Nur geht es darum im Falle des Bischofsheimer Bürgerhaushaltes ganz und gar nicht. Man könnte sagen, Bischofsheim ist mit seinen 15, am Ende des Jahres eher 20, Millionen Euro Schuldenstand nicht in der Situation, um auf hoch fliegende Bürgerwünsche einzugehen. Die Einführung eines Bürgerhaushaltes gehörte zum Wahlprogramm von Bürgermeisterin Ulrike Steinbach (SPD). Sie hält mit dem am vergangenen Freitag gestarteten Internet-Diskussionsportal Wort. „Eine Bürgerbeteiligung schafft Transparenz und die Bürger sind Ideengeber“, nennt Steinbach die Gründe. Nur leider entfallen bei der Bischofsheimer Ideensammlung von vorneherein Luftschlösser und Wunschkonzerte.
Den Vorschlag, Bischofsheim durch den Bau eines Schwimmbades attraktiver zu machen, wird niemand ernsthaft in die Diskussion einzubringen versuchen, denn die Internetseite, über die die Diskussion derzeit und noch bis 14. Oktober läuft, hat den spaßbremsenden Seitennamen „www.bischofsheim-spart.de“ erhalten. Genau genommen lautet der Projektname etwas positiver „Bischofsheim spart – Bischofsheim lebt“, aber solch komplexe Internetadressen gibt es nun mal nicht.
Auch den aufmerksamen Bürgern ist bewusst, dass es in Bischofsheim vor allem anderen darum geht Ideen zu entwickeln, wie die Einnahmen erhöht und die Ausgaben reduziert werden können, denn die Verschuldung muss gestoppt werden, um in ferner Zukunft wieder einmal über freie Mittel zu verfügen. Die Fraktionen in der Gemeindevertretung haben im Frühsommer nach vielen Sitzungen rund eine Million Euro Einsparpotenzial erkundet. Das ist mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, aber nichts, was die Kehrtwende bringt.
Auch den Fraktionen, die potenziell Angst davor haben müssen, beim Wähler als Streicher und Spielverderber dazustehen, stehen der Einmischung der Bürger in die Diskussion über das Instrument Bürgerhaushalt mehrheitlich offen gegenüber, auch wenn der Glaube gering sein mag, dass den Bürgern einfällt, was dem Kommunalpolitiker entgangen sein soll.
Zum offiziellen Auftakt des Beteiligungsprojekts lud die Gemeinde in den Sitzungssaal im Palazzo, um den interessierten Bürgern zu erläutern, wie das mit dem Einreichen der Vorschläge für den Haushalt 2013 funktioniert. Eigentlich, könnte man mit der entsprechenden Naivität denken, müsste bei 12.600 Einwohnern der eng bestuhlte große Saal des Bürgerhauses doch gerade ausreichen, um den Ansturm der Interessierten zu bewältigen. Die Realität ist, dass die Anzahl der Vertreter der Parteien, obwohl auch bei weitem nicht vollständig anwesend, die der „bloßen“ Bürger deutlich überstieg. Rund 15 neutrale Anwesende mögen es gewesen sein, die dem Mitmach-Appell von Bürgermeisterin Ulrike Steinbach (SPD) und den Erläuterungen der Internetseite durch Sebastian Vogt (e.opinio) lauschten.
Grundlegende Informationen über die Gemeinde wie die wirtschaftlichen Leistungsdaten mögen bei der Entwicklung der Vorschläge helfen, sind aber keine Voraussetzung für Ideen. Die Ausgangslage, die Steinbach schilderte, hat das fertig abgerechnete Jahr 2010 als Grundlage und ist somit eher vage. Etwa 820 Betriebe zahlten 2010 1,7 Millionen Euro Gewerbesteuer, erfuhren die Zuhörer, dieses Jahr sollen es 2,3 Millionen werden. 1833 Arbeitsplätze, fast ein Drittel weniger als noch zehn Jahre zuvor, hatte die Gemeinde vor zwei Jahren lediglich zu bieten. Das Realsteueraufkommen pro Bürger liegt bei 215 Euro, die Pro-Kopf-Verschuldung damals noch bei 936 Euro.
Dass die Gemeinde im Siedlungsbegrenzungsgebiet der Regionalplanung liegt, ist eine wichtige Information für Bürger, die glauben könnten, Bischofsheim sollte doch einfach ein paar Baugebiete ausweisen, um die Einnahmen aus der Einkommenssteuer zu erhöhen. Dafür dürfen die Vorschlagenden fest die 250.000 Euro Mehreinnahmen aus der Anhebung der Grundsteuer B von 330 auf 400 einplanen.
Auf „bischofsheim-spart.de“ – nach der Adresseingabe werden die Nutzer auf eine e.opinio-Seite weitergeleitet – dürfen nur registrierte Nutzer Vorschläge einstellen, die dafür aber nicht ihren realen Namen verwenden müssen. Wer sich hinter Einträgen verbirgt, weiß e.opinio natürlich, die Moderatoren werden drauf achten, dass niemand die Gelegenheit missbraucht, um beleidigende Angriffe loszuwerden, erläuterte Vogt. Auch die Fraktionen und die Verwaltung dürfen Vorschläge machen, diese werden allerdings über e.opinio geleitet und unmissverständlich als Vorschlag einer Partei oder des Rathauses gekennzeichnet. Ab Mitte Oktober wird e.opinio die Eingaben auswerten und den Gemeindegremien zur Verfügung stellen. Was sie damit anfangen, ist dann deren Entscheidung.
Der Sachstand
Nach fünf Tagen, die die Seite online ist, wäre es noch zu früh aus den eingetragenen Vorschlägen einen Trend herauszulesen. Eine Handvoll Nutzer hatte bis gestern Mittag etwas mehr als 50 Vorschläge eingestellt, 22 Nutzer waren erst registriert. Auch das sind keine überwältigenden Zahlen einer Bürgerbeteiligung. Allerdings sind ja noch gut drei Wochen Zeit für interessierte Bischofsheimer, sich mit dem Thema zu befassen und sich einzumischen.
Da die Nutzer die Vorschläge bewerten können, indem sie bis zu fünf Sterne vergeben, ergibt sich für e.opinio im Laufe der Debatte ein Bild, welche Ideen am meisten Rückhalt erhalten. Repräsentativ wird daran gar nichts sein, der Bürgerhaushalt ist keine empirische Studie oder Meinungsumfrage sondern erfordert das Engagement und Mitdenken der Bürger. Da ist, so der Eindruck bei der Infoveranstaltung und der ersten Tage auf „bischofsheim-spart.de“, noch viel Luft nach oben im Bischofsheim. Wer sich nicht über das Internet beteiligen kann oder will, hat übrigens auch die Möglichkeit, über die gute alte Postkarte Vorschläge schriftlich einzureichen, die direkt im Rathaus abgegeben werden kann – diese werden in die Auswertung genauso einfließen, versprach Vogt.
Vielleicht sind die Bürger ja grundlegend glücklich mit der Situation in ihrer Gemeinde. Wahrscheinlicher ist es, dass die Aufgabe, Bischofsheim aus der Schuldenfalle zu befreien, eine zu große ist, als dass der Normalbürger sich daran wagen wollte. Schade, dass es noch auf viele Jahre hinaus keinen Bischofsheimer Bürgerhaushalt geben wird, bei dem die Bürger wirklich etwas zu gestalten haben.
Sebastian Vogt vom Unternehmen e.opinio erläuterte bei einer Infoveranstaltung im Palazzo das Internet-Diskussionsportal „www.bischofsheim-spart.de“.?(g us/Fotos: Steinacker)
Mitmachen kann man beim Bürgerhaushalt auch ganz ohne PC und Internetzugang. Auf den Rückseiten solcher Postkarten können die Bürger schriftlich ihre Ideen und Anregungen eintragen und im Rathaus abgeben.
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