Gemeinschaftssinn der Siedler ist gefragt

Die Mitfahrerbänke in der Böcklersiedlung und im Ortsgebiet sind installiert und ihrer Bestimmung übergeben

Bitte Platz zu nehmen: Wer darauf hofft, von einem netten Mitbürger mit dem Auto mitgenommen zu werden, kann am Ausgang der Böcklersiedlung auf der Parkbank Platz nehmen, eine Spende der SPD-Fraktion. Möglicherweise kann es eine Weile dauern, bis die Siedler wissen, dass sie die auf der Bank wartenden Mitbürger mitnehmen sollen, sofern sie in Richtung Ortskern fahren. Und im Einzelfall müssen die Wartenden etwas Geduld mitbringen, bis mal wieder ein Auto vorbeikommt, das über dem Rampen fahren will.
(gus/Foto: Steinacker)

BISCHOFSHEIM (gus) – Da stehen sie nun, die Bischofsheimer Mitfahrerbänke, und warten darauf, den Bürgern bekannt gemacht und in ihrer Aufgabe angenommen zu werden. Neben dem ab 3. Mai angebotenen Shuttle-Service, der die Bürger der Böcklersiedlung zweimal wöchentlich im gemeindeeigenen Kleinbus in den Ortskern zu den Einkaufsmärkten und zum Friedhof bringen soll, bietet eine neu aufgestellte Sitzbank den Bewohnern der Böcklersiedlung die Chance, sich als solidarische Gemeinschaft zu beweisen. Dies, indem sie in ihrer Mobilität eingeschränkten Bewohnern des Gemeindeteils jenseits der Bahnschienen, die auf der Mitfahrerbank Platz genommen haben, einen Transport zu den Geschäften, Ärzten und sonstigen Zielen im Zentrum bieten.

Mit der Aufstellung des Schildes, das die Mitfahrerbank in der Flörsheimer Straße kurz vor der Ampel zum Rampen als solche kennzeichnet, hat die Sitzgelegenheit ihre Funktion offiziell übernommen. Zu verdanken haben die Siedler dieses Angebot letztlich dem Bürgermeister-Wahlkampf des vergangenen Jahres.

Die Kandidaten, inklusive des letztlich gewählten Ingo Kalweit (CDU), hatten die Böcklersiedlung und ihre infrastrukturellen Probleme als für den Wahlausgang relevantes Gebiet ausgemacht. Das brachte einige Ideen und Vorschläge hervor, wie besonders den älteren und nicht mobilen Siedlern der Weg in den Ortskern und zu den Einkaufsmärkten erleichtert werden könnte. Der ersatzlose Abriss des Eisernen Steges zum Wasserturm, gleichwohl mit seinem Treppenauf- und -abgang für gehbehinderte Menschen im wahren Wortsinne ein No-go, hatte den subjektiven Eindruck der Siedler, vom Rest der Gemeinde abgehängt zu sein, noch einmal verstärkt.

Und so wurde im Wahlkampf eine hohe Wahlmotivation der Bewohner erwartet, die die Statistiken dann nicht hergaben: in der Böcklersiedlung lag die Beteiligung bei der Stichwahl mit 49,3 Prozent noch um ein Prozentpunkt unter dem der gesamten Gemeinde (50,3). Dennoch kann es natürlich sein, dass das Thema bei der Wahlentscheidung der Siedler eine Rolle spielte.

Alle bisherigen, aussichtsreichen Überlegungen, wie den Bewohnern das Verschwinden der Geschäfte in ihrem Ortsteil kompensiert werden könnte, haben den Nachteil, dass sie die Lösungen nicht in der Siedlung selbst anbieten können. Den Supermarkt an der B43, den Kalweit zuletzt südlich der Rüsselsheimer Straße platzieren wollte, wird es mangels Interesse der Anbieter wohl nicht geben. Die Siedlung ist für die Anbieter einfach nicht attraktiv genug, weil zu klein, um genügend Kunden in die Geschäfte und Geld in die Kassen zu bringen.

Im Januar 2017, also zwei Monate vor der Bürgermeisterwahl, beschloss die Gemeindevertretung einstimmig einen Antrag der BFW-Fraktion, der den Gemeindevorstand zur Aufstellung von Mitfahrer-Bänken aufforderte. Konkret wird in dem Antrag neben der Böcklersiedlung der Seniorenpark als ein Aufstellungsort benannt. Der einstimmig beschlossene Antrag sah sogar vor, dass an den Bänken je ein Metallpfosten zu installieren sei, „an dem man manuell Schilder umklappen kann, die das gewünschte Ziel angeben“. Zur Auswahl wurden dabei das Seniorenheim, die Böcklersiedlung, das Klinker-Einkaufszentrum oder die „Ortsmitte“ , was der Ausschuss KUBuS mit dem Stichwort „Scheidemantel“ konkretisierte, vorgeschlagen.

Die Klappschilder gibt es an den Bänken jedenfalls bisher allerdings nicht, und auch von einer Einschränkung, die die BFW wohlweislich hinzugefügt hatte, ist nichts zu sehen. Damit die Bänke nicht eines Tages Ausgangspunkt einer schlimmen Geschichte werden, sollte die Nutzung des Angebotes laut Antrag „Personen ab 18 Jahren vorbehalten bleiben“. Das spiegelt sich an den Bänken bisher allerdings nicht wider, etwa durch eine entsprechende Beschilderung.

Neben der sozusagen als Start- und Zielpunkt anzusehenden Bank in der Flörsheimer Straße stehen weitere Mitfahrerbänke (mit entsprechendem Hinweisschild) an der Rundbank gegenüber der Volksbank an der Darmstädter Straße, im Klinker (Römerstraße, neben der Grünanlage) sowie am Friedhof bereit. Dies sind schon länger existierende Bänke, die nun jeweils eine zusätzliche Funktion erhielten. In der Böcklersiedlung hingegen sorgte die SPD-Fraktion für das Inventar. Bereits 2016 hatte sie der Siedlung mehrere Bänke gespendet und aufgestellt, eine davon wurde nun in die strategisch günstige Ausfahrtstraße versetzt, an der jedes Auto vorbeikommt, das die Siedlung verlässt.

Ohne eine Grundbereitschaft der Fahrerinnen und Fahrer, einem immobilen Mitbürger einen Gefallen zu tun und ihn – vielleicht auch mit einem kleinen Schlenker abseits der geplanten Route – zum Wunschziel im Ort zu bringen, wird das Angebot nicht funktionieren. Wenn jemand sich darniedersetzt und mit Einsetzen der Dämmerung unverrichteter Dinge wieder nach Hause schleichen muss, wird sich wohl kein zweites Mal dort einfinden.

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