Einblicke in 400 Jahre Zuwanderungsgeschichte

Bürgermeister Bernd Blisch führt durch die Jahrhunderte der Einwanderung und ihre Einflüsse auf die Stadt

Bürgermeister Dr. Bernd Blisch beleuchtet die vielfältige Zuwanderungsgeschichte von Flörsheim im historischen Vortrag in der Kulturscheune.

Im Rahmen der Interkulturellen Woche referierte Bürgermeister Bernd Blisch in der Kulturscheune über die Zuwanderungsgeschichte in Flörsheim. Im Verlauf der vergangenen vier Jahrhunderte öffnete Flörsheim seine Tore für Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt, die sich rasch in die örtliche Gemeinschaft integrierten und zu Flörsheimern wurden. In seinem Vortrag analysierte der promovierte Historiker die Ursachen und Strukturen, die dieser langen Geschichte der Zuwanderung zugrunde liegen und führte sein Publikum auf eine historische Reise durch die letzten vier Jahrhunderte der Stadt.

Dr. Blisch begann seinen Vortrag mit einer Anekdote über Jacob Grimm, der 1867 ins Exil gehen musste, da er gegen einen Verfassungsbruch protestierte. Als er die Grenze nach Kurhessen überschritt, traf er auf eine Großmutter mit ihrem Enkel, die sagte: "Gib dem Herrn die Hand, er ist ein Flüchtling." Diese Geste unterstrich die Menschlichkeit, die über politischen Meinungen stand und daran erinnerte, dass hinter jeder Einwanderungsgeschichte ein Mensch in Not steht.

Blisch lenkte daraufhin den Fokus auf die facettenreiche Zuwanderungsgeschichte Flörsheims, die sich über verschiedene Epochen erstreckte. Jede dieser Epochen brachte ihre eigenen Herausforderungen und trug zur Entwicklung der Stadt auf einzigartige Weise bei.

Er startete seine Reise durch die Zeit mit den Eichsfelder Bauern, die unter den Mainzer Kurfürsten eine neue Heimat in Flörsheim fanden. Diese Pioniere legten den Grundstein für die reiche Kultur und Geschichte der Region.

Die Einwanderungsgeschichte setzte sich fort mit der Ankunft italienischer Handwerker im 18. Jahrhundert, die ihre Fähigkeiten einbrachten, und den evangelischen Porzellanmalern, deren künstlerisches Erbe noch heute bewundert wird. Zum ersten Mal erhielten Protestanten die Erlaubnis, sich niederzulassen. Es ging nicht mehr darum, welcher Religion man angehörte, sondern welche Fähigkeiten man mitbrachte. In diesem Kontext betonte Blisch, wie die im Auftrag des Mainzer Kurfürsten gegründete Flörsheimer-Fayence-Fabrik Mitte des 18. Jahrhunderts dazu beitrug, dass der Name Flörsheims über die Region hinaus bekannt wurde. Die drei "F" im Flörsheimer Wappen erinnern bis heute an die Monopolstellung, die diese Manufaktur im gesamten Erzstift innehatte.

Der Historiker verfolgte die historischen Strömungen weiter und tauchte in die Zeit der französischen Besatzung von 1918 bis 1930 ein. Diese Phase brachte nicht nur politische und kulturelle Veränderungen, sondern auch eine weitere Einwanderungswelle mit sich. Französische Einwanderer bereicherten die Region kulturell und hatten einen maßgeblichen Einfluss auf das Leben vor Ort.

Auch die dunklen Kapitel der Geschichte wurden nicht ausgelassen. Nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg sah sich die Region mit Ausgebombten, Flüchtlingen und Vertriebenen konfrontiert, die auf der Suche nach Sicherheit und einer neuen Heimat waren. Die Geschichten dieser Menschen sind geprägt von Leid und Verlust, aber auch von der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Die Einwanderungsgeschichte der Region setzte sich fort, als Gastarbeiter aus Südeuropa in den 1950er- und 1960er- Jahren für Industrieunternehmen wie Opel oder die Höchster Farbwerke in die Gegend kamen. Diese Arbeitskräfte trugen maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung bei und hinterließen bleibende Spuren in der Gesellschaft. Er wies darauf hin, dass von den 14 Millionen Gastarbeitern ganze 12 Millionen wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten.

Schließlich widmete sich Dr. Blisch den jüngsten Einwanderungswellen des 21. Jahrhunderts, die durch Konflikte und Kriege in anderen Teilen der Welt, wie Syrien oder der Ukraine, ausgelöst wurden. Die Aufnahme von Geflüchteten aus den Kriegsgebieten zeugte von der Solidarität und dem Mitgefühl der Gemeinschaft in der Region.

Der Historiker behandelte auch die maßgeblichen Einflussfaktoren, die die Einwanderung nach Flörsheim geprägt haben, darunter der 30-jährige Krieg und dessen Auswirkungen, die Pest und ihre Konsequenzen, die Integration von Protestanten, die Eingliederung in den Mainzer Kurstaat im Jahr 1866, die massiven Wanderungsbewegungen infolge der politischen Neuordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sowie die Industrialisierung, die durch Vollbeschäftigung finanziellen Wohlstand brachte.

Abschließend zitierte Bernd Blisch in seinem Vortrag einen Auszug aus "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer: "Vom Rhein – noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! […] Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen." Mit diesem Zitat unterstrich er die Bedeutung der Vielfalt und der Vermischung von Kulturen und Menschen für Flörsheim am Main durch die Einwanderung über Jahrhunderte hinweg.

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