Ein letztes Mal kann Flörsheim ein Haushaltsdefizit noch aus den Rücklage begleichen, woher das Geld bei künftigen, negativen Salden herkommen soll – die realistisch betrachtet zu erwarten sind – wird so schnell allerdings nicht geklärt werden. Der Haushaltsentwurf für 2026, der der Stadtverordnetenversammlung unter normalen Umständen in der Septembersitzung im Entwurf vorgelegt worden wäre, wird in diesem Jahr nicht mehr verabschiedet, vermutlich nicht einmal vorgelegt. Der Blick in die Zukunft, wie sie Bürgermeister und Kämmerer Bernd Blisch in dem Aufstellung geben muss, ist noch so ungewiss, dass sich dies nicht in Zahlen fassen lässt.
Das Jahr 2025 ordnungsgemäß abzuschließen, dafür soll nun ein Kniff sorgen, den die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der CDU/GALF-Koalition sowie der Freien Bürger bei Enthaltung der FDP und Ablehnung durch die SPD verabschiedete. Einzige Stellschraube: Die Obergrenze für die sogenannten Kassenkredite, offiziell Liquiditätskredite, wird durch den Nachtrag von sieben auf 14 Million Euro verdoppelt.
Die Vorlage des Magistrats führt noch einmal die Verschiebungen zwischen Ansätzen im Haushalt und der Realität auf, die zu dem Schritt führten: Knapp 513.000 Euro Mindereinnahmen bei der Grundsteuer B (-502.975 Euro) und Grundsteuer A (-9.828 Euro) und 6,3 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer als veranschlagt – statt 11,5 Millionen Euro sind nun nur noch 5,2 Millionen zu erwarten – schlagen heftig ins Kontor.
„Die Erhöhung der Liquiditätskreditlinie und die verfügten Einschränkungen in der Bewirtschaftung des aktuellen Haushalts sollen die negativen Einflüsse auf die aktuelle Finanzlage der Stadt abmildern“, betont die Beschlussvorlage – mit den Einschränkung ist die vom Magistrat im Sommer erlassene Haushaltssperre gemeint. Verwaltungsintern würden bereits „Konsolidierungsmaßnahmen für die Aufstellung kommender Haushalte geprüft und vorbereitet“, heißt es abschließend und wohl zur Beruhigung.
„Die Erhöhung der Liquiditätskredite gibt der Verwaltung Sicherheit, die letzten Monate des Jahres gut zu überstehen“, verdeutlichte Blisch. „wir wollen mit dem Geld im Stil einer schwäbischen Hausfrau umgehen.“ Der Kämmerer verwies auf die Beschlüsse anderer Kommunen in ähnlicher Situation, aber ohne Rücklagen wie etwa Hofheim, die auf die Lage mit Anhebungen der Steuersätze reagierten. Das sieht der Flörsheimer Nachtrag nicht vor.
„Wir waren alle geschockt“, betonte SPD-Finanzexperte Philipp Moritz. Die Auswirkungen auf den Haushalt durch die wirtschaftlichen Entwicklungen seien unausweichlich, erkannte er an. Wenn die Gewerbesteuerzahlungen der Betriebe mit der Spitzabrechnung nach Jahren überprüft werden, gebe es eben schnell deutliche Abweichungen. Die Hochphase der Einnahmen in Flörsheim, für die sich die Mehrheit habe seinerzeit feiern lassen, sei genauso konjunkturell bedingt gewesen wie nun diese Delle.
Die Koalition hat seiner Rechnung nach mit dem verzögerten Durchführen der Beschlüsse zum Ausbau der Kita Pusteblume in Weilbach sowie der Neugestaltung der Mainuferpromenade Verteuerungen der Projekte von 100 oder 66 Prozent verursacht, „je nachdem, ob man die Inflation und Zinseszinsen mit einberechnet“. Moritz sieht aber auch Mehrheitsentscheidungen als Grund für die verschlechterten Bilanzen. Nun müssten die Kosten statt aus der Liquidität über kostenpflichtige Bankkredite bezahlt werden.
Die Sozialdemokraten wollten sich mit dem erhöhten Rahmen der Liquiditätskredite nicht zufriedengeben und stimmten der Vorlage des Magistrats nicht zu. Moritz forderte einen Nachtragshaushalt mit aktualisierten Listen, „damit wir als Parlament unserer politischen Steuerungsfunktion nachkommen können“. Es sei „nicht akzeptabel, dass uns das entzogen wird“. Es fehlten zudem Vorschläge für eine strukturelle Veränderung, alleine eine Grundsteuer-Anhebung sei so gut wie sicher. Moritz forderte die Vorlage des Haushaltsentwurfs für 2026 noch in diesem Jahr, spätestens Anfang 2026.
Bei Frank Laurent (GALF) kam der Vortrag des SPD-Kollegen wie eine vorweggenommene Haushaltsrede an. Seine Fraktion sei es, die sich als Vertreter der sparsamen Hausmanns-Linie verstehe. Die erhoffte Steigerung bei den Steuereinnahmen für dieses Jahr sei ausgeblieben, „und die Gewerbesteuer ist jedes Jahr eine Unwägbarkeit“. Sie sei „ein Biest, das sich nie erklärt, wie es nächstes Jahr aussehen wird“.
Unter Kämmerer Bernd Blisch werde in Flörsheim das Geld stets maßvoll eingesetzt, zeigte der GALF-Fraktionschef sich überzeugt. „Investiert wird, wo es notwendig ist und damit Flörsheim ein liebenswerter Ort bleibt.“ Die auf bis zu 18 Millionen Euro aufgebauten Rücklagen seien nun aufgebraucht. Laurent erinnerte daran, dass SPD und FDP vor nicht langer Zeit eine Senkung der Grundsteuern gefordert habe, „das haben wir zum Glück abgelehnt – und im Jahr danach fing die Misere an“.
Laurent glaubt nicht, dass es sinnvoll wäre, den Haushalt 2026 im Januar aufzustellen, „dann kommt er in den Wahlkampf hinein“, verweist er auf den Kommunalwahltermin im März. Er sieht keine Chance, dass sich die Zahlen entscheidend verbessern lassen. „Solange Bund und Länder sich nicht bewegen und die Kommunen besser ausstatten, werden wir jedes Jahr wieder solche Diskussionen führen“, fürchtet er.
Marcus Reif (CDU) blickte weit zurück auf die vergangenen „25 bis 30 Jahre“ politischer Entscheidungen in Flörsheim, „da war vieles dabei, was im Nachhinein nicht ideal war, anderes war gut“. Man könne bei Entscheidungen eben nicht um Jahre vorausschauen. Das Gewerbegebiet West V zu entwickeln sei ein Punkt, der schneller hätte geschehen müssen, nannte Reif ein Beispiel, was seiner Meinung nach hätte besser laufen können.
Er erinnerte daran, dass eine Mehrheit sich gegen einen weiteren Logistiker auf den Flächen ausgesprochen habe, die Entscheidung, die HLG mit der Entwicklung des Gebiets zu beauftragen, sei aber richtig gewesen, betonte Reif. Dass es manchmal eben schwierig sei, den richtigen Weg zu finden, sehe man am langgezogenen Grundstück auf der Bahnhofs-Nordseite. Die erst angestrebte Wohnbebauung sei nicht möglich, es müsse eine Mischbebauung her. Solche Projekte seien angesichts der Insolvenzwelle auch im Main-Taunus-Kreis aber momentan schwer durchzuführen, „es ist nicht die Zeit für uns“.
Ein positives Beispiel sei es, die Chance genutzt zu haben, aus dem ehemaligen Marienkrankenhaus ein Gesundheitszentrum zu machen, „eine wichtige Entscheidung“, die den Flörsheimern eine medizinische Versorgung in der Stadt gesichert habe. Am Herrnberg sei es zumindest gelungen den Flachbaukomplex zu erwerben. Bauphasen hätten sich durch Corona und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges deutlich verlängert.
Auch beim Ausstieg aus der Hessenkasse sieht Reif Für und Wider bei der Einschätzung früherer Entscheidungen. „Ein zinsloses Darlehen gegen eines einzutauschen, das mit Zinsen bezahlt werden muss, war vielleicht nicht so schlau“, gesteht der CDU-Fraktionschef zu. „Aber sich von den Fesseln der Hessenkasse zu lösen war richtig“, beharrt er. „So haben wir mehr Spielraum.“ Letztlich müsse auch die Stadtverordnetenversammlung mit der Situation leben, „dass Gelder von hier nach Nordhessen umgeleitet werden“.
Es gebe durchaus „Sachen, die wir beeinflussen können“, lenkte Thorsten Press (FDP) die Debatte zurück auf die Themen, die in der Stadt zu entscheiden seien. „Dafür sitzen wir hier.“ In der Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung seien Entscheidungen getroffen worden, „die würde keine schwäbische Hausfrau treffen“ und nannte die Auswahl der Baumaterialien bei der Mainufer-Umgestaltung als Beispiel. „Da kann man sich nicht hinstellen und sagen, die anderen sind schuld.“
Die Diskussion um das neue Gewerbegebiet West V.II hat für ihn weniger mit der Frage zu tun, ob sich dort ein weiterer Logistiker niederlassen dürfe. „Das Gebiet steht heute so da wie vor fünf Jahren.“ So gebe es eben keine neuen Gewerbesteuerzahler, „dabei würde das helfen“. Die Wirtschaft zu stärken, sei in Flörsheim ein hehres Ziel der Verwaltung, doch dann werde ein Geschäftsinhaber, der zum Einladen kurz sein Fahrzeug abstelle, wo es nicht vorgesehen sei, mit 55 Euro Bußgeld bestraft.
Seine Befürchtung sei, dass „den Leuten jede Planungssicherheit genommen wird“, sagte Press mit Blick auf die unklare Haushaltsaufstellung für das kommende Jahr. Ihn erst im Januar aufzustellen und dann noch vor oder auch erst nach der Kommunalwahl zu beschließen sei für ihn „Sand in den Augen“. Diese Unzufriedenheit mit der mangelnden Klarheit drückten die Freidemokraten mit einer Enthaltung aus.
Seine Haushaltsrede hebe er sich für die entsprechende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung auf, kommentierte Alois Mhlanga (Die Freien Bürger) die langen Statements seiner Vorredner. Er verwies knapp darauf, dass seine Fraktion sich schon vor langem für eine Wirtschaftsförderung durch die Stadt ausgesprochen habe, „die diesen Namen auch verdient“. Dazu gehört für ihn, dass die Stadt Ausgaben für Bauprojekte und Gewerbegebiet-Entwicklungen tätigt. Den Antrag des Magistrats nannte Mhlanga jedoch „alternativlos“, weshalb seine Fraktion ihm auch zustimmte.
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