Obstbauern in Zeiten von Corona Schwerwiegende Folgen der aktuellen Pandemie wirken sich auch auf den Obstgarten des Vordertaunus aus

Der Obsthof am Berg kann in diesem Jahr nun leider doch nicht seinen 50. Geburtstag feiern.

Schwerwiegende Folgen der aktuellen Pandemie wirken sich auch auf den Obstgarten des Vordertaunus aus

Die aktuelle Corona-Krise in all ihren Facetten hat drastische Auswirkungen auf so ziemlich jede Branche, und damit natürlich auch auf die Landwirtschaft. Im "Obstgarten des Vordertaunus" sind diese besonders umfangreich zu spüren."Die Leute sind verunsichert", berichtet Holger Henrich vom Obsthof am Berg. Diese Verunsicherung wirkt sich auf alle Teilbereiche seines Betriebs aus. Im Hofladen wird auf die Einhaltung des Mindestabstands geachtet, die neue Maskenpflicht muss durchgesetzt werden und in die Sicherheit der Mitarbeiter wurde investiert, beispielsweise durch die Installation eines "Spuckschutzes" an der Theke. Dennoch - oder gerade deswegen - sind viele Kunden nervös, die neuen Regeln verkomplizieren den eigentlich simplen Alltagsvorgang des Einkaufens ungemein. In den vergangenen Wochen kam es zuweilen zu waschechten Hamsterkäufen: Kartoffeln, Eier und Dosenwurst wurden in ungewohnten Mengen nachgefragt. Die zuliefernde Metzgerei kam kaum mit dem Produzieren nach, und drei Tage vor Ostern waren Eier bereits restlos ausverkauft. Schon vor der Krise ging der Trend beim Einkaufen immer mehr zurück in Richtung regionale Produkte. Die Ereignisse der letzten Wochen haben diese Entwicklung - zumindest für den Moment - noch zusätzlich verstärkt. In diesem Jahr wurden wohl ungewöhnlich viele Ostereier wieder in der heimischen Küche gefärbt.

Sebastian Hasenbach von der Hasenbach GbR, die auch den Obsthof an der Kirche betreibt, kann diesen Trend bestätigen. Auch hier sind Produkte aus der Region derzeit besonders stark nachgefragt. Ob das auf ein grundsätzlich gestiegenes Interesse auf Ware aus der direkten Umgebung hinweist oder eher ein Symptom des Umstands ist, dass derzeit mehr Menschen selbst zuhause kochen, lässt sich dabei nicht zuverlässig abschätzen - das wird die Zukunft zeigen.

Neuer Lieferservice

Vor Ostern richtete man einen Lieferservice an, der direkt gut angenommen wurde. Gerade vor den Feiertagen war die Nachfrage hier natürlich besonders hoch, aber auch jetzt wird der Service immer noch intensiv genutzt. Bei der Einrichtung hatte man eher ältere Kundinnen und Kunden im Sinn, also Menschen aus der Risikogruppe, denen man Einkaufswege ersparen wollte. Zur Überraschung von Sebastian Hasenbach wird der Lieferservice jedoch überwiegend von jüngeren Familien genutzt - und auch das hat positive Effekte: Der Kundenverkehr im Laden wird damit reduziert, was die in der Krise besonders stressige Situation für das dortige Personal etwas entspannt und für ein höheres Maß an Sicherheit sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als auch für die Kundschaft sorgt.

Bezüglich der Landwirtschaft selbst kann Hasenbach noch keine negativen Einflüsse der Corona-Krise vermelden. Anfangs herrschte eine große Unsicherheit in Bezug auf den Status der Erntehelfer in diesem Jahr: Würden diese einreisen dürfen? Wollen diese während einer Pandemie überhaupt kommen? Den zeitweise angedachten Einsatz von Branchenfremden, die bedingt durch Kurzarbeit oder Jobverlust vorübergehend bei der Ernte mit anpacken könnten, sah Sebastian Hasenbach eher skeptisch: Die Leute hätten angelernt werden müssen, die Belastbarkeit wäre sicher auch eine andere. Und er sieht bei diesem Szenario auch eine höhere Gefahr: Die Arbeitskräfte kämen dann verstreut aus dem ganzen Kreis, der Student aus Hochheim würde zusammen mit dem Schüler aus Hofheim und der Arbeitssuchenden aus Hattersheim auf dem Feld stehen, und alle würde ihre Freizeit unterschiedlich verbringen.

Erntehelfer kommen

Sebastian Hasenbach ist auch deshalb sehr froh darüber, dass inzwischen feststeht, dass seine erfahrenen Arbeitskräfte aus Polen kommen dürfen - und das zum Glück auch wollen: Etwa 90 Prozent der bekannten Erntehelfer haben bereits zugesagt, auch in diesem Jahr wieder in Kriftel zu arbeiten. Und bei deren Einsatz wird nun natürlich in hohem Maße auf die Sicherheit geachtet: Es zahlt sich nun beispielsweise aus, dass man in der neuen Halle des Betriebs auf dem Hochfeld auch sehr großzügige Unterkünfte für Arbeitskräfte integriert hat. Die Zimmer dort wurden für eine Belegung von vier bis fünf Personen geplant, werden in der Praxis aber stets nur von ein bis zwei Personen genutzt. Als Quarantänemaßnahme wird man zudem die Arbeiterschaft in zwei feste Gruppen aufteilen. Diese Trennung wird in diesem Jahr durch den nun besonders glücklichen Umstand begünstigt, dass sich der Erdbeeranbau der Hasenbach GbR derzeit auf zwei Äcker verteilt. Zudem werden die Gruppen anfangs zu unterschiedlichen Zeiten anreisen. Die Einkäufe für die Arbeitskräfte aus Polen wird man wohl zentral organisieren.

Und so bringt die Corona-Krise viele Problematiken mit sich, die sonst nicht bestehen. "Es gibt viele Regeln, da muss man sich erst mal einlesen", so Sebastian Hasenbach.

Auch für den Obsthof am Berg und die Brennerei Henrich bringt die Pandemie weitere Erschwernisse mit sich. Normalerweise ist die Belieferung von Gastronomie und Hotels eine der Haupteinnahmequellen. Doch seit diese zur Eindämmung der Virusinfektionen geschlossen bleiben müssen, ist das Geschäft schlagartig eingebrochen: "Die letzten Bestellungen wurden am 10. März getätigt. Seitdem: Null", stellt Holger Henrich besorgt fest. Generell macht sich Henrich um die Gastronomiebranche große Sorgen: Die Umstellung auf Essen-zum-Mitnehmen sei meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, dauerhaft könne man so nicht überleben. Henrich hofft hier auf schnelle Lösungen, sonst würden wohl etliche Restaurants nicht mehr lange durchhalten.

Besonders bedauert Henrich die zwangsläufige Absage des für Mai angedachten Tags der offenen Tür, anlässlich des 50. Geburtstages des Obsthofs am Berg. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Das Jubiläumsfest soll im kommenden Jahr nachgeholt werden, dann voraussichtlich wieder im April oder Mai.

Erdbeersaison startet in Kürze

Sebastian Hasenbach hat auch eine gute Nachricht parat: In der ersten Maiwoche wird der Verkauf der Krifteler Erdbeeren starten. Zunächst wieder nur in etwas geringerer Anzahl und etwa ab dem 8. Mai dann in ausreichenden Mengen. Eine "Preisexpolsion" wegen Corona oder der anhaltenden Trockenheit sieht er nicht kommen, das Preisniveau der vergangenen Jahre soll möglichst gehalten werden.

Dennoch wünscht er sich dringend Regen: Nicht nur die Wärme und die Niederschlagsarmut haben die Böden in den letzten Wochen stark austrocknen lassen, sondern insbesondere auch der häufig recht starke Wind. Auch hier kommt es auf das richtige Maß an: Tagelanger Starkregen wäre auch nicht gut für die Ernte. Aber wie bei so vielen Dingen in diesen Tagen muss man es letztendlich auch hier nehmen, wie es kommt - und dann das Beste daraus machen.

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