Globale Krisen belasten auch die Gemeindefinanzen

Haushaltsplan 2023 vorgestellt: Fehlbedarfe können durch Rücklagen ausgeglichen werden

Im Rahmen der letzten Sitzung der Gemeindevertretung im Jahr 2022 hielt Bürgermeister Christian Seitz seine diesjährige Haushaltsrede.

Der zentrale Tagesordnungspunkt der letzten Sitzung der Gemeindevertretung des Jahres am vergangenen Donnerstag war die Vorstellung des Haushaltsplans für das kommende Jahr 2023 durch Bürgermeister und Kämmerer Christian Seitz. In seiner Haushaltsrede holte er zunächst weit über die Grenzen Kriftels hinaus aus und rief die aktuellen weltpolitischen Krisen in Erinnerung, die natürlich auch spürbare Auswirkungen auf die Gemeinde und die hier lebenden Menschen haben.

Inflationsraten von zehn Prozent kannte man bislang nur aus Geschichtsbüchern, so Seitz, und auch die steigenden Energiekosten stellen durchaus eine Bedrohung für die hiesige Bevölkerung und eine große Herausforderung für Kriftel dar. Und damit haben diese neuen, unerfreulichen Rahmenbedingungen natürlich auch handfeste Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen. Dazu zählen auch die vor allem als direkte Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine wieder deutlich steigenden Zahlen von ankommenden Geflüchteten. „Die Bewältigung der Unterbringung der geflüchteten Menschen erscheint mir eine der Hauptaufgaben für die nächsten Wochen und Monate zu sein", stellte Seitz fest und wies darauf hin, dass viele der 2015 hierher gekommenen Menschen immer noch in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, allein schon weil der Wohnraum im Rhein-Main-Gebiet ohnehin schon knapp ist.

Die Preise für Strom und Gas geradezu explodiert, im Haushaltsplan 2023 geht man von einer Vervierfachung der Energiekosten aus - eine Mehrbelastung von 290.000 Euro.

Und obwohl seitens des Landrats noch kein Haushalt eingebracht wurde, geht man in Kriftel davon aus, dass auch hier die Belastungen für die Gemeinde steigen werden. So rechnet man mit einer um etwa 1,5 Punkte höheren Schulumlage, gleichbedeutend mit Mehrbelastungen in Höhe von 313.000 Euro. Auch die hohe Inflation findet ihren Niederschlag, vor allem im Bereich der nun um etwa 300.000 Euro höheren Sach- und Dienstleistungen. Und schließlich ist auch der kommunale Finanzausgleich im nächsten Jahr keine Hilfe: Mit Schlüsselzuweisungen kann man im Vergleich zum Vorjahr nicht mehr rechnen (damals waren es noch stattliche 823.310 Euro), statt dessen wird Kriftel wieder eine Solidaritätszulage von 130.100 Euro zahlen müssen. Ergo hat man es hier mit einer um fast eine Million Euro höheren Belastung für den Haushalt zu tun als noch 2022. "Ohne auch nur irgendeine Haushaltsposition geplant zu haben, starten wir somit in den Haushaltsplan 2023 aus dem Steuerhaushalt um circa 232.000 Euro schlechter als in 2022. Zieht man noch die Steigerungen bei den Energiekosten hinzu, die wir nicht beeinflussen können, ergibt sich von vornherein eine schlechtere Ausgangslage von über einer halben Million Euro", beschreibt Seitz das neue Loch, aus dem man sich erst einmal herauskämpfen muss.

So wurde bei Haushaltsberatungen des Gemeindevorstandes schnell deutlich, dass man keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können wird. Dass Haushaltsplanentwurf letztendlich ein Defizit von 152.188 Euro auszuweisen ist, wertet der Kämmerer als Erfolg: "Dieser Wert entspricht nicht einmal einem halben Prozent der ordentlichen Aufwendungen. Allein durch die allgemeine Preissteigerungsrate wäre ein höheres Defizit zu erwarten gewesen. Wenn man so will, könnte man noch von einer so genannten "roten Null" sprechen, die gegebenenfalls durch sparsame Bewirtschaftung im Laufe des Jahres noch ausgeglichen werden kann."

Dieser Fehlbetrag kann durch eine Entnahme aus der ordentlichen Rücklage, die in den letzten Jahren auf etwa 4,5 Millionen Euro angewachsen ist, ausgeglichen werden. "Insofern können wir auch guten Gewissens diese Rücklagenentnahme empfehlen und vorschlagen", beurteilt Seitz die Lage.

Keine Gebührenerhöhungen

Angesichts der für viel Haushalte akut kritischen Situation wollte man die Krifteler Bürgerinnen und Bürger im Bereich der Gebühren keinen zusätzlichen finanziellen Belastungen aussetzen. So bleiben sowohl die Wasser- und Abwassergebühren wie auch die Bestattungsgebühren unverändert. Durch sinkende Abfallentsorgungsgebühren kann man sogar eine Entlastung erreichen. Ebenso konnte die Anhebung der Grundsteuerhebesätze vermieden werden.

Auch den Finanzhaushalt habe man sehr kritisch beleuchtet, so Seitz. Seitens des Gemeindevorstands habe man sich darauf verständigt keine zusätzliche Neuverschuldung im Finanzhaushalt durch zusätzliche Projekte einzuplanen. Darüber hinaus wurden bereits geplante Projekte zeitlich gestreckt und neu einsortiert. Dies geschah vor den Hintergründen der finanziellen als auch der personellen Situation der Gemeindeverwaltung, als auch unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit von Planungsbüros, Architekten, Bau- und Fachunternehmen. "Tatsächlich schmerzt es niemanden mehr als den Ersten Beigeordneten und mich, dass wir bei der Abarbeitung der in unseren Augen wichtigen Projekte aus den beschriebenen Gründen nicht schneller vorankommen können", brachte der Bürgermeister sein Bedauern angesichts dieser Entwicklung zum Ausdruck.

Erhalt der Familienfreundlichkeit

Trotz all dieser Einsparungen soll Kriftel seinen Charakter als familienfreundliche Gemeinde erhalten, und auch das Ehrenamt sowie Vereine und Verbände sollen weiterhin nach Kräften unterstützt werden. Exemplarisch führte Bürgermeister Seitz hierfür einige Punkte im Haushaltsplan für das kommende Jahr auf.

So hat man beispielsweise eine Nachfolge für die scheidende Büchereileiterin Ursel-Renate Hadiprono gefunden - aber es wird künftig nicht mehr möglich sein, dass die Gemeindebücherei komplett ehrenamtlich geleitet wird. Daher wird das Kulturforum Kriftel die neue Büchereileitung im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung für einen Teil Ihrer Tätigkeiten finanziell entschädigen. Das Kulturforum organisiert zwar den dortigen Betrieb, die Gemeinde kommt jedoch für sämtliche Aufwendungen auf - deshalb wurde der Ansatz für die Bücherei auf 15.000 Euro erhöht.

Bei zwei Projekten, die vor allem für Kinder und Jugendliche interessant sind, soll es ebenfalls voran gehen: Zum einen bei der neuen Skateanlage, zum anderen beim Spielplatz am Mühlbach. Für die Skateanlage werden im kommenden Jahr 100.000 Euro veranschlagt - zusammen mit Mitteln aus dem laufenden Haushaltsjahr 2022 in gleicher Höhe stehen somit für die Errichtung 200.000 Euro zur Verfügung. Und bezüglich des Spielplatzes stehen aus dem laufenden Haushaltsplan noch 150.000 Euro zur Umsetzung der Planung zur Verfügung. somit werden etwa 350.000 Euro in die Freizeitanlagen für Kinder und Jugendliche in Kriftel investiert.

Auch das Kitaprogramm soll 2023 fortgesetzt werden. Die Planungen zur Umsetzung des Kita-Neubaus an der Bleichstraße wurden der Gemeindevertretung bereits vorgelegt, über die noch zur Verfügung stehenden etwa 2 Millionen Euro aus den Vorjahren hinaus wurden für das kommenden Jahr keine weiteren Mittel veranschlagt. "Wir sind hier aber ausreichend handlungsfähig und können das Projekt vorantreiben", versicherte Seitz. "Insgesamt wurden einmal Gesamtkosten von 4,78 Millionen Euro kalkuliert. Aber ich muss wohl kein Prophet sein, wenn auch diese Kalkulation durch die Preisentwicklung im Baubereich noch nach oben zu korrigieren sein wird. Etwa 20 Millionen Euro werden wir damit im Rahmen unseres Kitaprogramms investiert haben. Eine stattliche Summe für eine kleine Gemeinde wie Kriftel", stellte der Bürgermeister nicht ohne Stolz fest.

Folgen des Klimawandels

Auch der globale Klimawandel und dessen Auswirkungen nehmen die Gemeinde Kriftel in Hinblick auf die Versorgungssicherheit in die Pflicht. Insbesondere die heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre haben Seitz zufolge gezeigt, wie wichtig eine gut funktionierende Wasserversorgung ist. "Kriftel fährt bei dieser Aufgabe zweigleisig, um jederzeit die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Zum einen beziehen wir über den Wasserbeschaffungsverband externes Wasser, etwa aus dem hessischen Ried. Aber ganz wichtig war für uns immer auch die Eigenförderung von Wasser", so Seitz. Die Neubohrung des Brunnens III musste pandemiebedingt leider wiederholt verschoben werden. "Aber jetzt wollen wir das Projekt endlich umsetzen. Hierfür stehen uns aus Vorjahren noch Mittel in Höhe von 800.000 Euro zur Verfügung." Auch für die Sanierung des in die Jahre gekommenen Hochbehälters wurden Auszahlungen in Höhe von 330.000 Euro im Haushaltsplanentwurf veranschlagt. Und der Wasserleitungsneubau am alten Wasserwerk soll ebenfalls fortgesetzt werden.

Umweltschutz und insbesondere die Förderung des Radverkehrs ist der Gemeinde schon seit vielen Jahren wichtig, betonte Seitz und verwies auf wiederholtes Lob durch den ADFC und regelmäßig gutes Abschneiden beim Fahrradklimaindex. Dieses Engagement macht sich auch bei den Investitionen deutlich bemerkbar: "Mit fast 500.000 Euro für die Baukosten des Radweges entlang des Schwarzbaches ist das die größte in 2023 veranschlagte Investitionssumme für eine Maßnahme. Aus Vorjahren stehen uns weitere ca. 1 Mio. Euro zur Verfügung", präsentierte Seitz die diesbezüglichen Planungen und Möglichkeiten.

Im nächsten Jahr soll der erste Bauabschnitt des Radweges von der Straße „In den Gartenwiesen“ bis zur Holzbrücke am Freizeitpark angegangen werden. "Immerhin erwarten wir hier eine Landesförderung von 75 Prozent, die wir aus haushaltsrechtlichen Gründen noch nicht als Deckungsmittel veranschlagen dürfen. Beim Bau dieses Radweges zeigt sich was man zum Teil für einen langen Atem haben muss bei solchen langfristig geplanten Maßnahmen. Über Jahre haben wir darauf hingearbeitet einen Lückenschluss in der Radwegeverbindung zwischen Hofheim und Hattersheim zu realisieren. Für Radwege in der Feldgemarkung haben wir weitere 235.000 Euro veranschlagt – auch hier stehen noch Restmittel aus Vorjahren in etwa gleicher Höhe zur Verfügung", ging der Rathauschef weiter ins Detail und sprach ein weiteres, nicht minder wichtiges Projekt für den Radverkehr an: Den stetigen Ausbau von sicheren Fahrradabstellanlagen: "Am Bahnhof wollen wir eine solche Anlage im kommenden Jahr realisieren. 90.000 Euro haben wir dafür im Haushaltsplan veranschlagt, aus Vorjahren stehen uns weitere etwa 200.000 Euro zur Verfügung. Auch diese Maßnahme wird durch das Land mit 75 Prozent gefördert werden. Insgesamt investieren wir damit circa 1,77 Millionen Euro in die Verbesserung der Fahrradinfrastruktur."

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X