Aufgabe eines jeden Menschen

Traditionelles Gedenken an die Pogromnacht 1938 in der Synagogengasse

Die Vizepräsidentin des Hessischen Landtags, Heike Hofmann (Mitte), hielt die Ansprache

Mit jedem Jahr und jeder Erhebung zur Entwicklung des Antisemitismus wird wieder deutlicher, dass die alljährliche Versammlung in der Synagogengasse am Gedenkabend der Reichspogromnacht im Jahr 1938 kein bisschen überholt ist. Denn diese „Mahnwache“ hat mehr zum Ziel, als an das Geschehen am Flörsheimer jüdischen Gotteshaus in jener Nacht zu erinnern. Es geht vor allem um den Kampf gegen eine Wiederholung solcher Entwicklungen in Deutschland, die sich in den 1930er-Jahren niemand zu stoppen aufmachte.

Die Initiative für die Veranstaltung am vergangenen Mittwochabend ging wie gehabt vom SPD-Stadtverband aus, zusammen mit dem Kreisverband der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Main-Taunus (CJZ). Diesmal konnten Franz Kroonstuiver, Vorsitzender des SPD-Ortsbezirks Stadtmitte und CJZ-Aktiver, und die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Nadine Kirchheim rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der verbliebenen Grundstücksmauer begrüßen.

Der Ablauf des Gedenkens ist eingespielt. Nach Kroonstuivers und Kirchheims kurzen Einstiegsworten sprachen Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle und Bürgermeister Bernd Blisch den Organisatoren den Dank des Magistrats für die Initiative aus. Kröhle erinnerte daran, dass die Einweihung der Flörsheimer Synagoge noch 1927 als großes Fest begangen wurde. „Ganz Flörsheim war auf den Beinen um mitzufeiern.“ Umso unverständlicher sei es, dass gerade elf Jahre später die Synagoge zerstört wurde.

Bürgermeister Bernd Blisch verwies darauf wie wichtig es sei, dass der Antisemitismus und Verfolgung ein Thema sei, mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang verwies er auf die Graf-Stauffenberg-Schülerinnen und -Schüler, die sich mit der Aufarbeitung der historischen Geschehnisse befassen, und die Stoplerstein-Aktionen in Flörsheim.

Das Gedenken an das Pogromgeschehen sei nicht die Aufgabe der Politik, „sondern eines jeden Menschen“, schloss sich Heike Hofmann dieser Meinung an. Die Vizepräsidentin des Hessischen Landtags hält das mahnende Gedenken wie an den Jahrestag der Pogromnacht auch in dieser Zeit für unverzichtbar. Diese Erinnerungskultur stärke die Demokratie, „solche Veranstaltungen leisten dazu einen Beitrag“. Wie es in allen Redebeiträgen anklang, geht es auch ihr bei solchen Mahnwachen nicht nur um das Gedenken an die Opfer. Dieses Erinnern soll vielmehr dazu ermahnen, Antisemitismus im unserer Zeit aktiv zu bekämpfen, aber auch generell gegen Herabsetzungen und Verächtlichmachung bestimmter Gruppen vorzugehen.

Rabbiner Shlomo Raskin sprach das „Gebet für die Opfer der Shoa“, dessen deutsche Übersetzung zu Beginn der Mahnwache zum Mitlesen verteilt wurde. Im ersten Teil heißt darin:

G'tt voller Erbarmen,

in den Himmelshöhen thronend,

es sollen finden die verdiente Ruhestätte

unter den Flügeln Deiner Gegenwart,

in den Höhen der Gerechten und Heiligen,

strahlend wie der Glanz des Himmels,

all die Seelen der Sechs Millionen Juden,

Opfer der Shoah in Europa,

ermordet, geschlachtet,

verbrannt, umgekommen

in Heiligung Deines Namens.

Der Klarinettist Roman Kuperschmidt steuerte mit mehreren Klezmerstücken den musikalischen Beitrag zur Versammlung bei. Die Veranstaltung endete wie gewohnt mit der Verlesung der 33 Flörsheimer Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, denen auf der Grundstückswand seit einigen Jahren Gedenktafeln gewidmet sind, durch SPD-Mitglied Klaus Dörr.

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