hr3-Hörer bauten ein „Little Home“

Große ganztägige Veranstaltung auf großem Baumarkt-Parkplatz im Krifteler Gewerbegebiet

Startschuss: Sven Lüdecke (links) begrüßt die hr3-Hörer. Mit dabei sind von links nach rechts Kerstin Platsch, Tobi Kämmerer und Tanja Rösner.

In der hr3 Morningshow hat der „Gute-Ideen-Dienstag“ seinen festen Platz. Hier tauchte die Idee auf, mit hr3-Hörern ein „Little Home“ zu bauen. Die kleinen Holzhäuschen werden Obdachlosen zur Verfügung gestellt und bieten ihnen einen Rückzugsraum. Gesucht wurden Hörerinnen und Hörer, die sich für die Idee begeistern konnten, handwerkliche Spezialkenntnisse waren nicht erforderlich.

Sechzig hr3-Hörer hatten sich angemeldet und standen pünktlich am letzten Samstag um 9 Uhr auf dem Parkplatz des Baumarktes im Krifteler Gewerbegebiet. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, Singles, Paare oder ganze Familien konnte man antreffen. Mit von der Partie waren die beiden Moderatoren Tanja Rösner und Tobi Kämmerer. Sie hatten Kerstin Platsch für die Berichterstattung und weitere Kolleg*innen vom hr3 mitgebracht. Auch Sven Lüdecke, der Gründer von Little Homes e.V., war mit einem Team von acht Helfern angereist. Einige der „Standardhäuser“, diesmal in grün/schwarz, konnte man schon fertig bewundern. Sie waren bei einem Firmenevent gebaut worden. Etwa zehn der hr3-Hörer sollten sich am Samstag um den Innenausbau kümmern. Auf einem der 3,2 Quadratmeter großen Häuser sah man die Nummer 256, was bedeutet, dass schon so viele Unterkünfte gebaut worden sind.

Etwas Schönes entsteht

Das Besondere an dem Event in Kriftel war, dass ein neuer Prototyp erstellt werden sollte. Das etwa 8,4 Quadratmeter große Häuschen sollte auf einem Wohnwagengestell aus dem Jahr 1976 gebaut werden. Vorteil ist, dass das Heim dadurch bewegbar wird, über die Straße transportiert werden kann und auch auf einem Campingplatz stehen kann. Man merkte Sven Lüdecke seine Begeisterung an, als er die vielen Helfer begrüßte. „Es macht mir eine Gänsehaut, wenn aus einer guten Idee handwerkliche Wahrheit wird“, erklärte er. „Wir machen hier aus etwas Altem etwas emotional Schönes.“ Sven (alle redeten sich auf der Baustelle mit Vornamen an) hatte alles gut durchorganisiert. Er achtete darauf, dass die Freiwilligen passendes Schuhwerk trugen, ermahnte nicht zu laufen, da dann Unfallgefahr bestehe und warnte davor an der elektrischen Kreissäge Handschuhe zu tragen, da diese sich in dem Werkzeug verfangen können. Es gab keinen ausgeklügelten Bauplan, vielmehr lag zum Prototyp nur eine Skizze vor, die einzelnen Schritte und Handgriffe mussten sich bei der Arbeit ergeben. Zur Unterstützung erhielt jeder Mitstreiter einen grün-gelben Rucksack, in dem sich einige Werkzeuge wie beispielsweise ein Cuttermesser befanden und das Wichtigste, eine Schutzbrille. Damit aus den Helfern ein Kollegenteam wurde, erhielt jede Person ein rotes T-Shirt, weiter wurden die Namen auf Kreppklebeband notiert und an die Brust geheftet.

Dann ging es los! Schnell fand sich eine Gruppe zusammen, die die Gestaltung des Innenraums der schon fertiggestellten Little Homes übernehmen wollte. Es sollten noch Regale angebracht werden, die Wände dekoriert werden und ein wohnliches Klima erschaffen werden. Die fertigen Häuser bekommen später noch eine Matratze, eine Campingtoilette und einen Feuerlöscher.

Schnell einigte sich eine weitere Gruppe von Engagierten, dass sie die Malerarbeiten für den neuen Typ Little Home übernehmen wollte. Tanja besorgte weiße und rote Farbe, und auf ging‘s. Das hr3-Auto wurde an einer Seite mit einem Fließ abgedeckt und diente als Ständer für die fertig gemalten Bretter. Sven Lüdecke hatte alle Hände voll zu tun. Er ist derjenige, der über die Bauerfahrung für die Häuser verfügt und somit auch den Plan für den Prototyp im Kopf hatte. Außerdem fühlt Lüdecke sich für jeden einzelnen Mitstreiter verantwortlich und setzt alles daran, dass sich niemand verletzt. Für Fragen ist er stets offen, er wird bei allem natürlich tatkräftig von seinem Team unterstützt.

Der Verein Little Homes e.V.

Pia Schlemmer, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin von Lüdecke, beantwortete einige Fragen zum eingetragenen Kölner Verein Little Homes e.V. Sie erklärte, dass Sven Lüdecke die Idee zur Gründung des Vereins hatte, nachdem er am Kölner Hauptbahnhof miterleben musste, wie eine Obdachlose unsanft hinausgeworfen wurde. Dies ist nun schon mehr als fünf Jahre her. Die Little Homes werden vollständig über Spenden finanziert. Gebaut werden sie von Helfern in ähnlichen Aktionen wie die vom hr3 hervorgerufene, aber auch bei sonstigen Gruppenevents. Oftmals helfen Obdachlose beim Bau mit. Ein verlässlicher Partner ist der Baumarkt, bei dem die Materialien gekauft werden.

Die Häuschen findet man inzwischen deutschlandweit, beispielsweise in Berlin, Köln, Darmstadt, Wiesbaden oder Gießen. Für das Auffinden der Standorte arbeitet man unter anderem mit der deutschen Bahn zusammen, die einige unbenutzte Areale neben stillgelegten Gleisen besitzt, aber auch Kirchen stellen oftmals einen Standort zur Verfügung. Dabei achtet man darauf, dass die Obdachlosen in der Nähe zu Siedlungsgebieten leben, damit sie Zugang zu Waschgelegenheiten und Tafeln haben. Die örtlichen Gemeinden und die Polizei werden über die Aufstellung der Holzhäuser informiert. Für die Bewohner der Häuschen gilt als Bedingung für die Überlassung, dass keine Drogen oder Alkohol konsumiert werden dürfen. Das Häuschen lässt sich mit einem Vorhängeschloss abschließen und bietet einen geschützten Rückzugsraum, der aber auch Verantwortung mit sich bringt und als Sprungbrett in ein Leben mit festem Wohnraum dienen soll.

16.30 Uhr: das Haus steht

Gegen halb elf waren schon viele Bretter gestrichen, die ersten Vierkanthölzer waren auf dem Wohnwagengestell befestigt, da hörte man Lüdicke rufen: „Wir müssen die Konstruktion noch mal abbauen, weil die rutschfesten Matten fehlen.“ Niemand ließ sich dadurch entmutigen. Es wurde weiter gesägt, gezimmert, gebaut. Fehlende Materialien wurden beim Baumarkt besorgt. Erfrischungen konnte man kostenlos in der Bäckerei bekommen, wenn man sagte, dass man zu dem hr3-Hörerteam gehöre. Für die Fertigstellung war 16.30 Uhr angepeilt. Und tatsächlich, es gelang das Little Home zu diesem Zeitpunkt (fast) fertigzustellen. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass aus dem Nichts durch eine vollkommen willkürlich zusammengestellte Gruppe ein vollständiges Häuschen entstand. Schön sieht es aus, das rote Holzbauwerk mit der weißen Eingangstür. Zwei Fenster sorgen für gute Lüftung und innen blickt man auf eine schon teilweise verkleidete Wand. Damit es behaglich wird, hat man die Wände mit Styropor und Folie isoliert und anschließend mit weißen Holzbrettern verkleidet. Einige Unermüdliche verrichten die letzten Arbeitsschritte, während andere sich für ein Erinnerungsfoto mit Tanja und Tobi ablichten lassen. Den beiden muss man für ihren Einsatz große Anerkennung aussprechen, waren sie doch ständig an vorderster Front mit dabei. Auch die Innenausbauer präsentieren ihre Arbeit. Sie haben einen wunderbaren Job gemacht, man kann sich vorstellen, wie wohl sich die Bewohner in den Häuschen fühlen werden.

Sven Lüdecke erklärt, dass der neue Prototyp zunächst vom ADAC nach Berlin zur Deka transportiert werden muss, um eine Abnahme und Zulassung für die Straße zu erhalten. Dann wird das rote Häuschen wieder ins Rhein-Main-Gebiet zurückkehren und einem obdachlosen Menschen übergeben, sehr wahrscheinlich einer Frau. Der neue Häusertyp ist so groß, dass er auch für Paare in Betracht käme. Die Bewohner werden meistens über Ansprechstellen für Obdachlose wie die Caritas oder die Diakonie vermittelt. Lüdecke sieht die Little Homes als eine Übergangslösung an, er möchte es keinesfalls so verstanden wissen, dass er den Gemeinden die Aufgabe, sich um Obdachlose zu kümmern, abnehmen möchte. Er sieht die kleinen Häuschen als eine Gelegenheit an, wieder Fuß im sesshaften Leben zu fassen, Verantwortung zu übernehmen und sich auf eine permanente Wohnung vorzubereiten. Er freut sich, dass die Arbeit so gut gelungen ist und betont, dass er die Bau-Events liebt, da man dabei den Zusammenhalt und den Gemeinschaftssinn in einer Gruppe hautnah erlebt.

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