Am Alten Bahnhof kann es weitergehen

Eine anstrengende Debatte im Ausschuss um die Gestaltung des Baugebietes am Alten Bahnhof

Auf dem Brachgelände am Alten Bahnhof (r.) soll es in diesem Jahr endlich losgehen mit den vorbereitenden Arbeiten, die zunächst in der Umsiedlung der Eidechsenpopulation ansteht. Der Investor hat seine Bebauungspläne inzwischen allerdings deutlich abgewandelt.
(gus/Fotos: Steinacker)

BISCHOFSHEIM (gus) – Es ist immer ungünstig, wenn die Beschlussvorlagen in den Gremien von der Wirklichkeit überholt werden. 
Hin und her ging es am Dienstagabend, 20. Juni, im Ausschuss Kultur, Umwelt, Bauen und Soziales (KUBuS) der Gemeindevertretung, ehe die Fraktionen sich zu einem brauchbaren Beschluss zur Bebauungsplanung am Alten Bahnhof durchringen konnten und dem Investoren damit der Weg gebahnt ist, seine Planungen auf der Brachfläche voranzubringen.

Eine ganze Weile sah es so aus, als könnte es Investor Christoph Straube passieren, dass die Fraktionen ohne Beschluss zum Bauleitplanverfahren in die Sommerpause der Gremien gehen. Damit hätte sich der Startschuss für die Wohnbebauung des Areals automatisch um mindestens ein weiteres Jahr verschoben. Denn Straube vom Bad Sodener Immobilien-Investoren W&L (Wohnen und Leben) hat seit vergangenem Jahr mit dem Areal ein Problem, das bei der Umwandlung langjähriger Brachflächen in Bauland nicht unbekannt ist: Damals, als W&L schon einmal so weit war, von den Gremien den Segen für seine Bauplanung vorzustellen, tauchten in dem Grünzug schützenswerte Tierchen auf.

Die Zauneidechse gehört nun einmal zu den gesetzlich geschützten Wesen, die nicht einfach beseitigt, sondern umgesiedelt werden müssen. Das muss jetzt, in den nächsten Wochen geschehen, sonst ist das Zeitfenster dafür geschlossen und alles muss bis zum kommenden Frühjahr ruhen. Technisch ist die Eidechsen-Umsiedlung kein Problem: W&L plant an der südöstlichen Grenze des Areals, also in direkter Nachbarschaft zu den Bahnschienen, eine Grünzone ein, in die die Tierchen dann zwangsversetzt werden.
Dafür nimmt der Investor 100.000 Euro in die Hand, die nicht unbedingt eingeplant waren, aber als Berufsrisiko von Baulandentwicklern eben hinzunehmen sind. Auch bei der Gestaltung des Baugebietes gab es seit den ersten Entwürfen, die W&L vor einem Jahr präsentierte, an denen das Unternehmen aber schon zwei Jahre, seit dem Erwerb des Areal bastelt, deutliche Änderungen.

Die kommen zum Teil aus marktwirtschaftlichen Erkenntnissen, zum Teil auf Aufforderung des Bischofsheimer Gemeindevorstandes zustande. Was bleibt ist, dass der Schwerpunkt der Bebauung Reihenhäuser sein werden, die ursprüngliche Anzahl von 44 Einheiten reduzierte sich im neuesten Entwurf allerdings auf 34 Einheiten. Umstritten, oder zumindest weiter unklar ist der Mix auf dem sonstigen Areal. Auch nach dem jetzt gefassten Beschluss, der dem Investoren aber zumindest erlaubt, das Verfahren fortzuführen und die Eidechsenumsiedlung zu beauftragen.

Abstand genommen hat W&L vom ursprünglichen Plan, Am Alten Bahnhof neben den Reihenhäusern auch Studentenwohnungen anbieten zu wollen. Dafür besteht schlicht keine Nachfrage in Bischofsheim, musste Straube lernen, weil es den einstigen Notstand an Studentenwohnungen in Mainz nicht mehr gibt, wie er berichtete. „Es war trotz mehrfacher Inserate keine Nachfrage feststellbar, Bischofsheim ist einfach zu weit weg.“ Die Betreiber der Studentenwohnheime in Mainz vermeldeten im Gegensatz zu früheren Jahren derzeit überall noch verfügbare Zimmer, „und die Studis wollen in Uninähe wohnen“.

Dass daneben auch die Mehrfamilienhäuser, die einen Großteil der ursprünglichen Planung ausmachten, keine Rolle mehr in den Planungen von W&L spielen, ist dagegen Ergebnis des schalltechnischen Gutachtens. Eine Schallschutzmauer entlang der Gleise, die den Mehrfamilienhäusern im neuen Wohngebiet über einen aktiven Lärmschutz vertretbare Belastungen garantiert hätten, hätte zwölf Meter hoch gebaut werden müssen, ergaben die Berechnungen.

Alles, was über einem ersten Stockwerk liegt, hat an dem Standort eben ein Lärmproblem. Dies wird in dem nun vorgesehenen Geschosswohnungsbau durch passiven Lärmschutz, eine entsprechende Planung der Raumaufteilung und eine „kontrollierte Wohnraumbelüftung“ erreicht, die aus Passivhäusern bekannt ist und bei der das offene Fenster gegen den Plan ist.

Zufrieden zeigte sich Wolfgang Schreiber (BFW), dass auch im nun vorgelegten Plan die Sichtachse von der Spelzengasse auf den Alten Bahnhof freigehalten ist. Ob das Projekt ansonsten viel Rücksicht auf das historische Ensemble Wasserturm/Alter Bahnhof nimmt, ist nach der KUBuS-Sitzung noch nicht entschieden. Denn der Entwurf von W&L, der die Eingabe des Gemeindevorstandes einarbeitete, sieht im nördlichen Bereich, links der verlängerten Spelzengasse, einen massiven Komplex für einen Geschosswohnungsbau vor.

Der liegt zwar auf der anderen, westlichen Seite der Erschließungsstraße und damit nicht direkt auf der Achse Wasserturm – Alter Bahnhof, dürfte in der nach diesem Grundsatzbeschluss möglichen Bauweise aber die Optik des Geländes beherrschen. W&L, betonte Straube, sei es letztlich aber egal, ob auf der Fläche der Geschosswohnungsbau oder doch weitere Reihenhäuser entstehen.

Nachdem die CDU zunächst einen Änderungsantrag mit dem Tenor vorlegte, sich doch an dem in der Beschlussvorlage geschilderten Sachstand mit 44 Reihenhäusern, einem Einfamilienhaus und vier Wohnungen in dem denkmalgeschützten Bahngebäude auf dem Areal zu halten, formulierte Andreas Wagner (SPD) schließlich den Änderungsantrag, der Straube das benötigte Okay gab und den Fraktionen Zeit, sich für oder gegen den Komplex im Norden zu entscheiden.

So sind nun für den Bebauungsplan Alter Bahnhof 34 Reihenhäuser „sowie gegebenenfalls Geschosswohnungsbau oder zehn weitere Reihenhäuser links der Spelzengasse“ festgelegt. Auch Bestandteil des Beschlusses ist eine Zuwegung zu dem Baugebiet vom Süden über die Wilhelmstraße – das dürfte auch noch zu manchen Diskussionen mit den Anwohnern führen.

Unumstritten dagegen dürfte sein, dass W&L der Gemeinde durch die höhere Wohnungsanzahl gegenüber der ursprünglichen Planung mehr als die bisher zugesagten 500.000 Euro Ausgleichszahlung überweisen muss – ein Beitrag zum Entstehen der zusätzlichen Kitaplätze, die das Wohngebiet nötig machen wird. Eine seltsame Regelung, als seien Kinder ein Kosten verursachender Schaden für die Gemeinde, aber offenbar üblich bei solchen Projekten, und so klagt Straube auch nicht über die Perspektivem nunmehr zwischen 600.000 und 640.000 Euro überweisen zu müssen.

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