Der Raum für die Kleinsten ist verwaist

Tag der offenen Tür stieß in Bischofsheim bei schönsten Frühlingswetter auf mäßige Resonanz

BISCHOFSHEIM (gus) – Der Kunde hat die Wahl: Das ist bisher noch nicht der Hauptaspekt, unter dem die Bischofsheimer Kinderbetreuungseinrichtungen einmal jährlich außerhalb der Öffnungszeiten ihre Tore öffnen. Eltern künftiger Kita-Kinder durften sich am vergangenen Samstag wieder drei Stunden lang in aller Ruhe die Räumlichkeiten der verschiedenen Einrichtungen anschauen und vergleichen.

 

Der „Kunde“ hat zwar tatsächlich die Wahl, in welcher der Einrichtungen er sein Kind unterbringt. Es muss nicht der wohnortnahste sein, zumindest theoretisch nicht einmal einer in der eigenen Gemeinde. Aber noch gibt es genügend Kinder in Bischofsheim, so dass die Einrichtungen sich nicht um die Neuzugänge streiten müssen. Das könnte in ein paar Jahren freilich anders aussehen – und vielleicht war die mäßige Resonanz am Samstag schon ein erster Hinweis in diese Richtung. Wahrscheinlich war aber einfach das Wetter zu gut.
Die fünf Gemeindekitas, das Schulkinderhaus auf dem Gelände der Grundschule, die beiden freien Einrichtungen Krabbelstube Mainspitze und Eulenspiegel sowie die Tagesmütter informierten über ihre Angebote. Wer alle Stationen „abarbeiten“ wollte in den drei Stunden, musste sich als sputen.
Ganz besonders aktuell im Gespräch derzeit in den Medien: die Tagesmütter. Deren Anzahl würde der Landkreis gern erhöhen. Besonders bei ihnen schlägt die anstehende Umsetzung der EU-Hygieneverordnung in deutsches Recht ins Kontor, sollte es wirklich so kommen wie zuletzt diskutiert. Das Bundesverbraucherministerium forderte jüngst von den zuständigen Landesbehörden, die Auflagen für Tagesmütter auf das absolut notwendige Maß zu beschränken – was vor allem darauf abzielt, diesen Müttern weiterhin eine Küchennutzung für die Versorgung der Kinder zu ermöglichen. „Da warten wir ab, wie es umgesetzt wird“, betont Bianca Wolf, die im Kindertagespflegebüro des Landkreises unter anderem für Bischofsheim die Tagesmütter-Angebote koordiniert, dass sie noch keinerlei Kenntnisse hat, was letztlich die künftige Rahmenvorgabe für die Arbeit sein wird. „Aber es darf nicht sein, dass Tagesmütter künftig wie Institutionen behandelt werden, weil sie es nun einmal nicht sind“, sagte Wolf.
Derzeit sind in Bischofsheim sieben, in Ginsheim fünf Tagesmütter gemeldet, die jeweils bis zu fünf Kinder betreuen können – abhängig von der Wohnungsgröße. Ihr ergänzendes Angebot zu den öffentlichen Kindertagesstätten werden die Gemeinden künftig noch dringender benötigen, wenn es darum geht, den Rechtsanspruch der Eltern auf Kinderbetreuung zu erfüllen, denn der wird 2013 auf die einjährigen Kinder ausgeweitet. Einige der Plätze bei diesen privaten Anbieterinnen, die als Selbstständige tätig sind, werden aber auch von Grundschulkinder belegt – die Tagesmütter sind breiter aufgestellt als die festen Einrichtungen.
Die Gemeinde bemüht sich bisher, den recht unterschiedlichen Bedürfnissen der Eltern, was den zeitlichen Rahmen der Betreuung angeht gerecht zu werden, indem sie in ihren Einrichtungen verschiedene Angebote bereit hält. Die Kita Parkweg und die Kita Schulstraße sind bisher die beiden Einrichtungen, die eine ganztägige Betreuung anbieten, auch dieser Tag ist allerdings um 16.45 Uhr vorbei, genauso wie im Schulkinderhaus. Gut zwei Stunden zuvor schließen die Einrichtungen Im Klinker, im Birkenweg und in der Gutenbergschule.
Dieses Spektrum reicht auch berufstätigen Eltern nach den Erfahrungen von Gerlinde Schad durchaus. Sie macht derzeit in „ihrer“ Kita in der Schulstraße eine ganz neue Erfahrung: „Es ist derzeit das erste Mal in den 40 Jahren dieser Kita, dass nicht alle Plätze belegt sind“, sagt die Leiterin, die am Samstag mit drei ihrer Erzieherinnen vor Ort war.
Die vierzügige Einrichtung bietet statt der theoretischen 100 derzeit nur 95 Plätze an, weil in einer Gruppe ein Integrationskind dabei ist. Doch das scheint momentan zu reichen. „In Bischofsheim bekommen Eltern sofort einen Platz für ihr Kind“, verweist sie auf den großen Vorteil, wenn bei der Belegung etwas Luft nach oben ist. In der Küche der Kita Schulstraße wird zumindest beim Gemüse alles frisch zubereitet, betont Schad. Beim Kochen wird zudem auf die Nahrungsregeln Rücksicht genommen, denen muslimische Kinder zu folgen pflegen.
Wer Gruppen für ein Kind unter drei Jahren (U3) suchte, war in der Kita Schulstraße falsch, wenn auch nicht in der Schulstraße selbst, da dort ja auch die Kindergruppe Eulenspiegel zuhause ist. Und auch die Tagesmütter sind eine Alternative für Eltern, die den Nachwuchs schon sehr früh in Obhut geben wollen oder müssen.
In den Gemeindeeinrichtungen gibt es U3-Plätze dagegen bisher nur im Parkweg. Das sollte inzwischen eigentlich anders sein: Unplanmäßig leer steht derzeit zumeist der Raum, der in der Kita Gutenbergschule für die U3-Kinder geschaffen wurde. Im Januar sollte es mit der Gruppe der Kleinsten eigentlich losgehen. Doch die drei Erzieherstellen, die hierfür vorgesehen sind, konnten wegen des leergefegten Arbeitsmarktes der Erzieherinnen nicht besetzt werden, erläutere Leiterin Susanne Hessenbruch.
„Derzeit bilden die Schulen wie wild aus“, sieht sie auf Dauer den Silberstreifen am Horizont auftauchen. Weil der U3-Bereich noch nicht von der Rechtsgarantie erfasst ist, kommt eine interne Umbesetzung von Stellen nicht in Frage. „Die Gemeinde kann schließlich kein Personal aus dem Anspruchsbereich abziehen.“
Ganz leise hofft Hessenbruch, dass sich die Erzieherinnen noch im Frühjahr finden lassen und der weitgehend verwaiste Raum endlich Leben eingehaucht bekommt. Derzeit nutzen ihn wenigstens die Tagesmütter und die Kitas mit ihren kleineren Kindern ab und zu.
Welchen Vorteil haben freie Träger in der Kleinkinderbetreuung gegenüber den gemeindlichen Einrichtungen? Sie dürfen wie bisher zwölf Kinder pro U3-Gruppe aufnehmen statt zehn, wie es in den öffentliche Kindertagesstätten inzwischen Norm ist, erläutert Barbara Pfützner von der „Krabbelstube Mainspitze“, die im ersten Stock der Gutenbergschule untergebracht ist. Somit hat dieser freie Träger in seinen zwei Gruppen 24 Plätze zur Verfügung, die sich reger Nachfrage erfreuen. Weil es tatsächlich auch bei Kindern so etwas wie ein „Platz-Sharing“ gibt, sind derzeit sogar 31 Kinder auf diesen 24 Plätzen untergebracht. „Bei uns ist es daher auch immer mal möglich, die Betreuung auszuweiten“, erläutert Pfützner. Die Krabbelstube, letztlich ein Verein, arbeitet genau wie die Gemeindeeinrichtungen mit Fachpersonal, setzt ausgebildete Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen sowie Honorarkräfte ein.
An der Breite und Qualität des Betreuungsangebotes für Kinder im Kita-Alter gibt es in Bischofsheim derzeit wenig auszusetzen. Der Personalmangel freilich ist für Bischofsheim ein großes Problem, da der Gemeinde die Mittel fehlen, um sich durch Sonderleistungen bei potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten beliebt zu machen. Diese Situation teilt Bischofsheim allerdings mit vielen anderen benachbarten Kommunen.
Noch keine Bewertungen vorhanden


X