"Wir dürfen nicht wegschauen" Veranstaltungen zum Volkstrauertag – Gedenken an Opfer von Krieg und Verfolgung

Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle wies in seiner Ansprache auf die Bedeutung des Volkstrauertages hin.

Veranstaltungen zum Volkstrauertag – Gedenken an Opfer von Krieg und Verfolgung

Am 17. November fanden in den Stadtteilen zeitgleich Gedenkveranstaltungen anlässlich des diesjährigen Volkstrauertages statt. Während in Flörsheim Erste Stadträtin Renate Mohr und in Wicker Bürgermeister Dr. Bernd Blisch sprachen, war es in Weilbach Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle, der in wohlgesetzten Worten an die Opfer von Krieg und Verfolgung erinnerte. Rund drei Dutzend Bürgerinnen und Bürger hatten sich in der Trauerhalle auf dem Weilbacher Friedhof eingefunden, darunter Ortsvorsteher Thomas Schmidt sowie Mitglieder des örtlichen Vereinsrings. Außerdem hatten die Weilbacher Feuerwehr, die TG und der Verein Kerbeborsch 6091 Weilbach Fahnenabordnungen gestellt. Die Sängervereinigung Weilbach sorgte mit drei Liedvorträgen für den würdigen musikalischen Rahmen.

Gerlinde Goldbach-Thimm (Evangelische Kirchengemeinde Weilbach) sprach einleitend ein langes Gebet, in dem sie alle Opfer von Krieg und Terrorismus einschloss: die gefallenen Soldaten, die Gefangenen und Vertriebenen, die Flüchtlinge, die Verschleppten und Ermordeten. Sie gedachten auch der Soldaten der Bundeswehr und der anderen Einsatzkräften, die fern der Heimat ihr Leben lassen mussten. Nachrichten über Terroranschläge und Kriege hätten sich einerseits "tief ins Herz eingebrannt", andererseits bestehe durch ihre bloße Zahl auch die Gefahr einer gewissen Gewöhnung und Gleichgültigkeit. "Dann, lieber Heiland, sind wir taub", beschrieb sie jene fatale Entwicklung, "dann bist Du so fern, Gott." Christen könnten "Stimmen der Versöhnung" sein, ihre Verantwortung gelte "dem Frieden zu Hause und in der Welt". "Der Glaube weiß, dass Unrecht, Hass und Gewalt nicht das letzte Wort haben werden", so Goldbach-Thimm zum Abschluss des Gebets, "wo Hass herrscht, lass uns Liebe entfalten." Abschließend beteten die Anwesenden gemeinsam das Vaterunser.

Der Volkstrauertag sei ein Tag des Gedenkens, aber auch der Besinnung, wie man auf Krieg, Gewalt und Terror reagieren soll und was "heute für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit" hierzulande und in der Welt getan werden kann, leitete Flörsheims Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle seine Ansprache ein. "Nicht nur die Tradition, sondern die Einsicht beantwortet daher auch immer wieder geäußerte Zweifel, ob wir diesen Gedenktag – fast 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – noch brauchen", so Kröhle. "Ja, wir brauchen ihn, aus Respekt vor den Millionen Opfern von Krieg und Gewalt. Wir brauchen diese Momente des Innehaltens, genauso wie wir Orte des Gedenkens brauchen, damit das, was geschehen ist, nicht verdrängt wird. Gedenktage wie Denkmale bringen zum Ausdruck, welche Ereignisse und Erfahrungen unserer Geschichte wir im Bewusstsein auch künftiger Generationen bewahren und lebendig halten wollen."

Flörsheims Stadtverordnetenvorsteher erinnerte an die Opfer der im 20. Jahrhundert in Europa geführten Kriege, an "Millionen Menschen, die verwundet, verstümmelt, entsetzlich entstellt wurden". "Zerstörte Lebensläufe, zumindest aber gestörte Lebensläufe – solch persönliche Tragödien trafen auch Millionen Deutsche, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden", sagte Kröhle. Die meisten seien "persönlich unschuldige Opfer eines verheerenden Krieges" gewesen, "der zweifellos von Deutschland verursacht und verschuldet" worden sei. Kröhle betonte in diesem Zusammenhang: "Auch die Heimatvertriebenen haben Anspruch darauf, dass wir uns ihres Schicksals erinnern, dass wir sie in ihrer Trauer nicht allein lassen, sondern im nationalen Gedächtnis bewahren, was Folge unserer gemeinsamen Geschichte war und bleibt."

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges seien abermals Millionen Menschen "Opfer von Krieg, Verfolgung, Vertreibung, fanatischem Terror" geworden. "Und ab und zu rückt der Terror auch nah an uns heran", so Kröhle, der hierbei das knapp drei Jahre zurückliegende Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt und "das feige Attentat in Halle vor wenigen Wochen" als Beispiele nannte. "Nach wie vor ist Gewalt weltweit verbreitet, um andere – einzelne Menschen, Gruppen oder Staaten – zu unterdrücken, ihnen im Namen von Nation, Volk, Rasse, Religion oder Ideologie den eigenen Willen aufzuzwingen", so Kröhle. Das Gedenken an die Toten sei auch als Mahnung zu verstehen, dass "aus der Vergangenheit Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen und danach zu handeln" ist. "Wir dürfen bei Gewalt, Krieg und Terror nicht wegschauen, als ginge uns das nichts an. Das ist zuallererst ein Gebot der Menschlichkeit. Es ist aber auch ein Gebot vorausschauender Vernunft. Der Glaube an die Begrenzbarkeit von Konflikten und an Inseln unverbrüchlichen Friedens ist nicht selten eine gefährliche Illusion", mahnte Flörsheims Stadtverordnetenvorsteher. "Erinnerungskultur ist die bewusste Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ob wir die Lektionen der Vergangenheit gelernt haben, ist noch offen. Aber wir entscheiden mit darüber, wie die Zukunft verlaufen wird."

Kränze für die Toten

Nach der Gedenkstunde in der Trauerhalle wurde das Ehrenmal für die Gefallenen beider Weltkriege an der Ecke Mainzer Straße/Rüsselsheimer Straße aufgesucht; dort legten der Stadtverordnetenvorsteher und die Abordnung der Feuerwehr die Kränze des Vereinsrings und der Stadt Flörsheim nieder.

Eine weitere Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag fand auf dem Jüdischen Friedhof statt, der sich, etwas abseits, zwischen der ehemaligen Sektkellerei Falkenberg und der Wiesenmühle in der Nähe des Wickerbachs befindet. Bürgermeister Dr. Bernd Blisch und Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle legten zum Andenken an die in der NS-Zeit drangsalierten Flörsheimerinnen und Flörsheimer jüdischen Glaubens im Beisein der Abordnungen von Feuerwehr und DRK sowie einiger Bürgerinnen und Bürger vor der Gedenktafel einen Kranz der Stadt Flörsheim nieder. Sowohl der Bürgermeister als auch der Stadtverordnetenvorsteher riefen in knappen aber eindringlichen Sätzen zur Erinnerung an die in der Vergangenheit geschehenen Verbrechen auf. Zugleich ermunterten sie zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft; gerade in Zeiten des vielerorts wieder aufflackernden Antisemitismus müsse man zusammenstehen und jüdischen Mitmenschen in offenem Dialog begegnen. Erfreulicherweise sei dies insbesondere bei jungen Leuten ganz selbstverständlich, sagte der Stadtverordnetenvorsteher. Das mache Hoffnung auf eine gute Zukunft.

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X