Krise könnte Einigung beschleunigen

Schott-Unternehmenssprecher Klaus Hofmann sprach beim CDU-Neujahrsempfang

BISCHOFSHEIM (gus) – Wäre es nach ihm gegangen, steckte Klaus Hofmann derzeit mitten im OB-Wahlkampf der Stadt Mainz. Seine Partei hat sich anders entschieden und warf für den 11. März Lukas Augustin ins Rennen. Vorteil Sabine Bächle-Scholz: Die Bischofsheimer CDU-Ortsverbandsvorsitzende und Landtagsabgeordnete konnte dadurch den Parteifreund, im Beruf Sprecher des Weltunternehmens Schott AG, zum Neujahrsempfang im Palazzo begrüßen. Angesichts der Krisenstimmung rund um die europäische Währung, die mancher schon zur Existenzkrise der Europäischen Union auswachsen sieht, lautete die Frage an den Politologen Hofmann, ob 2012 für Deutschland zu einem Schlüsseljahr werden könne, an dessen Ende sich grundlegend veränderte wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen ergeben haben.

 

Da Hofmann nicht als Wahrsager eingeladen war, sondern als jemand, der seine Beobachtungen und Einschätzungen von den weltpolitischen Vorgängen abgab, musste er eine definitive Antwort schuldig bleiben. „2011 war spannend, 2012 wird spannender“, resümierte er am Schluss seines Vortrags, noch einmal auf die Fragestellung eingehend, die ihm abverlangte, wie er zu Beginn sagte, „die Welt in einer halbe Stunde zu erklären.“
Die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner scheint Hofmann solche Dinge zuzutrauen und berief ihn vor der Landtagswahl 2011 in ihr Kompetenzteam, für die Bereiche Wirtschaft, Technologie, Umwelt und Energie. Er sieht die Welt grundsätzlich mit positiven Augen: Als Analyst nicht nur der nackten Fakten, sondern auch der Rezeption der Gegenwart in den Medien scheinen ihm TV, Rundfunk und Zeitungen in Deutschland eine Negativstimmung zu verbreiten, für die es keine Basis im Empfinden der Bürger gibt.
„Die Deutschen sind derzeit so glücklich und zufrieden wie seit zehn Jahren nicht mehr“, zitiert Hofmann entsprechende Umfrageergebnisse. Die weiterhin steigende Lebenserwartung der Deutschen unterstreicht für ihn die Berechtigung zur positiven Stimmung mit einer klaren statistischen Wert. „Dem Medienbild nach ist Deutschland dagegen kurz vor dem Kollaps, Krise ist das am meisten benutzte Wort“, sagte Hofmann.
Die Parameter, die stimmen müssen damit es den Menschen in ihrem Land gefällt, sind nicht schwer zu definieren. Vor allem bei der anwachsende Gruppe der alten Menschen. „Wenn die Rente gesichert ist, können die Leute positiv nach vorne schauen.“ Vom viel, aber zumeist spöttisch zitierten Blümschen Ausspruch „Die Renten sind sicher“ gibt es für ihn bis heute nichts zurückzunehmen.
Keine der Parteien konnte die Krisenstimmung der jüngsten Jahre so recht für sich nutzen, wundert sich Hofmann. „Es gibt eine Nivellierung des Kampfgeländes, die Parteien sind scheinbar austauschbar.“ Seine Partei sieht er in dieser Situation noch am ehesten im Vorteil, weil sie über eine „alles dominierende Person“ verfügt, Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Viele Beobachter beschreiben Merkels Handeln besonders in der derzeit so gefragten Europapolitk als zögerlich, wenig von Grundsätzen geleitet und ein wenig an den Aussitzkanzler Helmut Kohl erinnernd. Klaus Hofmann outet sich dagegen in Bischofsheim als glühender Verehrer des internationalen Formats, das die Bundeskanzlerin an den Tag lege. „Hinter ihrem Handeln steckt logisches Verhalten.“ Zusammen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble bereite Merkel Deutschland derzeit auf das kommende Zeitalter vor und gestalte damit „auf einzigartige Weise“. Im Ausland habe sie hohes Ansehen gewonnen, gelte als mächtigste Frau der Welt. Selbst die Franzosen etwa pflegen ein zunehmend positives Bild von ihr – und das soll etwas heißen.
Ein Zukunftsthema, dem sich Hofmann stark verschrieben hat, ist die Energiewende. Nicht nur als Vertreter eines in der Solartechnologie engagierten Konzerns vertritt er in seiner Partei einen energiepolitischen Kurs, mit dem sich die CDU lange schwer tat. Aber nicht nur Ökopaxe, sondern auch Wirtschaftsstrategen fordern inzwischen vehement die Konzentration auf den Ausbau der Erneuerbaren Energieerzeugung als den Technologie- und Wachstumsmarkt der nächsten Jahre und vielleicht Jahrzehnte.
Die Zögerlichkeit, mit der die westlichen Industriestaaten diese Herausforderung annehmen, kritisiert Hofmann, sieht dies freilich aber auch als Preis einer freiheitlichen demokratischen Wirtschaftsordnung. Dass in den USA die Republikaner im Lobbykampf für die Atomindustrie nicht davor zurückschreckten, ein Foto eines ausgebrannten Elektroautos einzusetzen um diese Zukunftstechnologie gezielt zu diskreditieren, geht Hofmann aber nicht in den Sinn. Zumal das betroffene Auto, ein Chevrolet Volt, auch noch ein amerikanisches Produkt ist: „Da wird General Motors gegen Obama instrumentalisiert.“
Die Einleitung der Energiewende sei auch in Deutschland ein Prozess, der lange Zeit stärker von Bürgern und Stadtwerken angegangen worden sei als von der Politik. Dass sich möglicherweise unsere Wirtschaftsordnung schwer tut, adäquat auf die Herausforderungen zu reagieren, werde auch bei der Finanzkrise deutlich. Das kapitalistische System passe in seiner jetzigen Form nicht mehr in die heutige Welt, hat kürzlich der Begründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, im Zusammenhang mit der Krise der Finanzsysteme geäußert. „Der Kapitalismus ist offenbar nicht mehr wie früher selbstheilend, und er braucht eventuell die Demokratie nicht mehr“, erläutert Hofmann die derzeit diskutierten Thesen. 
Die Eurokrise ist für ihn eigentlich keine Krise der Währung, sondern der Verschuldung von Staaten, kostet Europa aber viel Boden im weltwirtschaftlichen Geflecht. Das Vakuum füllen besonders die „BRIC“-Staaten, die aufstrebenden Volkswirtschaften in Brasilien, Russland, Indien und China, gerne aus. Aber Hofmann ist zuversichtlich, dass die Europäische Währung die Krise überwindet. Schmerzhafte Prozesse bei den südeuropäischen Mitgliedsstaaten sind da allerdings unumgänglich, „sie müssen in einem Crash-Kurs erwachsen werden, das tut weh“, betont Hofmann. Dann könne die Krise, als Ironie der Geschichte, am Ende gar als Beschleuniger der europäischen Einigung wirken.
Hofmann setzt für Europas Zukunft auf einen dritten Weg zwischen dem chinesischen Staatskapitalismus und den amerikanischen Verschuldungskapitalismus. Dabei werde Deutschland als wirtschaftlich bedeutendstes Land in Europa eine zentrale Rolle spielen, denn nichts gehe in Europa ohne dieses zentrale Land. „Alle wichtigen Handelswege führen durch Deutschland.“
Auf eine Diskussion mit den rund 35 Zuhörern im Palazzo verzichteten die Bischofsheimer Christdemokraten, das Büffet im Foyer wartete. Bächle-Scholz hatte vor Hofmanns Vortrag eine Rückschau auf die Bischofsheimer Themen des Jahres 2011 gehalten. Fraktionschef Helmut Schmid und Kreis-chefin Ursula Kraft schlossen mit kurzen Redebeiträgen den inhaltlichen Teil des Abends. Schmid teilt mit Hofmann, wie er bekannte, hauptsächlich den Wunsch, die Dinge nicht immer so negativ zu sehen, „ich kann den Pessimismus manchmal nicht mehr hören.“ Zur Gestaltung der Zukunft brauche es „Zuversicht und Gottvertrauen“.
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