Am Ende des Tages

Flörsheims scheidender Bürgermeister will seinen „befristeten Arbeitsvertrag“ ordentlich erfüllen

Der amtierende Bürgermeister Michael Antenbrink gratulierte noch vor der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses seinem Nachfolger Dr. Bernd Blisch zur gewonnenen Wahl.
(Foto: A. Noé)

FLÖRSHEIM (noe) – Die Befindlichkeiten nach dem unerwartet deutlichen Ausgang der Bürgermeisterwahl am 27. Mai könnten kaum gegensätzlicher sein. Während Wahlsieger Dr. Bernd Blisch und das ihn unterstützende Viererbündnis aus CDU, dfb, FDP und GALF in Partystimmung sind und zuversichtlich in Richtung Zukunft schauen, blickt der unterlegene und auch eine Woche nach der Wahl noch immer zutiefst enttäuschte Bürgermeister Michael Antenbrink mit Sorge auf die Zeit nach dem 31. Oktober. Dann nämlich endet nach zwölf Jahren sein, wie er es im Gespräch mit dieser Zeitung nannte, „befristeter Arbeitsvertrag“ mit der Stadt Flörsheim.

Von einer Wechselstimmung, wie sie Bernd Blisch vor allem in den letzten Wochen ausgemacht hatte, habe er nichts gespürt, so Antenbrink. Er habe, im Gegenteil, zunehmend das Gefühl gehabt, dass die Stimmung in der Stadt zu seinen Gunsten ist – ein Irrtum, wie sich an jenem außergewöhnlichen letzten Sonntag im Mai herausstellten sollte.

Der scheidende Bürgermeister wiederholte seine Aussage am Wahlabend: er habe sich nichts vorzuwerfen, Auch sei die Unterstützung der Flörsheimer SPD hervorragend gewesen. Man habe gemeinsam einen ehrlichen, hoch engagierten und fehlerfreien Wahlkampf geführt. Dazu gehörte, anders als bei dem alternative, ungewöhnlichere Mittel wählenden Team um Bernd Blisch, auch das klassische „Klinkenputzen“. Die Reaktionen bei den in allen Stadtteilen durchgeführten Hausbesuchen seien „ganz überwiegend positiv“ gewesen, sagte Antenbrink, umso mehr habe ihn das Wahlergebnis geschockt. Er habe in den letzten zwölf Jahren „einiges bewegt“, darauf könne er mit Recht stolz sein, meinte Antenbrink: „Das lasse ich mir nicht nehmen.“

„Am Ende des Tages“, so der abgewählte Rathauschef mit einer von ihm in den vergangenen Jahren so oft zu Beginn eines Fazits bemühten Einleitung, „hat die geballte Macht von vier Parteien, die finanziell aus dem Vollen schöpfen konnten, den Ausschlag gegeben.“ Doch kann man allein damit die sehr klare Positionierung der Wahlberechtigten – 31,7 Prozent für Antenbrink, 61,2 Prozent für Blisch – erklären? Im Vergleich zu seinem erfolgreichen Abschneiden vor sechs Jahren hätten ihm, mit Blick auf den seinerzeitigen ersten Wahlgang, „nur 10 Prozent“ gefehlt, meinte Antenbrink. Doch auch mit diesen 10 Prozent mehr auf dem Stimmenkonto hätte es nicht gelangt – die absolute Mehrheit für Bernd Blisch hätte sich nur etwas weniger stattlich dargestellt.

In Weilbach habe er im Vergleich zu 2012 noch am wenigsten verloren, so Antenbrink. „Hochspannend“ sei zudem, dass er gerade in dem Wickerer Wahlbezirk, zu dem das Wohngebiet am Ortsausgang Richtung Massenheim gehört, mit 34,9 Prozent eines seiner besseren Ergebnisse erzielt habe, meinte Antenbrink. Er sieht sich sogar zumindest ein Stück weit bestätigt – die von ihm unterstützte Entwicklung eines neuen Wohngebietes inklusive Nahversorger an der Straße „Am Goldborn“ finde in Wicker durchaus Zuspruch, so der Rathauschef.

Die letzten fünf Monate
In den vergangenen Tagen habe er die „ganze menschliche Bandbreite“ erlebt, sagte Antenbrink. Noch immer werde er auf der Straße von Leuten angesprochen, die den Wahlausgang bedauern, zudem habe er viele wertschätzende, tröstliche Briefe und E-Mails erhalten. Andere wiederum gingen ihm nun gezielt aus dem Weg.

Als er vor zwölf Jahren seine Arbeit als Bürgermeister begonnen habe, sei er auf nichts weiter als ein leer geräumtes Büro gestoßen. „Es gab niemanden, der mir etwas erklärt hat“, so Antenbrink. Er sei jedenfalls, was die Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger angeht, offen für die zu einem ordentlichen Übergang erforderlichen Gespräche. Bernd Blisch hatte bereits während eines Pressegespräches letzte Woche Dienstag angekündigt, sich zu gegebener Zeit um ein entsprechendes Treffen mit dem Amtsinhaber bemühen zu wollen.

„Ich werde nichts Neues mehr anstoßen“, erklärte Antenbrink hinsichtlich seiner Amtsführung in den ihm verbleibenden fünf Monaten. Er werde den beiden wichtigen Projekten „Umgehung Weilbach“ und „Kita Hauptstraße“ weiterhin höchste Priorität beimessen. So wolle er die nächsten Schritte zum Baubeginn des ersten Teilabschnitts der Umfahrung einleiten und Ende Oktober, als eine seiner letzten Amtshandlungen, die derzeit im Bau befindliche Kindertagesstätte für den Betrieb öffnen. Damit seien zwei dringliche aktuelle Themen auf einem guten Weg (Umgehung) beziehungsweise erledigt (Kita). Das sei auch und gerade ein Verdienst der „hervorragend arbeitenden Verwaltung“, lobte Antenbrink.

Er mache sich nichtsdestotrotz Sorgen um die Stadt, so Antenbrink. Beispielsweise, was die Entwicklung des Gewerbegebietes West V.2 angeht. Die aus CDU, dfb, FDP und GALF bestehende parlamentarische Mehrheit müsse relativ zeitnah eine für die Zukunft Flörsheims sehr bedeutsame Entscheidung zu treffen: „Jetzt, mit einem neuen Bürgermeister, muss das Viererbündnis sich seiner Verantwortung stellen und liefern.“

Des Weiteren, merkte Antenbrink an, werde sich spätestens im kommenden Jahr die Frage stellen, wer Erster Stadtrat werden soll. In diesem Punkt hält sich das Viererbündnis bislang bedeckt – und das bleibt auch erst mal so: der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif und die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr hatten in der letzten Woche gegenüber der Presse unisono erklärt, dass sich das Viererbündnis zu dem Thema „Stadtratwahl“ erst im Jahr 2019 festlegen und öffentlich äußern wird.

Fundierte Meinungen
Wegweisend, und zwar über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, wird für Flörsheim das noch zu erstellende Stadtentwicklungskonzept sein. Zurzeit geht es (immer noch) um den Beginn des Beginns, also darum, wie das Stadtentwicklungskonzept überhaupt angepackt werden soll. Antenbrink hatte hierzu in der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vor der Bürgermeisterwahl einen entsprechenden Antrag eingebracht, der aber vom Parlament vertagt wurde. Konsens war, dass vor der diesbezüglichen Beratung und Beschlussfassung zunächst feststehen müsse, wen die Bürgerinnen und Bürger zum Stadtoberhaupt bestimmen.

Nun also, da diese Frage geklärt ist, wird es zunächst in den Ausschüssen und dann im Stadtparlament um den besagten Beschlussvorschlag des noch bis Ende Oktober amtierenden Bürgermeisters gehen. Antenbrink geht davon aus, dass sein Antrag angenommen wird. Es gebe nämlich keine vernünftige Alternative; Antenbrink möchte ein Ingenieurbüro mit der Erfassung sämtlicher relevanter Daten und somit der Erstellung des gegebenen Rahmens beauftragt wissen. Erst dann sei es sinnvoll, den Bürgerbeteiligungsprozess zu starten. Ohne dem entsprechenden Faktenwissen könnten die Bürgerinnen und Bürger nur schwer eine fundierte Meinung entwickeln, die dann – möglicherweise – vom Stadtparlament per Beschlussfassung wirksam wird.
Die Frage, wer in den nächsten sechs Jahren Flörsheims Bürgermeister sein soll, wurde indes ganz demokratisch ohne Expertise beantwortet.
 

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