Es ist zweifellos nicht gut für Flörsheim, dass es solch einen Moment wie diesen seit vielen Jahren nicht mehr gegeben hatte. Häuser werden in der Stadt an der einen oder andere Stelle durchaus immer wieder mal gebaut. Aber ein Projekt, das gezielt Wohnraum für das Segment des geförderten sozialen Wohnungsbaus schafft, hatte die Stadt allzu lange nicht mehr erlebt. Das Richtfest an der Riedstraße 72 setzte am Freitag etwas dem Trend entgegen, dass auslaufende Bindungen der Mietwohnungen an die Förderung nicht mehr erneuert und lange auch keine Neubauprojekte für sozialen Wohnungsbau mehr auf den Weg gebracht wurden.
Erstmals seit 15 Jahren verantwortet die städtische Terra Erschließungs GmbH nun wieder solch ein Neubauprojekt, als Bauherr eines Gebäudes für zwölf geförderte und entsprechend günstige Wohnungen. Das Hochheimer Architektur- und Stadtplanungsbüro „Endersweissbangert“ hatte das dreietagige Haus mit je vier Wohnungen pro Stockwerk geplant und begleitet es in der Umsetzung. Das leitende Bauunternehmen Brömer & Sohn kommt aus Wiesbaden, zehn Unternehmen waren und sind insgesamt an der Umsetzung beteiligt. Die Übergabe der Wohnungen soll im kommenden Mai erfolgen.
Gefördert wird das mit 3,6 Millionen Euro veranschlagte Projekt durch Mittel von der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen, vom Landesministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen sowie vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Die Wohnungen werden für 25 Jahre in der Sozialbindung bleiben, die Zielmarke für den Mietpreis liegt bei 8,50 Euro. Gegen Ende der Laufzeit der Bindung muss die Stadt entscheiden, ob sie eine Verlängerung will – wenn nicht, wie in Flörsheim in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach passiert, wechselt es ab 2051 in den „normalen“ Wohnungsmarkt.
Das Projekt ging bisher schnell voran: Erst im April hatte der Aushub auf der bisherigen Rasenfläche nördlich der B519 begonnen, Mitte August begannen die Maurerarbeiten. Nun also versammelten sich Repräsentanten der beteiligten Unternehmen, Stadtverwaltung und Politik an der Baustelle, um das unvermeidliche Richtfest mit Kranz und Zimmermannsspruch zu feiern – während die Arbeiten im Gebäude weiterliefen.
Pro Etage entstehen je zwei Zweizimmer sowie je eine Drei- und eine Vierzimmerwohnung mit 60, 70 und über 80 Quadratmeter Wohnfläche. Ausgestattet sind sie neben den in diesem Bereich obligatorischen schallisolierenden Fenstern mit modernen Standards wie Fußbodenheizung und Barrierefreiheit sowie Gebäudebeheizung über eine Wärmepumpe. Natürlich gibt es auch einen Aufzug im offenen und daher nicht beheizten Treppenhaus. Vielleicht eher nicht zu erwarten, auf dem begrenzten Grundstück aber unabdingbar ist die Tiefgarage mit neun mietbaren Stellplätzen samt Wallbox-Option, drei weitere sind am Gebäude geplant. Damit ist der Faktor 1,0 niedriger angesetzt als in der Stellplatzsatzung der Stadt für Wohnhäuser dieser Größenordnung vorgesehen (1,8), was aber natürlich rechtlich abgesichert ist.
Wie Bernhard Bangert von Planungsbüro erläuterte, sei das Gebäude so ausgerichtet, dass die „schutzbedürftigen Räume“ von der Bundesstraße weg liegen. Eine Lärmschutzwand entlang der Bundesstraße war schon lange vor dem Baubeginn errichtet worden, wegen des Fluglärms über dem Osten der Stadt wird es allerdings vermutlich eine begrenzte Freude, die Balkons zu genießen.
Die Beschränkungen für Neubauprojekte durch die Fluglärmbelastung nannte Bürgermeister und Terra-Aufsichtsratsvorsitzender Bernd Blisch in seiner Ansprache als Hindernis bei der Suche nach Bauplätzen für Neubauprojekte. Die zwölf neuen Sozialwohnungen „tun uns gut“, betonte er daher, nachdem von den vor zehn Jahren noch 294 gebundenen Wohnungen unter seinem Vorgänger rund 100 aus der Bindung rausgefallen seien, doch „der Bedarf an günstigem Wohnraum steigt“. Die Terra sei über einige Jahre mit dem Rathausprojekt ausgelastet gewesen, nun lege sie wieder „mit dem los, was wir von ihr wollen: Wohnungsbau“.
Dass weitere Projekte folgen werden ist bereits gesichert, denn im bis zur Fertigstellung der Rathausvilla als Verwaltungsgebäude genutzten Gebäude in der Eddersheimer Straße 6 sowie durch die Neubebauung des seit Ende Mai geräumten Flachbaukomplexes am Herrnberg werden ebenfalls sozial gebundene Wohnungen entstehen. Der Umbau in der Eddersheimer Straße sei als Projekt bereits genehmigt, „hier warten wir auf die Fördergelder", erläuterte Blisch. Über den Herrnberg werde in der Novembersitzung des Aufsichtsrates gesprochen.
Als "ein starkes Zeichen für Flörsheim“ wertete Stadtverordnetenvorsteher Michael Kröhle das Projekt, da es den Zusammenhalt in der Stadt stärke. „Es bietet Perspektiven und Chancen für Menschen, die sich das Wohnen in Flörsheim kaum noch leisten können."
Architekt Johannes Weiß schilderte, wie es zu der Zusammenarbeit mit der Terra kam. Im Februar 2023 sei Geschäftsführer Axel Braunsberger auf sein Büro zugekommen mit „einer anderen Idee für das Grundstück“. Nun galt es ein Projekt „mit engem Budget, aber architektonischem Anspruch“ auf die Beine zu stellen – und dabei auch noch den Zeit- und Kostenplan einzuhalten. Das scheint nach aktuellem Stand zu gelingen. Weiß lobte die Teamarbeit, die die Mitarbeiter auf der Baustelle leisteten, „hier greift ein Rad ins andere“. Es scheint eben ein wahres Glückprojekt für alle Seiten zu sein, was sich schon darin zeigte, dass das Richtfest inmitten einer eigentlich sehr unwirschen Wetterlage am Ende der vergangenen Woche sogar mit etwas Sonnenschein über die Bühne ging.



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