Zum Beispiel das Sehen: Im „KlarSicht“-Mitmach-Parcours der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gab es in der vergangenen Woche in der Sporthalle der IGS Mainspitze an zwei Tagen Erfahrungs-Nachhilfe für rund 300 Schüler. Taucherbrillen vermittelten als „Drunk-Buster“ einen Eindruck, wie beschränkt das Sichtfeld unter Alkoholeinfluss wird und wie schwierig, auch angesichts des Verlustes an Sehschärfe, noch einigermaßen sicher den Weg nach Hause zu finden. Dazu bedarf es keines Vollrausches, sondern lediglich drei bis vier Mixgetränke, lernen die Schülerinnen und Schüler der achten, neunten und einer der zehnten Klassen der IGS sowie der Georg-August-Zinn-Schule im Gespräch mit dem Betreuer dieser Station des Parcours.
Die Truppe der BZgA reist im gesamten Bundesgebiet von Schule zu Schule um der jugendlichen Zielgruppe der Aktion im Alter von 12 bis 17 Jahren die Augen zu öffnen. „KlarSicht“ ist ein Parcours, den die BZgA mit lokalen Kooperationspartnern zusammen durchführt. In Ginsheim waren dies die Suchtpräventions- und Schulsozialarbeit der IGS, die Kreisverwaltung als Träger der Schule und der Schulsozialarbeit, der Caritasverband mit seiner Fachstelle für Suchtprävention in Rüsselsheim, sowie das Kinder- und Jugendbüro der Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg.
Eine Menge Fachkompetenz, die sich die BZgA vor Ort zusammensucht, was alleine schon deshalb sinnvoll ist, weil der Parcours am Freitagnachmittag wieder abgebaut wurde, die Schüler aber weiter Ansprechpartner für Fragen oder vertrauliche Gespräche haben sollen.
Alkohol und Tabakkonsum sind die beiden großen Sucht-Themen bei den Jugendlichen im Zielalter der Aktion. Dabei geht die BZgA an die Themen ganz unterschiedlich heran, wie Projektleiter Peter Frech erläutert. „Beim Tabak geht es uns um den Nullkonsum, die Abstinenz, das Aufhören und das gar nicht erst Anfangen.“ Diese Herangehensweise wäre beim Alkohol wegen Naivität zum Scheitern verurteilt. „Hier sind eher die Erwachsenen schockiert zu sehen, was durch Alkohol passieren kann – die Jugendlichen kennen das meist schon“, erläutert Frech. „Daher geht es beim Alkohol um den kritischen und verantwortungsvollen Umgang.“ Illegale Drogen werden beim Parcours nicht thematisiert, betont Frech, „weil wir in der kurzen Zeit mit den Jugendlichen nicht so offen darüber reden können“.
Die Linie der BZgA steht interessanterweise im Gegensatz zur der Linie, die die Schule gegenüber ihren Schülern fährt, wie Schulleiterin Elisabeth Mudersbach berichtete. Denn nicht nur im Unterricht gilt Trinkverbot. „Auch bei Klassenfahrten ist Alkohol absolut nicht erlaubt.“ Dass die IGS-Schüler allesamt nicht mehr rauchen während der Unterrichtszeit, ist dagegen eher ein Nebeneffekt davon, dass das Schulgebäude inzwischen tabu ist für jegliche Qualmproduktion, auch seitens der Lehrer – und ein Verlassen des Gebäudes während der Schulzeit, nicht nur zum Rauchen, wäre für die minderjährigen Schüler ein Regelverstoß.
Die IGS hat mit Friderike Könekamp eine Drogen-, Sucht- und Präventionslehrkraft ernannt. Auch ihre Arbeit blendet den Konsum harter Drogen, den es bei dem einen oder anderen älteren Schüler durchaus geben mag, aus. „Ich habe ja eine Meldepflicht, wenn mir etwas in der Richtung bekannt wird, daher werden sich solche Schüler mir nicht offenbaren.“ Die IGS fährt laut Mudersbach mit ihren Kandidaten eine eher erzieherische als repressive Linie, „wir versuchen die Gefahren aufzuzeigen“.
Über die Schulsozialarbeit sieht Landrat Thomas Will die Schulen im Kreis Groß-Gerau gut aufgestellt für die pädagogisch geleitete Bewältigung schwieriger Themen der Schüler, „die Vernetzung ist gegeben“. Den Ausbau der Schulsozialarbeit auf die Grundschulen will er in den kommenden Jahren gegen die Streichaufforderungen der Aufsichtsbehörde im Regierungspräsidium als „zivilen Ungehorsam“ weiter betreiben.
Reinhard Zarges von der Schulsozialarbeit des Kreises hat einen guten Eindruck von der Beteiligung der Ginsheim-Gustavsburger Schüler am BZgA-Parcours. „Sie sind engagiert dabei.“ Der Parcours besteht aus fünf interaktiv konzipierten Stationen, die die Schüler in Gruppen jeweils eine Viertelstunde lang besuchen, ehe es zur nächsten Station weitergeht. Moderatoren der BZgA oder der Kooperationspartner führen durch die Aufgabenstellungen und erarbeiten mit den Jugendlichen die Lösungen.
Neben dem „Drunk-Buster“ erwarten die Schüler im Parcours eine „Talkshow“, bei der die Schüler die Expertenrolle in einem Gespräch mit einem betroffenen Schüler übernehmen, die Zigarettenstation, bei der die Jugendlichen über die Themen rund um die Gefahren ins Gespräch kommen, der „Jahresrückblick“, der verdeutlicht, wie viel bei einem normalen Jahreskonsum an Schadstoffen auf den Körper einströmt sowie eine „Denk-Bar“, bei der alleine der Wissensdurst gestillt wird.
Vor und nach dem Parcours werfen die Schüler zu einer Einschätzfrage Bälle in Abstimmungssäulen, wie einst bei „1, 2, oder 3“. Die Theorie: Nachdem die Schüler den Parcours durchlaufen haben, werden die Kugeln etwas anders verteilt. Das nennt man Lerneffekt. Und natürlich gibt es auch jede Menge Infomaterial zum Mitnehmen.
Hineinschauen in die Köpfe der Schüler, ob etwas verstanden wurde von den Inhalten oder sie nur brav den Erwartungen der Erwachsenen entsprechen wollten, ist natürlich schwierig. In der Evaluation des Angebots, betonte die BZgA, äußerten sich aber bis zu 80 Prozent der Schüler positiv über den Parcours, weil sie Dinge dazugelernt hätten, die ihnen zum Thema Alkohol und Tabak bisher nicht bekannt gewesen seien.
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