Vermutlich war es die letzte ihrer Art

Zum 65. Geburtstag der Egerländer Gmoi gab es noch einmal eine Kaiserkirwa im großen Rahmen

Der Aufmarsch der Egerländer in ihren Trachten steht am Anfang einer jeden Kaiserkirwa.

BISCHOFSHEIM (ag) – Zu ihrer „Kaiserkirwa“ hatten die Egerländer am Samstagabend ins Bischofsheimer Bürgerhaus eingeladen. Das traditionell größte Fest des Heimat- und Brauchtumvereins stand in diesem Jahr ganz im Zeichen des 65. Geburtstages der Egerländer Gmoi. Viele Gäste und Gratulanten waren erschienen und, so viel sei vorweg gesagt, es war ein schönes, beschwingtes Fest und noch kein Abgesang auf einen Verein, den es so vielleicht schon bald nicht mehr geben wird. 

„Aus Böhmen kommt die Musik“ und erst recht die Egerländer Weisen, die Ernst Mosch und seine Musikanten in den 60er- und 70er-Jahren weltberühmt gemacht hatte. Solange diese Musik gespielt wird und ihre Liebhaber findet, wird auch die Egerländer Seele leben, in Bischofsheim lebt sie und mit ihr die zünftige Blasmusik aus Böhmen und dem Egerland. 
„Egerland, Heimatland“ spielte die „BöhMähranka“-Blaskappelle und auf der Tanzfläche herrschte Hochbetrieb. Wenn selbst gebürtige Hessen das Lied „Wir sind Kinder von der Eger“ mitsummen oder singen, dann hat Integration und Akzeptanz in der Gesellschaft wohl vollständig stattgefunden. Helmut Schöniger, Vorsitzender der Gmoi, sagte es in seiner Geburtstagsrede dann ganz deutlich: „Der ehemalige Bischofsheimer Bürgermeister Hans Dorr hat einmal gesagt, wir seien zwar Egerländer, aber schon lange nenne man sie ,Bischemer Egerländer‘“.
Voller Stolz ließ Schöniger die Höhepunkte der 65 Jahre der Gmoi Revue passieren. Am 4. April 1952 habe die Gründungsveranstaltung im Gasthaus Meckel in der Schulstraße stattgefunden. Die Gmoi-Gründer seien Rudolf Rössler, Hans Blobner, Alfred Schöniger und Wilhelm Hein gewesen. 1957, zum fünfjährigen Bestehen, habe man bereits ein dreitägiges Fest ausgerichtet, zu dem nahezu 5000 Egerländer aus Nah und Fern gekommen seien.
1962, zum zehnjährigen Gmoi-Bestehen, habe man Ernst Mosch und seine Egerländer Musikanten nach Bischofsheim eingeladen, die in dem völlig überfüllten Festzelt ihr erstes Konzert in Hessen gegeben hätten. Auch 55 Jahre nach diesem rauschenden Fest erinnere man sich noch gerne daran. 1977 beging man das 25-jährige Bestehen mit einer pompösen Kaiserkirwa im Bürgerhaus. 
Das Dreißigjährige feierten die Egerländer 1984 im Zusammenhang mit dem Landestreffen der Egerländer Gmoin, mit einem viertägigen Fest. Im 3000 Personen fassenden Festzelt wurden die Gäste unter anderen von dem Duo Marianne und Michael, dem Parodisten Frank Raimund, der Sängerin Renate Fritz und der Ochsenfurter Blaskappelle unterhalten. Unvergessen, so Schöniger, sei der Festumzug durch die Bischofsheimer Straßen, wo Festwagen der Vereine und insgesamt 2000 Personen am Umzug teilgenommen hätten, davon alleine 900 Trachtenträger. Viele Tausend Besucher hätten damals die Bischofsheimer Straßen gesäumt.
Beim Landestreffen 1988 habe die Gmoi mit 150 Personen, davon alleine 100 Trachtenträgern, noch die größte Gruppe gestellt. An der Bischofsheimer Kerb habe man 1988 auch zum ersten Mal die „Egerländer Stube“ mit original Egerländer Gerichten ins Leben gerufen. Auch das 45- und 55-jährige Bestehen nach der Jahrtausendwende seien noch stolze zwei Tagesfeste gewesen.
Diese glorreiche Zeit haben im Wesentlichen auch Edith Schmidt, Schriftführerin der Egerländer, und Karl Huyer, der „Kulturpapst“ der Gmoi, mitgestaltet. Hierfür wurde ihnen an diesem Abend von Helmut Brandel vom Kreisverband des Bundes der Vertriebenen und der Kreisgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft Groß-Gerau die Bundesehrennadel verliehen.
Grußworte sprachen Bürgermeister Ingo Kalweit, die Vorsitzende der Gemeindevertretung und Landtagsabgeordnete Sabine Bächle-Scholz sowie Christian Weinerth, Vorsitzender des Ortsgewerbevereins.
Besonders attraktive Geburtstagsgeschenke hatten die Egerländer Gmoin aus Kelsterbach, Offenbach und aus Biebesheim/Dornheim mitgebracht. Die Kelsterbacher unter der Führung von Ursula Kasper sangen Lieder aus der Heimat und natürlich „Aus Böhmen kommt die Musik“. 
Musik der besonders beschwingten Art präsentierte die Biebesheimer/Dornheimer Gesangsgruppe unter der Leitung von Rudi Mohr und Karin Liedtke. Natürlich dürfen bei einem Brauchtumsverein die bunten Volkstanzvorführung nicht fehlen und die hatten die Offenbacher mitgebracht.
Karl Huyer hatte für seine Gmoi etwas Besonderes vorbereitet, eine alte Volksweise. In Mundart erzählte der 83-Jährige die Geschichte von einem alten Mann, der mit 87 Jahren seine Heimat, das Egerland, verlassen hatte, um zu seinem Sohn nach Wien auszuwandern. Schwer fiel dem Bauer der Abschied aus der Heimat, aber in einem Taschentuch nahm er eine Handvoll Heimaterde mit auf die Reise. In Wien fand er in einer Egerländer Gmoi eine Zuflucht und die guten Erinnerungen an die Heimat, und er bat die Gmoimitglieder nur um eins: Wenn er sterbe, möchte er das Tuch mit der Heimaterde mit ins Grab nehmen. Tiefe Melancholie erfüllte den Saal, ein Wunsch am Ende eines erfüllten Lebens. Karl Huyer hatte sich selbst als den alten Mann vor der Wiener Gemeinde vorgestellt. 
Was ist eine Kaiserkirwa ohne den traditionellen Kuchen? 350 der kleinen, runden Kuchenteilchen mit Mohn, Quark oder Zwetschen hatte die Gmoi bei Bäcker Eckstein besorgt und die waren am Ende alle verkauft.
Der Egerländer Verein hat derzeit noch 100 Mitglieder, lange nicht der kleinste Verein in Bischofsheim, aber das Durchschnittsalter liegt bei 75 Jahren, erklärt Schöniger. Wer soll die Arbeit, den Auf- und Abbau noch leisten? Schöniger, der im Dezember 78 Jahre wird, ist seit 15 Jahren Vorsteher und noch bis 2019 gewählt. Er will noch so lange weitermachen, wie es geht, denn er weiß, es kommt keiner mehr nach, der es machen wird. „Alles habe seine Zeit und wir hatten eine schöne Zeit als Bischofsheimer Egerländer“, sagte er.
Eine Kaiserkirwa in dieser Größenordnung wird es nicht mehr geben, erklärt er, aber im kleineren Rahmen, im Vereinsheim des RVB, dass könne er sich gut vorstellen.

Weitere Artikelbilder:

Durchschnitt: 5 (1 Bewertung)


X