„Alle sollen eins sein“

351. Verlobter Tag im Zeichen des Reformationsjubiläums–Gemeinsame Predigt der Pfarrer Sascha Jung und Martin Hanauer

Ein großer Blumenteppich aus Dahlien schmückte den vierten Altar am Mainufer, der erstmals neben der Erinnerungsstele der Raabekazze seinen Platz gefunden hatte.
(Foto: R. Dörhöfer

FLÖRSHEIM (drh) – Dass der amtierende Ortspfarrer am Verlobten Tag zum Ambo schreitet und predigt, ist eine Besonderheit, die es zumindest in den letzten 50 Jahren so nicht gab. Im Jubiläumsjahr der Reformation und dem Leitthema „Alle sollen eins sein“ brach Pfarrer Sascha Jung mit der Tradition, dass der Ortspfarrer nicht selbst predigt, und hielt gemeinsam mit seinem Seelsorgerkollegen der evangelischen Kirche, Pfarrer Martin Hanauer, eine Dialogpredigt.

Schon in der Begrüßung der Festgemeinde betonte Pfarrer Sascha Jung, dass es zahlreiche Beispiele gebe, wo das Einssein gar nicht mehr infrage gestellt werden würde, es andererseits aber dennoch Momente der Uneinigkeit der Kirchen gebe. Ein Blick in die Historie komme an Konfessionskriegen und Kirchenspaltungen nicht vorbei. Jung nahm sich zugleich das Recht heraus, der extremen Häufung rechter Parteiwerbung an Flörsheims Ortseinfahrten mit dem Kommentar „Es gibt keine Alternative für Deutschland“ zu begegnen. Flörsheim sei, wenngleich im Stadtparlament heftig gestritten werde, kein Ort, wo Grundrechte außer Kraft gesetzt würden.

Jung sprach in seiner Predigt die Bedeutung eines Vermächtnisses an und erklärte, dass Jesus in seinen Abschiedsworten die „Sorge um die Einheit und die Einigkeit der Zurückbleibenden“ bereits im Blick gehabt habe. „Letzte Worte haben Gewicht“, so Sascha Jung, der betonte, dass ein letztes Wort oder ein letzter Satz die Kraft haben könne, ein ganzes Leben einzufangen. Jesus‘ letzte Worte seien in Form eines Gebetes, dem hohenpriesterlichen Gebet, gekleidet und so heißt es: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11b). In diesem Gebet spräche Jesus gar schon von der künftigen Einheit der Jünger und so habe Jesus schon damals auch die heutigen Gläubigen im Blick gehabt. So sei das hohepriesterliche Gebet bis heute stets Bezugspunkt jeglicher Ökumenediskussion. Die Einheit der getrennten Kirchen ist in den Augen Jungs „das Gebot der Stunde“, doch setze die Einheit der Kirche die Einheit der Jünger mit Jesus voraus. Somit sei der Glaube an sich die Grundlage für die Einheit der Kirche.

Pfarrer Martin Hanauer begrüßte die Gläubigen mit „Liebe Schwestern und Brüder“ und sagte, dass allein schon in der Anrede der Inhalt der gesamten Predigt zur Einheit der Kirche stecke. Diese Anrede sei ein Bekenntnis zur Einheit in Christus mit dem Vater. „Bittet, so wird euch gegeben...“ heiße es in der Bibel und so seien nicht nur die zehn Aussätzigen rein geworden, auch die Flörsheimer Vorfahren hätten so zur Pestzeit auf die Hilfe Gottes vertraut. Durch die Taufen seien die Christen untrennbar mit dem Sohn, dem Vater und dem Heiligen Geist verbunden. Dass die Christen dennoch in verschiedenen Traditionen und Konfessionen leben, trenne nicht wirklich. „Jesus lenkt unseren Blick weg von der Verschiedenheit hin auf ihn selbst und den Vater! Bei ihm ist unsere Einheit.“ Die Blickrichtung sei entscheidend und da gerade am Verlobten Tag alle gemeinsam aufs Kreuz blickten, könne man mit Recht fragen: „Was sollte uns jetzt noch trennen?“

Pfarrer Sascha Jung erzählte im zweiten Teil seiner Predigt von den Lübecker Märtyrern. Zu den Lübecker Märtyrern zählen drei katholische Kapläne, die am 10. November 1943 mit einem evangelisch-lutherischen Pastor zusammen in Hamburg ermordet wurden. Sie hätten in Predigten das Unmenschliche des nationalsozialistischen Regimes beim Namen genannt und sich in ökumenischem Geist für Recht und Wahrheit eingesetzt. „Ein Martyrium der Ökumene unter dem Kreuz Jesu“, zitierte Jung bischöfliche Worte zur Seligsprechungsfeier im Juni 2011. Papst Benedikt XVI. hätte die vier Blutzeugen mit den Worten gewürdigt: „Die bezeugte Freundschaft der vier Geistlichen im Gefängnis ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Ökumene des Gebets und des Leidens, wie sie vielerorts in jenen dunklen Tagen unter Christen verschiedener Konfessionen aufgeblüht ist. Für unser gemeinsames Voranschreiten in der Ökumene dürfen wir diese Zeugen dankbar als leuchtende Wegmarken wahrnehmen.“

Eine Vertiefung des gemeinsam Christlichen werde die Ökumene, in den Augen Jungs, weiter voranbringen. „Wir sollten offener werden für das, was uns bisher prägte, damit wir einander besser verstehen und wir sollten mehr Wagemut für das haben, was uns näher zusammenbringt“, so Jung. Hanauer fügte an, dass die große Hoffnung der Ökumene von der frohen Botschaft des Evangeliums getragen würde. Mit der Einheit sei den Christen die Liebe geschenkt, denn schließlich heiße es: „Liebe Schwestern und Brüdern“, was ganz aufrichtig und ernst gemeint zu verstehen sei. „Ohne Liebe gibt es keine Einheit. Weder mit dem Vater, noch untereinander“, so Pfarrer Martin Hanauer, der um Gottes Segen bat, damit wunderbare Erfahrungen der Einheit nicht nur in schlimmsten Verfolgungssituationen oder auf dem Sterbebett geschenkt würden, sondern Einzug in den Alltag des Lebens hielten.

Bei der sich dem Festgottesdienst anschließenden Prozession hörten die Gläubigen an den vier Altären gedankliche Ausarbeitungen zu „Allein der Glaube“, „Allein die Schrift“, „Allein Christus“ und „Allein die Gnade“. Der Altar am Pestkreuz wurde vom Arbeitskreis Ökumene gestaltet und bei der zweiten Station hatte sich das Team der Kirchenbücherei Gedanken zum Nutzen der Bibel gemacht, die es verdient hätte, nicht nur im Regal zu stehen, sondern auch gelesen und bearbeitet zu werden.

An der Christkönigskapelle zeichnete sich die evangelische Kirchengemeinde für die Inhalte verantwortlich und der vierte Altar, der erstmals seinen neuen Platz direkt neben der Erinnerungsstele der Raabekazze gefunden hatte, war von der Musical-Gruppe des vergangenen Jubiläumsjahres gestaltet worden. Ein großer aus Dahlien gelegter Blumenteppich zeigte ein rotes Herz mit einer Hand inmitten eines weißen Blütenmeeres. Der Schriftzug „Alle sind eins“ rundete das Bild ab. Das Blumenteppich-Team hatte die Blüten erstmalig auf dem Feld des Fördervereins Erntedankfest und Brauchtum Heidesheim ernten dürfen, da Flörsheimer Gärtnereien keine Blüten mehr liefern können. Ein Kontakt, den Küster Wilhelm Bachmann vermittelte, der zugleich beim 351. Verlobten Tag sein 40-jähriges Küsterdienstjubiläum feiern konnte.

Auch die Kirchenmusik war vom ökumenischen Grundgedanken geprägt und so erklangen Werke katholischer und protestantischer Komponisten im Festgottesdienst. So hörten die Gläubigen beispielsweise die „Missa brevis“ des katholischen Mozarts sowie protestantische Kirchenmusik von Bach und Telemann. Während der Prozession und am vierten Altar waren Teile aus dem Jubiläumsmusical zu hören. Die musikalische Gestaltung lag in den Händen der Flörsheimer Kantorei, einem Streicherensemble sowie den Organisten Manuel Braun und Andreas Großmann. 

Seelsorger beim Verlobten Tag 2017 
Hauptzelebrant und Prediger Sascha Jung sowie als Konzelebrant und weiterer Prediger Pfarrer Martin Hanauer von der evangelischen Kirchengemeinde Flörsheim.

Weitere Konzelebranten: Pfarrer Frank-Peter Beuler, Kaplan Michael Brien, Pfarrer Balthasar Blumers, Kaplan Jan-Robert Ginter, Pfarrer Thomas Hoffäller, Pfarrer Rolf Kaifer, Kaplan Wojciech Kaszczyc, Pfarrer Andreas Klee, Pater Dominik Tran Manh Nam, Pfarrer Markus Schmidt, Pater George Joseph Ottalankal, Pfarrer Lukasz Szafera, Pater Gins Xavier, Prälat Helmut Wanka, Diakon Johann Laux, Diakon Günter Seemann, der evangelische Pfarrer Karl Endemann sowie die Gemeindereferenten Monika Dittmann, Michael Frost und Kornelia Schattner.

Es entschuldigten sich Bezirksdekan Klaus Waldeck, der einer unaufschiebbaren, dienstlichen Verpflichtung nachkommen musste, Monsignore Michael Metzler, der erstmals seit seiner Dienstzeit in Flörsheim an einem Verlobten Tag im Urlaub weilte, sowie Pfarrer Albert Seelbach, der aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch einen Verkehrsunfall ebenfalls nicht teilnehmen konnte. 

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