders. Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden täglich aufgegriffen und befolgt. Pflegerinnen und Pfleger werden stets darüber informiert, was in dieser besonderen Pandemielage zu tun ist.

Und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch aufgefordert, zusätzlich im Privaten ihre sozialen Kontakte so zu gestalten, dass diese keine Gefahr für die Menschen darstellen, um die sie sich beruflich kümmern. "Mehr können wir nicht machen", so Birgit Meyer.

Grundsätzlich ist Birgit Meyer beeindruckt von der Geisteshaltung der Seniorinnen und Senioren. Die neue Pandemiesituation wird angenommen, die zur Bekämpfung notwendigen Maßnahmen werden akzeptiert. "Das ist jetzt so, wie es ist", beschreibt Meyer die vorherrschende Einstellung. Und auch die große Mehrzahl der Angehörigen zeigt sich verständnisvoll, was die Arbeit natürlich zusätzlich erleichtert.

Immer wieder treffen sich die Bewohnerinnen und Bewohner im Foyer. Man tauscht sich aus und verhält sich solidarisch untereinander. Besonders schön ist Meyer zufolge der Umgang mit "Neuankömmlingen", die beispielsweise aus der Kurzzeitpflege kommen und nun vollstationär aufgenommen werden. Man erklärt sich gegenseitig alles Nötige und stellt unmissverständlich klar: "Wir halten hier zusammen." Die im Laurentius-Münch-Haus lebenden Menschen bilden eine Einheit mit einem ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühl.

Die Situation rund um Corona weckt bislang noch recht wenige Ängste bei den Seniorinnen und Senioren. Vereinzelt ist jedoch eine steigende Unruhe zu beobachten. So trägt das Pflegepersonal im Laurentius-Münch-Haus Schutzmasken, was Meyer zufolge insbesondere die Kommunikation mit Demenzkranken erschwert. Diese würden häufig auf Mimik besser reagieren als auf Sprache - und das ist nun mit Masken nicht mehr möglich und weckt zuweilen Angstgefühle bei den Pflegebedürftigen. "Das merkt man schon", stellt Birgit Meyer fest.

Die Pflegekräfte in ihrem Haus lobt die Einrichtungsleiterin ausdrücklich. "Sie geben wirklich alles", hebt sie zufrieden hervor und weist auf das ständige Bemühen hin, durch gute Ideen und Unterhaltungsangebote soziale Kontakte innerhalb des Hauses zu forcieren, um so die ungewöhnliche Situation weniger bemerkbar zu machen.

Eine Betreuung und Pflege der Menschen nur noch im jeweiligen Zimmer möchte Meyer möglichst dauerhaft verhindern. "Das wäre schon ein hohes Maß an Isolation", stellt sie ernst fest, "das wäre wie Einsperren". Einrichtungen wie das Laurentius-Münch-Haus sollen "Lebenshäuser für alte Menschen" bleiben.

Insgesamt sieht Meyer das Laurentius-Münch-Haus gut aufgestellt zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie. "Wir sind sehr optimistisch", stellt sie zuversichtlich fest. "Wir lassen Corona draußen."

Besuchsverbot weckt Mitleid

Auch im Hattersheimer EVIM Seniorenzentrum werden die Angehörigen sehr vermisst, stellt der dortige Einrichtungsleiter Harald Jorkowski fest. Aber vor allem auch für die Angehörigen selbst sei die derzeitige Situation hochproblematisch. Viele leiden darunter, ihre pflegebedürftigen Angehörigen aktuell nicht besuchen zu dürfen. Das Osterfest hat dies noch einmal zusätzlich verstärkt.

Auch Jorkowski selbst leidet mit den Menschen: "Es tut einem in der Seele weh, wenn jemand seinen 90. Geburtstag ohne Besuch begehen muss." Auch als außenstehender Zuschauer nimmt einen das mit.

Wo jetzt keine Besuche mehr stattfinden können, wird umso mehr telefoniert. Vereinzelt werden auch Videochats über das Internet durchgeführt, das wird dem Einrichtungsleiter zufolge aber nicht so häufig gewünscht.

Allgemein sei die Lage im EVIM Seniorenzentrum den Umständen entsprechend recht entspannt. Die Bewohnerinnen und Bewohner zeigen sich verständnisvoll und verhalten sich vernünftig. Dem Pflegepersonal ist es freigestellt, ob man sich für das Tragen einer Schutzmaske entscheidet.

Mögliche Engpässe bei Schutzmaterial hat man im Blick, und auch deshalb ist das Tragen einer Maske derzeit nur eine Option. Die Masken verbrauchen sich schnell, der Vorrat schwindet - und sollte es im Haus zu einem Coronafall kommen, würde man plötzlich sehr schnell sehr viele Schutzmasken brauchen.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat man Baumwollschutzmasken bestellt, diese können gewaschen und wiederverwendet werden. Ansonsten geht man mit dem vorhandenen Vorrat an Masken derzeit noch lieber sparsam um. Man hofft auf Nachschub, angekündigt ist dieser bereits.

Nicht nur unter den Seniorinnen und Senioren, sondern auch in den Reihen des eigenen Personals nimmt Jorkowski eine "große Gelassenheit" wahr. Weder seien besondere Ängste wahrzunehmen, noch außergewöhnliche Ausfälle festzustellen. Derzeit bewege sich alles noch im "Normalitätsbereich" - und Harald Jorkowski hofft, dass dem EVIM Seniorenzentrum eine Verschärfung der Lage dauerhaft erspart bleiben wird.

Kultur in der Krise

Mit Musik und Lyrik gegen die Oster-Isolation: So wurde am Gründonnerstag den Bewohnerinnen und Bewohner des Kursana Domizils und dem Betreuten Wohnen des DRK in Kriftel, die in diesen Wochen natürlich unter den gleichen Problemen wie andere Heimbewohner im übrigen Main-Taunus-Kreis leiden, eine besondere Freude gemacht. Axel Lorth vom Kulturforum Kriftel e. V., der Jahr für Jahr auch das MyZiegelei-Festival organisiert, gab ein kleines Open-Air-Konzert und begeisterte sein Publikum mit Evergreens von Freddy Quinn und vielen anderen Stars aus vergangenen Jahrzehnten. Viele dankbare Seniorinnen und Senioren verfolgten die "Schlagerparade" von den Balkons aus, und manche wurden sogar beim Mitsingen ertappt. Bürgermeister Christian Seitz komplettierte den unterhaltsamen Nachmittag mit der Rezitation von Gedichten rund um das Thema "Frühling".

Mehr dazu im gesonderten Artikel in dieser Ausgabe.

Die aktuelle Corona-Not macht erfinderisch - und zum Glück auch hilfsbereit.

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